Von Agenten verfolgt - vermindert schuldfähig

BITBURG. (iz) "Aufgrund der verminderten Schuldfähigkeit: Sechs Monate auf Bewährung und 3500 Euro Geldbuße", lautete das Urteil des Amtsgerichts Bitburg. Ein nicht alltäglicher Fall, den der Vorsitzende Richter Udo May entscheiden musste. Nicht nur die umfangreiche Beweisaufnahme, sondern auch die gutachterliche Erörterung des "Geisteszustands des Angeklagten" sorgten für eine fast zwölfstündige Verhandlung.

Mehrere Straftaten, darunter Körperverletzungsdelikte in fünf Fällen, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Nötigung, wurden einem 45-jährigen Ingenieur aus Speicher zur Last gelegt. Es stellte sich dem Gericht die Frage, ob der Täter zur Zeit seiner Taten (es waren immerhin acht Anklageschriften) überhaupt schuldfähig gewesen war. Mit über einer Stunde Verspätung wurde die Sitzung eröffnet. Eine Richterin am Amtsgericht musste über diverse Befangenheitsanträge des Angeklagten gegen das Gericht entscheiden. Immer wieder schien der Angeklagte ohne Grund Personen zu schlagen. "Die haben mich provoziert", beteuerte der Beamte, der sich zurzeit im Ruhestand befindet, vor Gericht. Bei anderer Gelegenheit sollen "wildfremde Personen ihm nahe stehende Personen beleidigt haben", und schon schlug er wieder auf die Personen ein. Aus seinem Dienstverhältnis wurde der Angeklagte entlassen, weil er einen Kollegen geschlagen hatte, "der mich provoziert hatte." Stimmen höre er, und er werde von einem Agentennetz verfolgt, führte der Angeklagte gegenüber dem Gutachter aus. Auch wolle man ihn mit Würmern und Trichinen vergiften. Auch von einer Verschwörung in Speicher gegen ihn sprach der Angeklagte. Dort musste vor allem eine Person unter dieser Verfolgung durch den Angeklagten leiden und wurde mehrfach von ihm angegriffen. "Paranoide Konzentration auf eine Person" und "ausgestalteter Wahn mit paranoidem Erleben" diagnostizierte der Gutachter aus Bonn. Von einer behandlungsbedürftigen Psychose aus dem schizophrenen Bereich war die Rede, die zu einer verminderten Schuldunfähigkeit des Täters führte.Wie bei den Hexenprozessen

Aber eine Erkrankung akzeptierte der Angeklagte nicht. Bei den Ausführungen des Gutachters hält er sich immer wieder die Ohren zu: "Das kann ich nicht mehr hören! Alles lachhaft!", kommentierte der Angeklagte murmelnd, obwohl er sich andererseits zeitweise selbst nicht mehr "für prozessfähig" hielt. Ein angeforderter Arzt bescheinigte aber die Prozessfähigkeit, denn alle "Vitalfunktionen" seien bei dem 45-Jährigen in Ordnung. Höhepunkt der teils verworrenen Ausführungen des Angeklagten war der Punkt, dass er seine Verhandlung mit den "Hexenprozessen des Mittelalters" verglich, denn hier seien auch Unschuldige verurteilt worden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort