Von der Tatwaffe keine Spur

TRIER/BITBURG. Heute ist der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen drei Angeklagte aus Bitburg, die sich wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung verantworten müssen. Bisher sind bereits erhebliche Schwierigkeiten im Verfahren deutlich geworden: Die Tatwaffe fehlt, und auf die Vernehmungsprotokolle scheint kein Verlass zu sein.

Das fünfköpfige Gericht, unter Vorsitz von Richter Rolf Gabelmann mit je zwei beisitzenden Richtern und Schöffen, versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. Zum Prozessauftakt am Montag gestaltete sich die Wahrheitsfindung allerdings sehr schwierig. Im Zeugenstand sagten neben dem 28-jährigen Opfer weitere sechs junge Türken aus. Allerdings widersprachen sie sich scheinbar in Details mit Blick auf ihre Vernehmungen bei der Polizei oder vor dem Ermittlungsrichter. Richter Gabelmann hielt dem Opfer vor, dass in den Akten stehe, der 28-Jährige habe behauptet, jeder der drei Angeklagten habe bei der Tat ein Messer in der Hand gehalten. Der Türke antwortete: "Nein, das habe ich nie gesagt." Ein 25-jähriger türkischer Dachdecker kam in eine ähnliche Situation. Laut Aktenlage soll er behauptet haben, am besagten Abend im Juni 2004 sei eine Schlägerei mit der Bitburger Familie einkalkuliert gewesen. Der Dachdecker sagte: "Nein, das stimmt nicht, aber der Polizist hat mich immer sowas gefragt." Als der vorsitzende Richter bei den sieben jungen Türken nachhakt, sind die Vernehmungen mal mit, mal ohne Dolmetscher protokolliert worden. Die genauen Umstände will das Gericht noch klären. Beim laufenden Prozess geht Gabelmann allerdings kein Risiko wegen Sprachschwierigkeiten ein. Ein professioneller Dolmetscher aus Wiesbaden übersetzte jedes Wort. Was bleibt, ist die Frage, inwieweit sich das Gericht auf die vorliegenden Fakten verlassen kann. Laut Anklage der Staatsanwaltschaft soll ein 48-jähriger Bitburger den 28-jährigen Türken mit einem Messerstich lebensgefährlich verletzt haben. Deshalb droht ihm wegen versuchten Totschlags eine Freiheitsstrafe von bis zu elf Jahren. Seine beiden Söhne, 19 und 20 Jahre alt, sollen bei dem Streit am 26. Juni 2004 dabei gewesen sein. Den beiden Schrotthändlern drohen wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung bis zu sieben Jahre Haft (der TV berichtete). Beim Prozessauftakt war immer wieder von rassistischen Hintergründen die Rede. Das türkische Opfer und sein jüngerer Bruder hatten das Gericht um Anonymität bezüglich ihrer Wohnadressen und Arbeitgeber gebeten. Darauf wurde strikt geachtet. Anwalt Michael Quester, Verteidiger des Hauptangeklagten, versuchte, die angebliche Bedrohung zu eliminieren. Er sagte: "Diese Geheimnistuerei um die Adressen wegen angeblicher Gefahr durch die Familie meines Mandanten muss nicht sein. Die Adresse steht auf Seite 18 der Akte, und bisher ist nichts passiert." Weiteres Handicap im Verfahren: die Tatwaffe ist verschwunden. Richter Gabelmann versuchte mit der Zeugenaussage des Chefarztes des Bitburger Krankenhauses, der die lebensrettende Operation durchführte, eine Vorstellung von der Tatwaffe zu bekommen. Der Chirurg erklärte: "Es ist von einem Messer mit einer 3,5 Zentimeter breiten Klinge auszugehen, weil die Kanten der Schnittwunde sehr glatt waren." Auf Nachfrage des Gerichts machte der Chefarzt deutlich, dass das Opfer ohne Notoperation innerhalb einer halben Stunde gestorben wäre. Heute und morgen geht der Prozess jeweils um 9 Uhr vor dem Trierer Landgericht weiter.

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