Weltbeste Handballerinnen schwitzen in Bitburg

Bitburg · Ein Team aus dem russischen Rostow fährt 2857 Kilometer, um in der Eifel zu trainieren. Weil es hier so schön kühl ist.

1,2 Millionen Einwohner. Spielort der Fußball-WM 2018. Fast am Schwarzen Meer, geteilt durch den Fluss Don. Das ist Rostow. 2857 Kilometer entfernt von Bitburg. Warum sollten Sportler aus dieser Stadt ihr Saison-Trainingslager in der beschaulichen Sportschule auf dem Bitburger Flugplatz absolvieren - so fern der Heimat? Die Antwort überrascht: "Weil es hier so schön kühl ist. Sonnig, aber kühl. Viel angenehmer als zuhause." Wer an Russland denkt, der hat eisiges Sibirien im Kopf, aber zu heiß? "Momentan sind es 42 Grad in Rostow, da kann man keinen Sport treiben, nicht mal in der Halle."

Der das sagt, ist Frederic Bougeant. Ihm ist es vorrangig zu verdanken, dass die Handballerinnen aus Rostow am Don derzeit in der Ex-Airbase-Sporthalle schwitzen, auf deren Boden noch heute als Erinnerung an die US-Piloten "Home of the Barons" steht. Der Franzose Bougeant ist Rostows Trainer und er kennt sich aus mit Handball und mit Hitze - denn zuvor war er Nationaltrainer im Senegal. Am Samstag landeten Bougeant, 18 Spielerinnen und weitere Vereinsmitarbeiter wie Trainer, Ärzte, Physiotherapeuten und Pressesprecher in Deutschland, abends bezog man die Zimmer in der Sportschule Bitburg - und bleibt dort bis Sonntag.

Zwei bis drei Trainingseinheiten pro Tag, dazu insgesamt vier Testspiele stehen auf dem Programm der Handballerinnen, bevor sie ihre Europareise fortsetzen: Ein Trainingslager in der rumänischen Hauptstadt Bukarest, dann nach Griechenland und schließlich zu einem Testturnier in Mazedonien. "Im August sind wir komplett weg von Zuhause, aber wir sehen uns als internationaler Klub und wir wollen viele Kulturen kennenlernen", sagt Bougeant. Der finanzstarke Verein kann sich solche Reisen leisten, der Kader gehört mit zum Besten, was der Frauenhandball zu bieten hat, die Spielerinnen aus aller Welt verdienen gutes Geld am Don. Der Rubel rollt.

Schon in der vergangenen Saison war Rostow einer der Favoriten in der Champions-League, scheiterte aber in der Gruppenphase, warf den Trainer raus, holte Bougeant, gewann dann den Europapokal. "Wir haben große Ziele, deswegen müssen wir viel und hart trainieren", sagt der Franzose, der alleine fünf russische Olympiasiegerinnen, zwei brasilianische Ex-Weltmeisterinnen und weitere Weltstars in seinem Kader hat.

Und weil diese Spielerinnen in ihrer sportlichen Heimat bekannt wie bunte Hunde sind, suchte man sich einen Platz, wo man auch einmal unerkannt durch die Straßen gehen oder im Wald joggen kann. Auch deswegen fiel die Wahl auf Bitburg: "Hier kennt uns keiner, hier haben wir unsere Ruhe", sagt Bougeant. Weitere Vorteile der Sportschule Bitburg: Man ist nahe bei Metz, wo ein Testspiel ansteht, und in Deutschland gibt es viele potenzielle Testspielgegner. Am Montag spielte man gegen die Trierer Miezen, am Dienstag ging es gegen Metzingen (Deutscher Vizemeister 2016), am Freitag gegen Leverkusen (Rekordmeister).

Es sind weitere kleine (oder besser gesagt große) Dinge, wegen denen sich die Rostower in Bitburg wohlfühlen: Da einige Spielerinnen fast zwei Meter groß sind, freuen sie sich über die großen Betten in der Sportschule, das Essen, so Bougeant, sei herausragend. "Und wir können die Hallentür hinter uns zu machen, hier kommt uns niemand suchen."
Über eine Agentur wurde man in Bitburg fündig. "Russische Fußballteams waren sicher schon hier, aber an Handballerinnen kann ich mich nicht erinnern", sagt Fabian Ewertz, Geschäftsführer der Sportschule Bitburg. Und der würde sich freuen, wenn der Wahlspruch von Rostow wahr werden würde: Von Bitburg bis Budapest. Dort findet im Mai 2018 das Finalturnier der Champions League statt.

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