Soziales Von Sorgenkindern und Geldsorgen

Bitburg/Daun/Prüm/Gerolstein · Laut Studien ist durch die Pandemie bundesweit die Lebenssituation von jungen Menschen und Familien schwieriger geworden und könnte auch danach noch bleiben. Und wie sieht es damit im Eifelkreis Bitburg-Prüm und im Landkreis Vulkaneifel aus? Wir haben mit Experten des Caritasverbands (CV) Westeifel gesprochen.

 An der Expertenrunde zum Thema „Coronafolgen für Kinder und Jugendliche“ nahmen der Fachbereichsleiter Andreas Rötering (hinten Zweiter von rechts) und weitere Mitarbeiter des CV Westeifel teil: (von links) Karin Knötgen, Susanne Grimm,  Irina Bischler, Jennifer Lenzen und Markus Zilles.

An der Expertenrunde zum Thema „Coronafolgen für Kinder und Jugendliche“ nahmen der Fachbereichsleiter Andreas Rötering (hinten Zweiter von rechts) und weitere Mitarbeiter des CV Westeifel teil: (von links) Karin Knötgen, Susanne Grimm,  Irina Bischler, Jennifer Lenzen und Markus Zilles.

Foto: Brigitte Bettscheider

„Wir versuchen mit aller Kraft, unseren Klienten Zuversicht zu geben“, so fasst der CV-Fachbereichsleiter Andreas Rötering einen Grundsatz seiner Mitarbeiter in Worte. „Unsere Leidenschaft ist der Umgang mit Menschen und da zu sein für Menschen, die in Not geraten sind und Hilfe benötigen“, sagt er. Räumt aber ein: „Leider müssen wir auch Menschen, die sich an uns wenden, vertrösten, und wir können nicht allen helfen und sie retten.“ Etliche Dienste seien durch die Pandemie sehr kurzfristig und stark gefordert worden, die Zugänge zu ihren Adressaten zu verändern, neue digitale Angebote zu entwickeln und im Hinblick auf Schutzkonzepte neu zu denken und zu handeln.

   Zum Beispiel die Schulsozialarbeit. Gerade im ersten Lockdown im März 2020 habe sie von heute auf morgen sehr wenig Kontakt zu den Schülern gehabt, „besonders zu meinen Sorgenkindern“, erinnert sich Irina Bischler, Schulsozialarbeiterin an der Grund- und Realschule plus in Kelberg. Da seien das Organisieren von Laptops und das Finden von Stiftern und Spendern dafür vorrangige Aufgaben gewesen, erklärt sie. Eindeutig ja, sagt Bischler mit Blick darauf, dass Kinder und Jugendliche viel in der Kontakt- und Freizeitgestaltung verpasst und dass Mobbing und Cybermobbing (allein schon wegen des enormen zeitlichen Umfangs im Gebrauch von digitalen Medien) zugenommen hätten. Als die Schulen wieder für Präsenz- und Wechselunterricht geöffnet worden seien, sei der Andrang bei ihr groß gewesen. Um Reibereien zuhause, um den Verlust von Freundschaften etwa sei es gegangen. Jetzt beginne die Aufarbeitung – was Lernstoff, soziale Kompetenzen und soziale Kontakte angehe, sagt Bischler.

    „Auf dem Land ist es einfacher“, meint sie. Und es sei sehr hilfreich, dass beim CV die Dienste so gut vernetzt seien. Sie deutet auf Jennifer Lenzen, Koordinatorin des Projekts Lern-, Schul- und Ausbildungspatenschaften. Im Februar 2021, mitten in der Pandemie hatte die Studentin der Sozialpädagogik die Aufgabe beim CV übernommen, hatte zunächst den Telefon- und E-Mail-Kontakt zu den Paten aufgenommen und war ab Mai präsent an den Schulen. „Die Paten werden jetzt mehr denn je gebraucht“, weiß Jennifer Lenzen. Etwa um zu verhindern, dass eine alleinerziehende Mutter ihren Job hinwirft, weil sie die Arbeit und das Homeschooling ihrer Kinder nicht unter einen Hut zu bringen glaubt. Rund 40 Frauen und Männer sind zurzeit als Paten tätig, ob zur Unterstützung von Grundschulkindern oder von Jugendlichen am Ende der Schulzeit und in der Anfangszeit der Ausbildung. Weitere Paten werden dringend gesucht.

    Zu der ohnehin hohen Zahl an Klienten kam für den Schuldner- und Insolvenzberater Markus Zilles die Veränderung der Beratung durch reinen Online-Kontakt als zusätzliche Herausforderung in der ersten Zeit der Pandemie. Schon 2020 hätten sich der Verlust von 450-Euro-Jobs und die Kurzarbeit negativ  ausgewirkt, berichtet er. Da sei zunächst einmal das physische Überleben sicherzustellen gewesen. Das Wegbrechen von Vereinen, Freundeskreisen und Schule habe sich ebenso nachteilig ausgewirkt wie ausgefallene Ferienfreizeiten. Am schwersten habe es die Alleinerziehenden getroffen. Problematisch sei auch, dass Jugendliche mehr Zeit online verbracht und beim Kaufen und Streamen rasch mal den Überblick über die Kosten verloren hätten.

   Weil Eltern großzügiger mit dem Medienkonsum ihrer Kinder geworden seien, etwa um sich auf die eigene Arbeit im Homeoffice konzentrieren zu können, habe sich in diesem Bereich auch das Suchtverhalten vergrößert, hat Karin Knötgen, die neben dem Kinderschutz auch für die Suchtberatung beim CV Westeifel zuständig ist, beobachtet. Bei mehr Stress und weniger Ausgleichsmöglichkeiten sei der Alkoholkonsum gestiegen. Sie sieht in dem Teufelskreis von coronabedingten Stressfaktoren das Geben von Zuversicht als eine wichtige Aufgabe an.

   Dass Kinder sensibler als sonst auf die Sorgen ihrer Eltern reagieren, weiß auch Susanne Grimm vom Kinderschutzdienst. Zu ihren Klienten gehörten Familien, die sich in ihr Schicksal ergeben hätten. Sie erhalte Meldungen aus Kindergärten, dass sich Aggressionen häuften. Fälle von häuslicher Gewalt hätten zugenommen. „Die negativen Auswirkungen von Corona scheinen mir erst jetzt richtig zum Tragen zu kommen“, meint Grimm. Es fehlten Kindergarten- und Grundschulkindern ganze Phasen an sozialem Lernen. „Dabei ist ihr Wissensdrang und ihre Freude daran, Neues zu entdecken, nicht abhanden gekommen“, erklärt sie. Und sieht darin eine große Chance für die zukünftige Arbeit.

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