Wachstumsschub im Wohnzimmer

PRÜM/BRÜHLBORN. Wundersamer Wachstumsschub: Der Christbaum im Wohnzimmer von Rentner Josef Neunkirchen hat neue Triebe entwickelt.

40 Tage nach Heiligabend, am 2. Februar, ist "Mariä Lichtmess" - und zugleich Kehraus für alle Christbäume. Zumindest in gläubigen Familien werden spätestens dann Kugeln und Kerzen wieder eingepackt, die Tannennadeln aus dem Teppich gepiddelt und der ausgedünnte Rest-Baum ins Freie verfrachtet. Nur nicht bei Josef Neunkirchen in Brühlborn. Denn an allen Ästen seines Christbaums sprießen hellgrüne Triebe. "Das sind schon neun Zentimeter", sagt der 74-Jährige. "So was habe ich noch nicht erlebt." An Heiligabend hatte Neunkirchen den Baum aufgestellt - und seitdem regelmäßig gewässert. "Damit die Nadeln nicht fallen. Das mache ich seit eh und je. Und dieser Baum scheint es mir besonders zu danken."An jedem Ast sind neue Triebe

Mitte Januar habe er die neuen Spitzen entdeckt. "An jedem Ast waren neue Triebe dran. Und die sind ständig gewachsen." Ein Wunder? Auf jeden Fall ein Rätsel. Fragen wir den Floristen: Roland Münz in der Prümer Hillstraße spekuliert, das Winter-Wachstum könne eventuell mit dem so genannten Kältereiz zu tun haben. "Viele Pflanzen können erst austreiben, wenn vorher eine richtige Kälteperiode war." Aber ob das auch für Neunkirchens Christbaum gelte, vermag er nicht zu sagen. Vielleicht kann ein Forstmann helfen. Nächster Anruf also bei Norbert Vollrath in Brandscheid. Aber der winkt ab: "Der Baum macht Winterruhe", sagt der Förster. "Er stellt seine Produktion ein und legt erst im Frühjahr bei entsprechender Witterung wieder los." Dass ein Christbaum daher im Trockenklima eines Wohnzimmers neue Triebe entwickle, sei "außerordentlich selten." Vielleicht ist die wahre Erklärung für die tapfer treibende Tanne ja nicht von dieser Welt. Aber unser theologischer Fachberater, Pater Norbert Haasbach von den Vinzentinern in Niederprüm, lässt sich auf nichts ein: "Ich hab' da keine Ahnung von. Ich kann nur sagen, dass bei uns schon die unmöglichsten Sachen getrieben haben." Im übrigen sei er "weder verwundert noch überrascht - sondern völlig ahnungslos." Und mit religiösen Deutungen braucht man ihm erst recht nicht zu kommen: "Religiöse Deutung? Ich habe überhaupt keine Deutung. Wenn ihr sagt, es ist ein Wunder, dann wird es wohl eins sein." Wir sollen es lieber einmal bei Pater Spiller versuchen, rät Haasbach, der sei Gärtnermeister. Leider ist der Pater gerade nicht zu erreichen. Deshalb, das hatte auch Förster Vollrath empfohlen, fragen wir einen Biologie-Lehrer. Karl-Heinz Simon, pensionierter Gymnasialpädagoge in Rommersheim: "Genau weiß ich's auch nicht. Aber vielleicht stecken da noch Nährstoffe im Baumstamm. Oder in dem Wasserbottich war sonst noch etwas drin. Fragen sie mal den Kollegen Fritz Seibel in Seiwerath, der weiß immer noch was."Wasser ist das wichtigste

Gesagt, getan: "Ein Wunder? Nein. Aber aus der Reihe ist das schon", sagt der frühere Biologie- und Chemielehrer. "Wie bei allen Organismen gibt es immer gewisse Spielräume. Die Genetik setzt zwar die Eckwerte, aber manchmal ergeben sich zusätzlich günstige Konstellationen." Zum Beispiel das fleißige Nachwässern von Josef Neunkirchen? "Wasser ist das Wichtigste", sagt Seibel. Plus die Nährstoff-Reserven im Stamm, und die Fichte kann es schaffen - allerdings nicht auf Dauer, wie Seibel befürchtet. Trotzdem: "Letzten Endes ist schon etwas Besonderes an dem Baum." Fazit: Das Bäumchen treibt - und bleibt. "Ich werde ihn noch ein bisschen stehen lassen", sagt Josef Neunkirchen mit Blick auf sein persönliches Wachstumswunder. "Ohne Schmuck natürlich. Aber ich will sehen, wie er sich noch macht..."

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