Von der Lektürefront - Wie wär's mit guten Lese-Tipps?

Prüm · Lese-Erlebnisse aus den vergangenen Wochen und Monaten: Lauter Lob für Bücher, die sich lohnen.

 Tässchen Kaffee, locker machen – und rein in den Eifeler Schmökersommer: ein paar der Bücher, die in unserem Artikel empfohlen werden. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Tässchen Kaffee, locker machen – und rein in den Eifeler Schmökersommer: ein paar der Bücher, die in unserem Artikel empfohlen werden. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Foto: (e_eifel )

Himmel, die großen Blätter im Land sind längst dabei, uns die Sommerlektüre für die großen Ferien zu empfehlen, und ich hänge noch in der Herbst- und Frühjahrsproduktion, die ich noch immer nicht durch habe. Schon dräut der nächste Bücherherbst, schon naht die Frankfurter Buchmesse, dann gibt es wieder jede Menge neuer Lektüre, man kommt kaum hinterher.

Und vor allem: Bald erscheint auch der neue Roman von unserem Eifeler Säulenheiligen Norbert Scheuer: "Am Grund des Universums" wird er heißen, Ende August kommt er heraus, und ich freue mich sehr darauf.
Ansonsten aber gilt: Lesen geht immer, und es gibt auch keine Sommerbücher. Am Strand kann man auch ein Schneebuch lesen. Dann fühlt man sich direkt ein bisschen abgekühlt - und deshalb schon gleich ein Tipp aus der Hüfte: "Als die Winter noch Winter waren. Geschichte einer Jahreszeit" heißt das jüngste Werk von Bernd Brunner im Verlag Galiani Berlin. Es ist genauso cool wie seine "Kunst des Liegens", die wir hier ja vor Jahren schon empfohlen haben.

Weiter geht's: "Die Leser gestatten dir einen Zugang tief in ihre Gedanken und Gefühle, sie laden dich sogar dazu ein - also solltest du wohl Entscheidungen darüber treffen, wie du sie behandelst."
Wie gut, wenn man solche Sätze noch einmal aus dem E-Mail-Eingang kramen kann, weil man es einfach nicht hinbekommt, die ganzen Dinger zu löschen. Die schottische Schriftstellerin A(lison) L(ouise) Kennedy erhielt vor neun Jahren den Preis des Eifel-Literaturfestivals - den oben zitierten Satz sagte sie damals im Interview, das wir vorher mit ihr führten.

In Bitburg wurde sie für ihren Roman "Day" ausgezeichnet, inzwischen folgten weitere Preise, weitere Bücher - und im Herbst der Band "Schreiben" (Edition Akzente im Hanser Verlag, 206 Seiten, 22 Euro), in dem sie, basierend auf ihrem Internetblog, aus dem Leben und vom Handwerk einer Schriftstellerin berichtet, inklusive konkreter Ratschläge für angehende Schreiber.
Und auch hier trifft sie wieder Entscheidungen - lauter richtige natürlich. Wobei es diesmal umgekehrt ist: Kennedy lädt uns, die Leser, in ihre Gedanken- und Gefühlswelt ein. Voller Humor, Wärme und extrem kluger Einsichten. Aber das ist bei dieser Autorin ja immer so.

Bleiben wir doch gleich bei "extrem klug", nämlich dem neuen Roman von Brigitte Kronauer. Ihrem Buch kann man sich auf vielen Wegen beschreibend nähern. Es geht darin um Verlust, um Trauer, um Schmerz - seelisch und ganz profan körperlich - es geht um Heimat, um Rückkehr, um das Verschwinden von Orten, Menschen, Gefühlen, um die Flüchtigkeit des Glücks und der Lebensentwürfe. Ums Alter und den Verlust der Autonomie, der damit einhergeht. Und wie man mit all diesen Dingen umgeht, wenn uns das Leben wieder einen dicken Strich durch die Rechnung macht.

