Weniger Licht - vollere Dorfkasse

Hallschlag/Feusdorf · Nicht nur in Feusdorf und Lissendorf gehen um Mitternacht die Straßenlaternen aus, auch Hallschlag spart seit vier Wochen Strom und schaltet jetzt nachts das Licht aus. Nach vier Wochen zeigt sich: Die Bürger stellen sich auf die neue Situation gut ein.

 Von Mitternacht bis 5 Uhr am Morgen werden in Hallschlag seit vier Wochen die Straßenlaternen ausgeschaltet. TV-Foto: Archiv/Fritz-Peter Linden

Von Mitternacht bis 5 Uhr am Morgen werden in Hallschlag seit vier Wochen die Straßenlaternen ausgeschaltet. TV-Foto: Archiv/Fritz-Peter Linden

Hallschlag/Feusdorf. Astronomen und Sterngucker haben einen neuen Lieblingsort. Seit Februar pilgern sie in klaren Nächten in den Nationalpark Eifel - dort heißt es abends nämlich seit einem halben Jahr: "Licht aus!" In einem der ersten deutschen Sternenparks sollen so des Nachts Tiere und Pflanzen vor unnötiger Beleuchtung geschützt werden. Eine Idee, die für viel Furore und Applaus sorgt. Doch warum weit reisen?
Wenige Kilometer neben dem Sternenpark gehen seit vier Wochen auch in Hallschlag pünktlich um Mitternacht die Straßenlaternen aus - allein steckt hier nicht der Wunsch, Flora und Fauna zu schützen, hinter der Dunkelheit, sondern schiere Finanznot.
Weil die Kreisverwaltung Vulkaneifel den ersten Entwurf eines Haushaltsplans des Ortsgemeinderats ablehnte, musste sich der Rat etwas einfallen lassen. Angesichts wachsender Gemeindeschulden wurde gefordert, im Jahr mindestens 40 950 Euro weniger auszugeben (siehe Extra).
Unter anderem wurde in einem Sparpaket vorgeschlagen, nachts von zwölf bis fünf Uhr die Straßenbeleuchtung auszuschalten. "2500 Euro können wir damit jährlich einsparen", sagt Hallschlags neuer Ortsbürgermeister Dirk Weicker.
Bei einer Bürgerversammlung Anfang März wurde der Plan vorgestellt, zähneknirschend begrüßt und schließlich im Eilverfahren umgesetzt (der TV berichtete). Seit Dienstag, 22. Juli, gehen jetzt - wie schon in Lissendorf und Feusdorf - nachts die Lichter aus. "Ungewohnt ist es schon. Es ist tatsächlich sehr dunkel", sagt Weicker.
Das Ganze sei aber wohl nur eine Gewöhnungssache, manch Hallschlager habe bereits eine Taschenlampe am Hauseingang stehen, falls er spät noch raus müsse.
Allein die Technik versagt


"Im Großen und Ganzen ist es bei uns wohl gut angelaufen. Bisher gab es noch keine Beschwerden - sieht man davon ab, dass wir anfangs technische Probleme hatten", sagt der Ortsbürgermeister. Kurioserweise sei nämlich in den ersten Tagen nur in Teilen die Beleuchtung ausgegangen. "Das halbe Dorf hatte Licht, die andere Hälfte nicht." Dazu habe es Anfragen gegeben, aber nicht zur Abschaltung.
Drei Monate früher als die Hallschlager mussten sich die Einwohner Feusdorfs bereits mit der ungewohnten Dunkelheit abfinden. Auch dort beschloss der Ortsgemeinderat, auf eine Beleuchtung des Dorfs zeitweise zu verzichten: hier von 1 Uhr nachts bis 5 Uhr am Morgen. Feusdorf spart damit schätzungsweise 3500 Euro im Jahr ein.
"Begeistert waren unsere Bürger davon nicht gerade. Manche äußerten sich, dass es nicht besonders toll sei. Wirkliche Gegenwehr gab es aber im Grunde nur von einer Person", sagt Feusdorfs Ortschef Franz-Josef Hilgers. Er betont den Testcharakter der Abschaltung. "Wir sagten von vornherein, dass wegen vieler Bedenken die Sache nach einem Jahr noch einmal auf den Prüfstand kommt."
Zeiten sind nicht flexibel



Etwas unglücklich sei man nämlich unter anderem über die doch recht beschränkten Zeiten, die der Stromzulieferer RWE den Kommunen anbiete, räumt Hilgers ein. "Man ist dort sehr unflexibel. Entweder kann von Mitternacht bis fünf abgeschaltet werden oder auch ab 1 Uhr", sagt er. Eine frühere Einschaltung am Morgen sei nicht möglich. "Darunter leiden die Pendler, die in Jünkerath den ersten Zug erwischen müssen."
Einen gewissen Spielraum für spontane nächtliche Beleuchtung gibt es aber in beiden Dörfern. Die Ortsbürgermeister haben Zugriff auf einen Schalttisch, mit dem sie per Hand das Licht steuern können. Falls es im Dorf ein Fest gibt, kann so auf Anfragen schnell reagiert werden.
Keine Sorge vor Einbrechern


Sorgen um steigende Einbruchszahlen müsse man sich trotz der Dunkelheit nicht machen, betont Weiker. "Die Polizei versicherte uns, dass Zahlen in Vergleichsstädten nicht beunruhigend seien", sagt er. Um auf Nummer sicher zu gehen, wird am Mittwoch, 1. Oktober, bei einem Präventionsabend im Gemeindehaus die Polizei ab 19 Uhr Bürgern aus Hallschlag, Ormont und Scheid Tipps geben, wie man sich vor unliebsamen Besuchern schützen kann.
"Und einen Vorteil hat das Ganze ja schon, der Nachthimmel bei uns ist nun wirklich wunderschön. Ich hörte gerade von vielen Jugendlichen, dass sie den überraschenden Blick auf den Sternenhimmel genießen", sagt Weicker.
Extra

Die Entwicklung der Hallschlager Finanzen befindet sich seit mehr als zehn Jahren in einer Abwärtsspirale. Von 2004 bis 2013 schrumpfte die Einwohnerzahl von 559 auf 470, während die Gesamtverschuldung der Gemeinde von 880 162 auf 1 367 136 Euro um mehr als die Hälfte stieg. Damit haben sich innerhalb von zehn Jahren die Schulden je Einwohner von 1574 auf 2909 Euro beinahe verdoppelt. So liegt die Verschuldung pro Einwohner in Hallschlag fünfmal höher als der Durchschnitt einer Gemeinde vergleichbarer Größe. Diesen Schnitt gibt das Statistische Landesamt Rheinland Pfalz mit 542 Euro an. aff

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