Politik „So sind wir doch für keinen sexy“
Bitburg · Soll sich die SPD auf eine große Koalition einlassen oder nicht? Mit dieser Frage haben sich am Freitagabend Mitglieder des SPD-Kreisverbands Bitburg-Prüm beschäftigt. Mit dabei: Bundesfamilienministerin Katarina Barley.
Am Ende des Abends bringt es Katarina Barley auf den Punkt: „Im Moment sind wir doch für keinen sexy.“ Und: „Wen wundert das?“ Nun, Barley jedenfalls nicht. Die SPD-Frau steht als Bundesfamilienministerin vor dem gleichen Dilemma wie alle Genossen.
Auf der einen Seite erinnern sich alle an die Aussage von Martin Schulz am Abend der Bundestagswahl, als er eine Fortsetzung der großen Koalition kategorisch abgelehnt hat. Und auf der anderen Seite gibt es aber auch die Pflicht, politische Verantwortung zu übernehmen – und auch zu wollen. Auf der einen Seite der Wunsch nach Erneuerung, um nach der Wahlschlappe und dem derzeit historischen Umfragetief irgendwann wieder auf die Füße zu kommen; auf der anderen Seite die Sorge, dass das innerhalb einer Neuauflage der Groko nicht möglich ist. Deswegen der Wunsch nach Opposition – viele Genossen würden erst mal lieber in Ruhe sortieren und die Partei neu aufstellen.
Daraus wird jedoch nichts. Zumindest nicht, wenn es nach den Funktionären der SPD geht, die in den vergangenen Wochen am Koalitionsvertrag mitgearbeitet haben. Barley war ebenfalls dabei.
Und sie zeigt sich mit dem Ergebnis zufrieden. Genau wie SPD-Kreisvorsitzender Nico Steinbach. „Auch ich habe am Anfang gehadert“, räumt der Landtagsabgeordnete ein. Doch der ausgehandelte Koalitionsvertrag beinhalte vieles, wofür die SPD gekämpft habe. „Ob der Erfolg, den wir erzielt haben, aber groß genug ist, darf bei uns ja – Gott sei Dank – jeder selbst entscheiden“, sagt Steinbach.
So kann noch bis zum 2. März jedes SPD-Mitglied darüber abstimmen, ob es die große Koalition will oder eben nicht. Und dass es für beide Seiten gute Gründe gibt, zeigt die Mitgliederversammlung der Eifeler Genossen. 40 Mitglieder aus dem Eifelkreis Bitburg-Prüm haben sich im Bitburger Hotel Eifelbräu getroffen, um mit Barley über diese Entscheidung zu diskutieren.
Eines der dienstältesten Parteimitglieder in der Runde ist Thomas Barkhausen. Der Bitburger ist fast 50 Jahre in der Partei, mehr als 60 Jahre Anhänger des HSV und deshalb, wie er sagt, viel Kummer gewohnt. Auch er sei zunächst vehement gegen eine Neuauflage der Groko gewesen, sagt Barkhausen, habe aber inzwischen bereits seinen Stimmzettel abgegeben und mit „Ja“ gestimmt. Er könne jeden verstehen, der anders denke, sagt er. „Aber: Wir müssen – ganz egal, wie es nachher ausgeht – zusammenhalten“, so Barkhausen. „Es darf keine Sieger und keine Verlierer geben.“
Dass die SPD nun Staatsverantwortung übernehmen solle und damit ihr Versprechen vom Wahlabend breche, die FDP aber gleichzeitig die Koalitionsgespräche einfach so abgebrochen habe, ist für Andreas Daus aus Irrel hingegen unbegreiflich. „Warum trauen wir uns nicht, zu sagen: Frau Merkel, suchen Sie sich jemand anders!“ Daus ist davon überzeugt, dass eine Erneuerung der Partei innerhalb der Regierung nicht möglich ist.
Barley sieht das anders. „Wir reden es uns doch schön, wenn wir sagen, dass unser größtes Problem die Groko ist“, meint sie, „es wäre falsch, zu denken: Jetzt reißen wir die Hütte ab, und dann wird das wieder“, sagt die Ministerin. Der Blick auf andere Länder zeige: „Wo die Sozialdemokratie am Boden liegt, kommt sie nicht wieder hoch.“
Die Bundesministerin geht auf die Einwände der Eifeler Genossen ein und verweist auf die im Vertrag festgehaltenen sozialdemokratischen Themen wie Mindestrente, unbefristete Arbeitsverhältnisse, Senkung der Krankenversicherungsbeiträge oder die Erhöhung des Kinderzuschlags. Sie zeigt Verständnis für die Sorgen derjenigen, die sich trotzdem mit einer großen Koalition schwertun. Neuwahlen aber seien für sie keine Lösung. Genauso wenig wie eine Minderheitsregierung der Union.
„Bei einer Minderheitsregierung wäre die AfD das Zünglein an der Waage“, gibt Barley zu bedenken. „Wir haben im Bundestag keine linke Mehrheit. Von dem, was wir jetzt im Koalitionsvertrag ausgehandelt haben, würde dann nur sehr wenig kommen“, meint sie. „Eine Minderheitsregierung wäre für die Sozialdemokratie die bei weitem schlechteste aller Alternativen“, so die Familienministerin. „Dann lieber Neuwahlen.“