Es geht aber vor allem ums Erzählen. Und wer sich jetzt von dieser beschreibenden Bugwelle der großen Themen verunsichern lässt, dem sei gesagt, was für eine fantastische Erzählerin Brigitte Kronauer ist. Wie sie jetzt, in "Der Sheik von Aachen" (Klett-Cotta, 400 Seiten, 22,95 Euro), wieder unter Beweis stellt. Und das auf eine sprachmächtige, hochamüsante und immer wieder begeisternde Weise.
Dabei wachsen einem die wenigen Charaktere, je länger man dabeibleibt, desto mehr ans Herz. "Der Sheik von Aachen" zeigt, dass große Kunst und großes, anregendes Vergnügen einander nicht ausschließen. Ich stelle gerade fest, dass ich mit keinem Wort erwähnt habe, was in dem Buch passiert. Trotzdem stimmt alles, was ich darüber gesagt habe. Und übrigens: Die Eifel kommt auch vor, ein bisschen.

Genau so. Genau so ist es doch! Warum ist mir das nicht eingefallen? - Das sind so die Gedanken, die einem durch den Kopf rauschen, wenn man Bücher von Jochen Schmidt liest. Weil er sich so genau erinnert, und zwar anscheinend an alles, weil er dafür die schönsten Sätze findet, weil er ein so mikrofeiner Beobachter und Registrierer ist. Und einen immer wieder entwaffnet und zum Lächeln bringt.
Der Schriftsteller, mit seinem Roman "Schneckenmühle" über die Erlebnisse eines Jugendlichen in den (nur vom Rand der Erzählung reinwehenden) letzten Tagen der DDR bekanntgeworden, tut auch genau das wieder in seinem neuen Roman "Zuckersand" (CH Beck, 206 Seiten, 18 Euro), seinem zauberhaft zärtlichen Buch über einen Vater und seinen kleinen Sohn. Das ist unglaublich - man scheut sich,das zu sagen, weil das Wort so einen schlechten Ruf hat - putzig. Aber vielleicht wird putzig ja das neue cool.

Cool ist auch weithin das Image von Paul Auster, der sich zum 70. Geburtstag offenbar ein Magnum Opus schenken wollte: "4321" heißt es (Rowohlt, 1264 Seiten - warum denn eigentlich nicht 1234 Seiten?, denkt man -, 29,95 Euro), und Auster erzählt darin die Biografie seines Helden Archie Ferguson - aber in vier Varianten.
Wie hält man das denn durch als Leser? Ziemlich gut, denn Auster hat es offenbar darauf angelegt, die Geschichte so geschmeidig wie nur möglich zu erzählen. Dazu baut er lange, elegant fließende Sätze, und das muss man auch erst mal können (Achtung: Der Rezensent gesteht, dass er immer noch nicht fertig ist mit dem Buch, es aber, trotz Anfragen aus dem Freundeskreis, nicht verleihen will. Weil man Bücher so selten zurückbekommt. Und weil er noch weiterlesen will).

Apropos können: Können Tiere denken? Man hat ja schon bei etlichen Menschen die Sorge, dass das ihnen nicht gelingt, weshalb sie einem so auf die Nerven gehen. Aber der Ökologe Carl Safina befasst sich mit dieser Frage in seinem neuen Buch: "Die Intelligenz der Tiere" (CH Beck, 526 Seiten, viele Fotos und Illustrationen, 26,95 Euro) und bietet eine weite, aufregende Reise zu diesen anderen Wesen, mit denen wir den Planeten teilen, mit denen wir so ignorant, so grausam umgehen - und beschenkt uns mit erstaunlichen Erkenntnissen.
Ach so: Wer übrigens der Meinung sein sollte, "Ökologe", "Sachbuch" und "vorzüglich geschrieben" passten nicht zusammen, wird hier ebenfalls eines Besseren belehrt.
So, das war's vorerst. Wir lesen weiter und melden uns wieder.

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