Aus dem Archiv (September 2017) Von Mäusen und Menschlein: Ex-Chefredakteur des Handelsblatts widmet sich Kinderliteratur

Hersdorf · Rainer Nahrendorf, Ex-Chefredakteur des Handelsblatts, hat das Genre gewechselt. Statt über Wirtschaft zu schreiben, lässt er sich von der Natur der Eifel zu Kinderliteratur inspirieren.

 Die echten Fledermäuse schlafen im Dachstuhl. Einen hölzernen Artgenossen haben Sigrid und Rainer Nahrendorf aber stets griffbereit. TV-Foto: Frank Auffenberg

Die echten Fledermäuse schlafen im Dachstuhl. Einen hölzernen Artgenossen haben Sigrid und Rainer Nahrendorf aber stets griffbereit. TV-Foto: Frank Auffenberg

Foto: Frank Auffenberg (aff), Frank Auffenberg ("TV-Upload Auffenberg"

Einst waren die sauberen und auch die dreckigen Geschäfte der Wirtschaft sein Metier, dann stand für Rainer Nahrendorf (74), den ehemaligen Chefredakteur des Düsseldorfer Handelsblatts, der Ruhestand vor der Tür. "Aber das Schreiben hängt man ja nicht einfach an den Nagel", sagt er und lässt den Blick über den Garten seines Hersdorfer Ferienhauses schweifen.

Er schrieb wie zu erwarten weiter und veröffentlichte seit 2006 Buch um Buch (siehe Info). Zunächst drehten sie sich weiter um Nahrendorfs bisher angestammte Themen, doch inzwischen entwickelt er immer mehr Freude an einem neuen literarischen Genre, und das liegt mit Blick auf seine Vergangenheit nicht gerade auf der Hand: umweltpädagogische Kinderliteratur.

Angesprochen auf den Genrewechsel lacht der Autor. "Es ging schleichend, erst kam das eine Buch und schon war die Idee zum Zweiten da."
Zuerst erschien im Frühjahr 2016 "Das abenteuerliche Leben der Maus Henriette", nun reichte Nahrendorf "Kalle und die Nachtjäger der Eifel" nach (der TV berichtete) - nicht gerade die Art von Büchern, die von einem "harten Wirtschaftsfachmann" erwartet werden.

"Ja, im Vergleich zu meinen anderen Büchern kann ‚Kalle' schon überraschend sein", sagt Nahrendorf. Die Sache sei aber einfach zu erklären: "Die Eifel und meine Enkel brachten den Genrewechsel."
Das Mäusebuch sei noch aus einer Laune heraus entstanden. "Die Tierchen fühlen sich bei uns im Haus recht wohl. Wir sind davon natürlich nicht so begeistert und versuchen alles, um sie fernzuhalten - schon war die Idee für Henriette geboren."

Das nun erschienene zweite Buch verfolge aber einen etwas anderen Ansatz.
"Es ist nicht nur eine kleine Geschichte, ich wollte den Naturschutzgedanken etwas mehr mit reinbringen", sagt der Autor. Es sei ein ganz langsamer Prozess gewesen: "Wir haben zwei Enkelkinder, die hier in der Eifel leben. Wenn meine Frau und ich im Ferienhaus sind, und das sind wir recht oft, unternehmen wir natürlich etwas mit ihnen." Mehr oder weniger zufällig sei man bei einem Vortrag des Eifeler Fledermausfachmanns Markus Thies gelandet und gleich sehr interessiert gewesen.

"Die Natur der Eifel ist einfach spannend und Fledermäuse ganz besonders", sagt Nahrendorf. Nach und nach habe man immer mehr Ausflüge gemacht: "Wir besichtigten den Bleialfer Stollen, besuchten die Birresborner Eishöhlen und den Schalkenmehrener Tunnel." Alle diese kleinen Exkursionen seien schließlich in der Geschichte von Kalle und seinem Freund Micha zusammengefasst worden.

Vom Wirtschaftsjournalist zum Kinderbuchautor mit Anspruch, ein leichter Schritt? "Naja, ich habe mit den Jahren einiges an Wissen über Fledermäuse gesammelt und mich natürlich von Fachleuten nochmal beraten lassen. Unter anderem hat mir Anne Ipsen vom Bad Segeberger Fledermauszentrum sehr geholfen", sagt er. Sie sei es aber auch gewesen, die pädagogische Einwände hatte.

"Anne Ipsen merkte zum Beispiel an, dass sie ja Kalle nicht unbedingt allein in einem Zelt mitten in der Eifel übernachten lassen würde. Aber es ist halt auch ein Abenteuerbuch."
Auch Kalles Suche nach verunglückten Fledermäusen unter Windrädern sei kritisch betrachtet worden. "Die Einwände wurden dann natürlich berücksichtigt. In der fertigen Fassung gibt es jetzt eine Zweiteilung: Einerseits ist es nun ein Abenteuer- andererseits ein Sachbuch."
Er wolle Kinder selber dazu befähigen, sich ein Thema zu erschließen. "Deswegen gibt es nun sehr viele Tipps zu weiteren Recherchen."

Übrigens sei die Windradepisode ein heißes Eisen. "Vorweg, ich habe nichts gegen Windräder und bin kein Windkraftgegner. Allerdings wünschte ich mir für den Naturschutz einen Kompromiss, ich möchte ja nicht, dass Tausende Tiere im Umfeld der Anlagen getötet werden: Erschlagen oder von den Druckgefällen innerlich verletzt." Nahrendorf plädiert dafür, Wälder als Standorte zu meiden und Technik zu verbauen, die auf die Bedürfnisse der Tiere Rücksicht nimmt. "Räder können so ausgestattet werden, dass sie in den Abendstunden automatisch abschalten - eben genau in der Zeit, in der die Fledermäuse fliegen."

Und wie geht es nun weiter mit seiner neuen Karriere? Sigrid Nahrendorf blickt neugierig ihren Mann an. "Ich habe tatsächlich schon eine Idee. Ich kann soviel verraten, dass ich drüber nachdenke, ein Buch mit dem Titel ‚Geier Gregor auf der Flucht' zu schreiben.

"Kalle und die Nachtjäger" ist als E-Book mit vielen farbigen Fotos zum Preis von 2,99 Euro erschienen, ISBN: 97837450602949. Das Buch gibt es auch im Format DIN A 5 gedruckt. Die Schwarz-Weiß-Ausgabe kostet 9,50 Euro (ISBN: 9783745064520).Extra: WIRTSCHAFTSJOURNALIST WIRD KINDERBUCHAUTOR


Rainer Nahrendorf (74) studierte Diplom-Politologie an der FU Berlin. Seit 1972 arbeitete er für das Handelsblatt, davon zwölf Jahre als Chefredakteur. Seit dem Ruhestandseintritt ist er als freier Autor tätig. Unter anderem erschien 2008 "Der Unternehmer-Code", ein Buch, in dem er Mut zur Selbstständigkeit macht, ebenfalls 2008 wurde "Der Pinocchio-Test" veröffentlicht, in dem er sich mit Politiklügen befasst. 2010 erschien "Die Chancengesellschaft - Mut zum Aufstieg in Deutschland". 2016 veröffentlichte er sein erstes Kinderbuch.

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