Politik „So sind wir doch für keinen sexy“

Bitburg · Soll sich die SPD auf eine große Koalition einlassen oder nicht? Mit dieser Frage haben sich am Freitagabend Mitglieder des SPD-Kreisverbands Bitburg-Prüm beschäftigt. Mit dabei: Bundesfamilienministerin Katarina Barley.

 Katarina Barley wirbt beim Treffen der SPD-Kreisverbands in Bitburg für eine Zustimmung zur Großen Koalition.

Katarina Barley wirbt beim Treffen der SPD-Kreisverbands in Bitburg für eine Zustimmung zur Großen Koalition.

Foto: Uwe Hentschel

Am Ende des Abends bringt es Katarina Barley auf den Punkt: „Im Moment sind wir doch für keinen sexy.“ Und: „Wen wundert das?“ Nun, Barley jedenfalls nicht. Die SPD-Frau  steht als Bundesfamilienministerin vor dem gleichen Dilemma wie alle Genossen.

Auf der einen Seite erinnern sich alle an die Aussage von Martin Schulz am Abend der Bundestagswahl, als er eine Fortsetzung der großen Koalition kategorisch abgelehnt hat. Und auf der anderen Seite gibt es aber auch die Pflicht, politische Verantwortung zu übernehmen – und auch zu wollen. Auf der einen Seite der Wunsch nach Erneuerung, um nach der Wahlschlappe und dem derzeit historischen Umfragetief irgendwann wieder auf die Füße zu kommen; auf der anderen Seite die Sorge, dass das innerhalb einer Neuauflage der Groko nicht möglich ist. Deswegen der Wunsch nach Opposition – viele Genossen würden erst mal lieber in Ruhe sortieren und die Partei neu aufstellen.

 Oliver Thömmes: Der größte Schaden dieser Partei liegt in der Fortsetzung der Kroko. Mein Votum gegen die Koalition ist ein konstruktives Votum, weil ich möchte, dass wir auch noch in vier, acht oder zwölf Jahren gewählt werden.

Oliver Thömmes: Der größte Schaden dieser Partei liegt in der Fortsetzung der Kroko. Mein Votum gegen die Koalition ist ein konstruktives Votum, weil ich möchte, dass wir auch noch in vier, acht oder zwölf Jahren gewählt werden.

Foto: Uwe Hentschel

Daraus wird jedoch nichts. Zumindest nicht, wenn es nach den Funktionären der SPD geht, die in den vergangenen Wochen am Koalitionsvertrag mitgearbeitet haben. Barley war ebenfalls dabei.

 Thomas Barkhausen: Kurzfristig geht es mit der Koalition zunächst darum, die Lebenssituation der Menschen zu verbessern. Mittelfristig muss es auch darum gehen, die Politik zu verbessern.

Thomas Barkhausen: Kurzfristig geht es mit der Koalition zunächst darum, die Lebenssituation der Menschen zu verbessern. Mittelfristig muss es auch darum gehen, die Politik zu verbessern.

Foto: Uwe Hentschel

Und sie zeigt sich mit dem Ergebnis zufrieden. Genau wie SPD-Kreisvorsitzender Nico Steinbach. „Auch ich habe am Anfang gehadert“, räumt der Landtagsabgeordnete ein. Doch der ausgehandelte Koalitionsvertrag beinhalte vieles, wofür die SPD gekämpft habe. „Ob der Erfolg, den wir erzielt haben, aber groß genug ist, darf bei uns ja – Gott sei Dank – jeder selbst entscheiden“, sagt Steinbach.

 Günter Scheiding: Ich glaube nicht, dass man die Partei in der Opposition besser erneuern kann als in der Regierung. Ich habe übermäßig viel Zeit in den Wahlkampf gesteckt - aber doch nicht für die Opposition.

Günter Scheiding: Ich glaube nicht, dass man die Partei in der Opposition besser erneuern kann als in der Regierung. Ich habe übermäßig viel Zeit in den Wahlkampf gesteckt - aber doch nicht für die Opposition.

Foto: Uwe Hentschel

So kann noch bis zum 2. März jedes SPD-Mitglied darüber abstimmen, ob es die große Koalition will oder eben nicht. Und dass es für beide Seiten gute Gründe gibt, zeigt die Mitgliederversammlung der Eifeler Genossen. 40 Mitglieder aus dem Eifelkreis Bitburg-Prüm haben sich im Bitburger Hotel Eifelbräu getroffen, um mit Barley über diese Entscheidung zu diskutieren.

 Andreas Daus: Dass wir jetzt regieren wollen, macht uns unglaubwürdig. Zudem erwarten die Bürger von uns, dass wir Visionen haben.

