„Da hat sich schon sehr viel Groll aufgestaut“ Zwei Apothekerinnen erklären: Deshalb wird am 14. Juni gestreikt

Bitburg · Wer kommenden Mittwoch in die Apotheke will, könnte vor verschlossenen Türen stehen. Denn: Bundesweit wird zum Protest aufgerufen, und dem folgen auch Apotheken in der Region, zum Beispiel in der Eifel. Dafür gibt es mehrere Gründe.

 Beteiligen sich am bundesweiten Protesttag: die Bitburger Apotheken-Inhaberinnen Franca Giesen-Seis und Ilse Neumann.

Beteiligen sich am bundesweiten Protesttag: die Bitburger Apotheken-Inhaberinnen Franca Giesen-Seis und Ilse Neumann.

Foto: TV/Dagmar Dettmer

Es juckt und brennt. Allergie. Schnell ein paar Augentropfen besorgen. In Bitburg kein Problem, da gibt es genug Apotheken. Noch. Denn auch in der Kreisstadt lichten sich die Reihen. Zuletzt gingen Ende 2022 in der Petrus-Apotheke mangels Nachfolger die Lichter aus. Kein Einzelfall.

Im Schnitt schließt in Deutschland jeden Tag eine Apotheke. Auch im Eifelkreis wird das Netz löchriger. Seit 2013 hat sich die Zahl von 27 auf 21 Apotheken reduziert.

Für diese Entwicklung macht die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda) auch die Politik verantwortlich. Die Rahmenbedingungen würden sich wegen diverser Gesetze und Vorschriften zusehends verschlechtern. Das Ergebnis: überbordende Bürokratie und Honorarkürzungen. Vor diesem Hintergrund hat der Verband zum bundesweiten Streiktag am Mittwoch, 14. Juni, aufgerufen. Daran beteiligen sich auch die Apotheken im Eifelkreis.

Warum Apotheken immer mehr leisten müssen und mehr Arbeit haben

Die beiden Bitburger Apothekerinnen Ilse Neumann und Franca Giesen-Seis erklären, warum sie den Protest wichtig finden. Vor allem der wachsende bürokratische Aufwand ist für sie so nicht länger kommentarlos hinnehmbar.

Ilse Neumann macht das an einem Beispiel deutlich: „Als ich anfing, arbeiteten wir mit handschriftlichen Rezepten, die die Ärzte ausgestellt haben.“ Heute gehöre zu jedem Rezept ein Formblatt, das zu 100 Prozent eingehalten werden müsse, sagt die Inhaberin der Flora-Apotheke. Selbst, wenn nur eine Telefonnummer oder der Vorname des Arztes fehle oder die Dosierung selbst bei Dauernpatienten wie Diabetikern nicht exakt vermerkt sei, führe das schon zu Problemen, sagt ihre Kollegin Franca Giesen-Seis von der Eifel-Apotheke.

Das bedeutet: Die Apotheker setzen Zeit und Nerven ein, Details hinterher zu telefonieren. Oder aber riskieren, dass die Krankenkasse am Ende nicht zahlt. Und das kann, je nach Medikament, richtig teuer werden – wie etwa in der Krebstherapie.

Das alles macht nicht nur keinen Spaß, sondern verschlingt einen größer und größer werdenden Teil der Arbeitszeit – und hält die Apotheker von dem ab, weshalb sie sich ursprünglich für diesen Beruf entschieden haben: Erkrankte umfassend und persönlich zu Medikamenten und Heilmittel zu beraten und diese auch individuell zu fertigen.

„Wir haben lange stillgehalten“, sagt Neumann. „Aber uns werden immer mehr Aufgaben aufgehalst, für die wir letztlich keinen Cent bekommen.“ So schrecke der bürokratische Aufwand nicht nur junge Apotheker zunehmend von dem Job in einer Apotheke ab, sondern verringere auch die Spielräume, mit Gehaltszulagen gegen den Fachkräftemangel zu kämpfen. „Man kann es ihnen ja nicht verdenken, dass die bei den Löhnen lieber in die Industrie laufen“, sagt Ilse Neumann.

Wie Apotheken mit Lieferengpässen bei Medikamenten umgehen – und an der Mehrarbeit nichts verdienen

Zu schaffen machen den Apothekern auch Lieferengpässe, wie sie bei etlichen Medikamenten längst Gang und Gäbe sind. Ob Blutdrucksenker, Insuline, Magentropfen oder Antibiotika. „Da suchen wir im Gespräch mit den Patienten nach Alternativen, beraten sie und halten Rücksprache mit dem Arzt“, sagt Franca Giesen-Seis. Arbeit, die am Ende aber nicht bezahlt wird. Im Gegenteil: Die Kassen fordern pro Rezept einen höheren Abschlag, weshalb den Apotheken unter dem Strich weniger bleibt.

Die Lieferengpässe seien zudem hausgemacht. „Dahinter steht eine Politik der Billigstpreis-Vergabe“, sagen die beiden. Der günstigste Anbieter bekommt den Zuschlag, und schafft es dann nicht, das Medikament in ausreichender Menge zu produzieren. Am Ende der Kette stehen die Apotheker, die beispielsweise Fiebersäfte für Kinder aus anderen Ländern importieren.

„Für jeden einzelnen Saft“, sagt Franca Giesen-Seis, müssten sie zehn Dokumentationsbögen ausfüllen. Dieses ganze „Drumherum“, Formulare, Genehmigungen und Dokumentationen nehme immer weiter zu. Unverständlich für sie auch: Obwohl die Krankenkassen Überschüsse erwirtschaften, wollen sie mehr an jedem Rezept verdienen.

Ein Streik, wie er für Mittwoch, 14. Juni, als bundesweiter Protest geplant ist, kam für Ilse Neumann zunächst nicht in Frage. „Das konnte ich mir einfach nicht vorstellen, die Tür zuzulassen.“ Aber inzwischen steht für sie auch fest: „Wenn wir uns jetzt nicht rühren, geht das immer so weiter.“ Die Kunden hätten mit viel Verständnis reagiert, sagen die beiden Apothekerinnen, die ihre Kunden informiert haben. Für Patienten ist natürlich trotz des Streiks im Notfall gesorgt.

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