Von einem verschollenen Testament

Gilzem/Trier · Papier kann sehr geduldig sein. Da spielt es keine Rolle, wie wichtig die Information ist, die darauf steht. Das papierne Testament einer vor 30 Jahren verstorbenen Eifelerin lag vergessen in den Archiven des Amtsgerichts Trier. Bis es durch einen Zufall aus der Versenkung wieder auftauchte.

 Unentdeckt im Archiv: In einem Tresor, wie er in vielen Gerichtskellern zum Aufbewahren von säuberlich katalogisierten Testamenten dient, hat Klara Wirtz' letzter Wille geschlummert. TV-Foto: Klaus Kimmling

Unentdeckt im Archiv: In einem Tresor, wie er in vielen Gerichtskellern zum Aufbewahren von säuberlich katalogisierten Testamenten dient, hat Klara Wirtz' letzter Wille geschlummert. TV-Foto: Klaus Kimmling

Gilzem/Trier. Verwirrung im Haus Valerius in Gilzem: Anfang April landet in Edwin Valerius\' Briefkasten Post vom Amtsgericht Bitburg. Ein Brief vom Gericht? Verbrochen oder ausgefressen hat er nichts. Ein wenig mulmig ist ihm dennoch zumute, als er den Brief öffnet. Darin wird dem Gilzemer vom Amtsgericht Trier in ordentlichem Juristendeutsch mitgeteilt, dass der "Erblasser" in der "Nachlasssache Klara Wirtz" eine "letztwillige Verfügung" hinterlassen hat. Die "Urschrift" könne nun eingesehen werden. Dem Schrieb liegt eine Fotokopie der Verfügung bei.
Fehler in Behördenkette


Das macht Edwin Valerius einigermaßen stutzig, denn besagte Klara Wirtz ist seine Großmutter. Und die ist seit mehr als 30 Jahren tot. Gestorben am 16. Juli 1977, und ihr letzter Wille taucht jetzt erst auf. Sind das Stimmen aus der Gruft? Seine Nachforschungen, wo das Testament seiner Oma all die Jahre über gesteckt hatte, verliefen im Sand. Er wendet sich an den TV, um dem Geheimnis des verschollenen Nachlasses auf den Grund zu gehen.
Beim Amtsgericht Bitburg kann man sich die Sache nicht erklären. Um die kuriose Angelegenheit aufzudröseln, müsse das Amtsgericht in Trier ran. Denn von dort kam das Testament per Post. In Trier kommt dann schnell die Wahrheit ans Licht. "Dem Amtsgericht in Trier war schlicht und ergreifend nicht bekannt gewesen, dass diese Frau verstorben war", sagt Jutta Terner, Direktorin des Amtsgerichts Trier. An irgendeiner Stelle der Behördenkette muss also jemand an einem Schreibtisch in einem Büro nicht aufgepasst haben. Zumindest sei vom zuständigen Standesamt nie eine Nachricht gekommen, dass besagte Testamentsverfasserin tot sei und damit das Testament eröffnet werden konnte, sagt Terner.
Keine Meldung, keine Testamentseröffnung. Somit schlummerte das Testament der Klara Wirtz mehr als drei Jahrzehnte in den Archiven des Amtsgerichts Trier, ohne dass jemand gemerkt hat, dass die Verfasserin nicht mehr auf dieser Welt weilt.
Durch einen Zufall gelangte das Papier dann aus der Versenkung wieder ins Bewusstsein der Justiz. Weil eine gesetzliche Änderung in der Zwischenzeit dazu geführt hatte, dass ungeöffnete Nachlässe nun schon nach 30 Jahren geöffnet werden anstatt erst nach 50 Jahren, fiel das Testament der Klara Wirtz in die Hände eines Rechtspflegers. Beim Überprüfen stellte sich dann heraus, dass die Erblasserin tot ist und das Testament eröffnet werden kann - mehr als 30 Jahre danach.
Nachlässe prüfen


Nun sind die Amtsgerichte damit beschäftigt, weitere dieser Fälle auszuschließen. Alle Nachlässe, die vor 30 Jahren verfasst worden sind, müssen unter die Lupe genommen werden. Jede Menge Recherchearbeit, denn längst leben Hinterbliebene und Verwandte mittlerweile ganz woanders, verstreut in Deutschland und der Welt. Das gleicht mitunter der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. "Von diesen Fällen wird es somit zwangsläufig demnächst noch eine Reihe anderer geben", ist sich Amtsrichterin Terner sicher. So hätte das Testament eigentlich schon 2007 eröffnet werden müssen. "Nach den 30 Jahren hat das dann immer noch mal vier gebraucht", sagt Edwin Valerius.
Der Enkel hält das Testament seiner Oma, das 30 Jahre lang verschollen war, nun in den Händen. Besser spät als nie. Geerbt hat er nichts, immerhin auch keine Schulden. Solche unliebsamen Überraschungen gibt es schließlich auch. 6000 Euro Bargeld erbt Valerius\' Mutter. Ob er wenigstens eine goldene Taschenuhr hinterlassen bekommen habe? "Eine ohne Zeiger", lacht der Gilzemer.

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