Andreas Daus: Dass wir jetzt regieren wollen, macht uns unglaubwürdig. Zudem erwarten die Bürger von uns, dass wir Visionen haben.

Foto: Uwe Hentschel

Eines der dienstältesten Parteimitglieder in der Runde ist Thomas Barkhausen. Der Bitburger ist fast 50 Jahre in der Partei, mehr als 60 Jahre Anhänger des HSV und deshalb, wie er sagt, viel Kummer gewohnt. Auch er sei zunächst vehement gegen eine Neuauflage der Groko gewesen, sagt Barkhausen, habe aber inzwischen bereits seinen Stimmzettel abgegeben und mit „Ja“ gestimmt. Er könne jeden verstehen, der anders denke, sagt er. „Aber: Wir müssen – ganz egal, wie es nachher ausgeht – zusammenhalten“, so Barkhausen. „Es darf keine Sieger und keine Verlierer geben.“

 Manuel Krämer: In der Groko verlieren wir stetig an Profil. Die beiden Volksparteien wachsen immer mehr zusammen, und das stärkt den rechten Rand.

Manuel Krämer: In der Groko verlieren wir stetig an Profil. Die beiden Volksparteien wachsen immer mehr zusammen, und das stärkt den rechten Rand.

Foto: Uwe Hentschel

Dass die SPD nun Staatsverantwortung übernehmen solle und damit ihr Versprechen vom Wahlabend breche, die FDP aber gleichzeitig die Koalitionsgespräche einfach so abgebrochen habe, ist für Andreas Daus aus Irrel hingegen unbegreiflich. „Warum trauen wir uns nicht, zu sagen: Frau Merkel, suchen Sie sich jemand anders!“ Daus ist davon überzeugt, dass eine Erneuerung der Partei innerhalb der Regierung nicht möglich ist.

 Kim Becker: Eine Veränderung ist nur dann möglich, wenn wir mitregieren. Ich denke, wir müssen uns einfach besser vermarkten.

Kim Becker: Eine Veränderung ist nur dann möglich, wenn wir mitregieren. Ich denke, wir müssen uns einfach besser vermarkten.

Foto: Uwe Hentschel

Barley sieht das anders. „Wir reden es uns doch schön, wenn wir sagen, dass unser größtes Problem die Groko ist“, meint sie, „es wäre falsch, zu denken: Jetzt reißen wir die Hütte ab, und dann wird das wieder“, sagt die Ministerin. Der Blick auf andere Länder zeige: „Wo die Sozialdemokratie am Boden liegt, kommt sie nicht wieder hoch.“

 Gunda Gerke-Stolzenbach: Ich habe ein Problem mit der Glaubwürdigkeit. Im Vertrag steht unglaublich viel über das, was wir wollen und möchten. Doch wo es konkreter wird, sollen Kommissionen eingesetzt werden.

Gunda Gerke-Stolzenbach: Ich habe ein Problem mit der Glaubwürdigkeit. Im Vertrag steht unglaublich viel über das, was wir wollen und möchten. Doch wo es konkreter wird, sollen Kommissionen eingesetzt werden.

Foto: Uwe Hentschel

Die Bundesministerin geht auf die Einwände der Eifeler Genossen ein und verweist auf die im Vertrag festgehaltenen sozialdemokratischen Themen wie Mindestrente, unbefristete Arbeitsverhältnisse, Senkung der Krankenversicherungsbeiträge oder die Erhöhung des Kinderzuschlags. Sie zeigt Verständnis für die Sorgen derjenigen, die sich trotzdem mit einer großen Koalition schwertun. Neuwahlen aber seien für sie keine Lösung. Genauso wenig wie eine Minderheitsregierung der Union.

 Markus Land: Ich sehe im Vertrag sehr viel, was die SPD beigetragen hat. Ich denke, dass es in der Großen Koalition bessere Möglichkeiten gibt, sich gegen die AfD zu wehren.

Markus Land: Ich sehe im Vertrag sehr viel, was die SPD beigetragen hat. Ich denke, dass es in der Großen Koalition bessere Möglichkeiten gibt, sich gegen die AfD zu wehren.

Foto: Uwe Hentschel

„Bei einer Minderheitsregierung wäre die AfD das Zünglein an der Waage“, gibt Barley zu bedenken. „Wir haben im Bundestag keine linke Mehrheit. Von dem, was wir jetzt im Koalitionsvertrag ausgehandelt haben, würde dann nur sehr wenig kommen“, meint sie. „Eine Minderheitsregierung wäre für die Sozialdemokratie die bei weitem schlechteste aller Alternativen“, so die Familienministerin. „Dann lieber Neuwahlen.“

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