Von einem Tag auf den nächsten leben

Hallschlag · Zwei Ausstellungen in Jünkerath und Prüm befassen sich vom Wochenende an mit dem Thema Armut in der Eifel (siehe Bericht unten). Der Trierische Volksfreund hat eine Familie in Hallschlag besucht, die das Beste aus ihrer Lage macht.

Armut - ein Thema, mit dem sich niemand gerne befasst. Cäcilia und Guido Keip aus Hallschlag wurden jedoch dazu gezwungen. Ihre Geschichte zeigt, dass man ganz schnell - und schuldlos - in finanzielle Not geraten kann.

Guido Keip (53) ist gelernter Werkzeugmacher, arbeitete später als Schlosser und war zuletzt europaweit als Fernfahrer unterwegs, für Unternehmen in der nordrhein-westfälischen und der rheinland-pfälzischen Eifel. Die Keips stammen eigentlich aus Wuppertal - aber es sei wohl Glück gewesen, das sie in die Eifel gebracht habe, sagt Cäcilia Keip.

Denn hier fühlen sie sich wohl: "Wir wollten aus den Innenstädten raus. Damit wir das Grüne noch mal sehen konnten." Für die Eltern von drei Kindern, alle inzwischen erwachsen und aus dem Haus, war dieses Vorhaben damals aber unerschwinglich. "Und so sind wir dann in die Eifel geraten." Eine Landschaft, die sie lieben, auch wenn sie "keine Kompromisse" kenne.

20 Jahre ist das her. Die Keips kauften das Haus in der Hallschlager Bahnhofstraße, neben der Gaststätte, die Cäcilia, von allen nur Cilly genannt, auch eine Zeit lang betrieb.

Dann das Jahr 2005: Beide erkrankten schwer, lagen sogar zeitweise Tür an Tür im Krankenhaus in Trier. Bei Guido Keip war es Krebs mit fünf anschließenden Chemotherapien, bei Cäcilia ein geplatztes Aneuyrisma (eine lebensbedrohliche Erweiterung der Gefäßwand), dem zwei Schlaganfälle folgten und sechs Wochen im künstlichen Koma. "Keiner wusste, ob ich noch mal die Augen aufmachen würde."

Sie wachte wieder auf, litt aber unter Lähmungen, die ganze linke Körperseite war nicht mehr zu gebrauchen. Dabei habe sie als Kind Klavierspielen gelernt.

Hilfe und Familie sind der wahre Reichtum



"Und ich war richtig gut." Am Ende stand bei beiden die Arbeitsunfähigkeit. Und der Entschluss, sich nicht unterkriegen zu lassen, auch wenn vor allem ihr Mann nicht mehr belastbar sei: "Wir wurschteln uns durch, so gut es geht", sagt Cäcilia Keip. "Mein Mann bekommt die Erwerbsminderungsrente, ich die Grundsicherung zum Lebensunterhalt im Alter. Und das ist es."

Dadurch seien allerdings die Raten für das Haus nicht mehr zu bezahlen gewesen. "Die Bank drängte zum Verkauf." Und wieder spricht Cäcilia Keip vom Glück, denn in der Eifel hat sie noch etwas festgestellt: "Die Menschen hier sind toll." Einer davon ist ihr Nachbar - der kaufte das Haus und vermietete es zu erschwinglichen Kosten wieder an die Keips. "Er wollte uns nicht als Nachbarn verlieren."

Die 52-Jährige versucht, wieder Klavier zu spielen. "Üben, üben, üben. Ich will mir von meinem Körper noch nicht vorschreiben lassen, was ich machen kann und was nicht." Obwohl sie nach den Schlaganfällen auch noch "als Sahnehäubchen" epileptische Anfälle bekommen habe. "Ich habe wohl einmal zuviel ,hier' geschrien, als es was umsonst gab", sagt sie und lacht.

Die aufrechte Haltung trotz aller Nackenschläge des Lebens nötigt dem Zuhörer Respekt ab. Die Einstellung der Keips, mit der sie weitermachen: "Sparen sind wir gewöhnt. Ein dickes Essen, ein schöner Weihnachtsbraten, das sind so Sachen, die können wir uns nicht leisten. Oder auch nicht jedes Jahr einen Urlaub."

Trotzdem: "Wir fühlen uns nicht arm." Sie sind stolz auf ihre Kinder, mit denen sie auch darüber gesprochen haben, ob sie in diesen Artikel einwilligen sollen. "Aber sie haben gesagt: Wer euch kennt, der kennt auch eure Geschichte. Also, was soll's." Und noch einmal erwähnt Cäcilia Keip die Unterstützung, die sie erfahren haben: "Was wir hier an Beistand erlebt haben, ist unglaublich." Grund genug, sich doch irgendwie nicht arm zu fühlen: "Mit unserem Reichtum können wir zwar keine Rechnungen bezahlen, aber naja." Cäcilia Keip bricht ab. "Der Rest würde zu salbungsvoll klingen."

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