Wenn alles am Rädchen dreht - Verbandsgemeinderat Prüm zerzankt sich über Windkraft-Vorhaben

Prüm · Das zog sich dann doch ziemlich: In der Sitzung des Verbandsgemeinderats Prüm verzettelte man sich beim letzten Tagesordnungspunkt in angegiftetem Hin und Her. Das Thema? Die Windkraftpläne auf dem Schneifelrücken.

Wenn alles am Rädchen dreht - Verbandsgemeinderat Prüm zerzankt sich über Windkraft-Vorhaben
Foto: (e_pruem )

Prüm. Wäre am Dienstagabend ein EM-Spiel gewesen, wäre es um 21 Uhr angepfiffen worden - man hätte im Rat der Verbandsgemeinde (VG) Prüm die erste Halbzeit glatt verpasst.
In den knapp drei Stunden muss aber niemand auf taktische Fouls und rhetorische Flachpässe verzichten. Und das liegt am letzten Programmpunkt: dem Flächennutzungsplan. Der geändert werden muss. Wegen der Windkraft. Denn, das betont Bürgermeister Aloysius Söhngen (CDU) noch einmal: Ohne einen gültigen Plan dürfe praktisch jeder auf geeigneten Flächen Windräder bauen (der TV berichtete).
Die gut 20 Zuhörer aus der vor allem Schneifeler Bürgerschaft hören es mit innerem Grummeln, sind doch etliche dabei, die grundsätzlich dagegen sind, dass vor allem der Schwarze Mann von Rotoren umstellt wird. Allen voran: Peter Eichten, Ortsbürgermeister von Auw, zugleich Mitglied der CDU-Ratsfraktion.

Zuerst aber darf Geograph Reinhold Hierlmeier vom Trierer Büro BGHplan ran, der das Vorhaben seit Beginn betreut. Er legt dar, wie man zunächst die prinzipiell geeigneten Flächen ermittelte und dann, anhand diverser Ausschlusskriterien und naturschutzfachlicher Gutachten, weiter modifizierte. Am Ende steht sein Rat, einige Flächen "nicht mehr weiterzuverfolgen", weil das Landschaftsbild dagegen spreche, besondere Arten in Gefahr gerieten oder ein, etwa in Habscheid, "Umzingelungseffekt" sich einstellen könnte.

Wie sieht das dann aus - vor allem am windstärksten und umstrittenen Schneifelrücken? Hierlmeier kündigt Fotomontagen an, mit unterschiedlich starker Bebauung (Minimum zwölf, Maximum 37 Anlagen), im Wissen darum, dass die Bilder "ein emotionales Werkzeug" seien.Streit schon beim ersten Bild


Da hat er recht: Es zeigt sich gleich bei der ersten Variante, die aus zwei Positionen die mögliche Bebauung zeigt - aus Richtung Auw und aus Richtung Prümer Kalvarienberg aufgenommen. Raunen im Publikum, und gleich grätscht Bernd Weinbrenner (SPD) von der Seite rein: "Das stimmt einfach nicht, was Sie uns hier zeigen" - er habe schließlich zwei Wochen im Krankenhaus auf dem Kalvarienberg gelegen, und von dort aus sei der Schneifelrücken viel näher, als es auf den Fotos den Anschein habe.

Da hilft auch Hierlmeiers Hinweis nichts, dass es für solche Aufnahmen Vorgaben zur Kamera-Brennweite gebe - Weinbrenner schlägt vor, doch mal gemeinsam "auf Zimmer 252" zu gehen und von dort zur Schneifel zu gucken. Erdal Dogan, ebenfalls SPD, wirft hinein, das sei alles "Landschaftsverschandelung, sonst nichts".
Puh. Und das war erst die erste Fotomontage. Zudem sollen die Fraktionen nur Fragen stellen, sagt Söhngen, diskutiert werde das alles später, wenn alle die Unterlagen und Zeit zur Beratung in den Fraktionen gehabt haben.
Nützt alles nichts. Und es droht unterzugehen, was Hierlmeier noch so sagt und zeigt: Dass dies nur Varianten seien, dass man etliche Möglichkeiten habe, dass nichts beschlossen sei und dass er niemanden beeinflussen wolle (Weinbrenner: "Natürlich wollen Sie beeinflussen, das ist doch ganz klar!"). Die nach Expertenmeinung "erträglichste" Variante, sagt Hierlmeier, sei jene, bei der die Anlagen in größerem Abstand zueinander auf die Kammlinie gesetzt würden - auf der Schneifel wären das dann zwölf.

Peter Eichten will unter anderem wissen, warum man bei der Planung die Abstände zu Nestern von Storch (Maximalempfehlung: 3000 Meter) und Rotmilan (1500) auf 1000 reduziert habe - das sei doch anders beschlossen gewesen. Hierlmeiers Antwort: Ohne die Verringerung wäre der Großteil der Anlagen weggefallen. Da grummelt es wieder im Saal, auch wenn er erklärt, dass die Maximalabstände eben nur Empfehlungen von Fachgremien und keine gesetzlichen Vorgaben seien: "Die VG hat hier einen Spielraum." Wenn auch die 1000 Meter "auf keinen Fall unterschritten werden" sollen.

Weinbrenner lässt nicht locker und wirft - mit Blick auf die Zuhörer - ein, dass man die Schneifelbewohner zum Thema befragen müsse, und überhaupt: "Wir nehmen die Bürger nicht mit", sagt er, ganz Volkstribun, und dass sich Söhngen nur gegen eine Befragung wehre, "weil Sie wissen, wie es ausgeht".
Und irgendwann macht es dann auch "Bums" beim Bürgermeister und er lässt sich zu dem, so ist zu hoffen, ironisch gemeinten Satz hinreißen, was der Bürger wolle, "das bestimmen wir".

Aua. Wobei er rein formal recht hat: Der Rat muss über den Flächennutzungsplan entscheiden, sonst niemand - und ihn so hinbekommen, dass er rechtlich unangreifbar ist. Aber das ändert dann auch nichts mehr, auch die sachlich vorgetragenen Fragen und Beiträge anderer Ratsmitglieder verfangen kaum.
Zumindest Günter Meyer, ebenfalls SPD, versucht sich an einem wogenglättenden Beitrag: Er bedankt sich bei Hierlmeier für dessen Erläuterungen: "Sie haben es geschafft, dass man die ganze Angelegenheit versteht."
Das aber will nicht jeder so sehen. Erst einmal erhalten nun alle Ratsmitglieder die Unterlagen zur Beratung. Die VG wird sie in Kürze auch auf ihre Internetseite stellen. Bis zum Flächennutzungsplan-Finale ist es noch weit.Meinung

Populismus
Der VG-Rat und die Windkraft: Manch ein Zeuge hätte sich in diesem Spielchen am Dienstagabend die Hand Gottes (oder notfalls die Maradonas) herbeigehofft, die einmal mäßigend eingreift. Stattdessen regierte phasenweise der pure Populismus - und das bei diesem hochsensiblen Thema. Damit bringt man nur die Leute auf 180, die sowieso schon auf 170 sind. Die Diskussion wird weitergehen, und es scheint, als werde sie immer wüster. Kein guter Tag war das. f.linden@volksfreund.deExtra

Wenn alles am Rädchen dreht - Verbandsgemeinderat Prüm zerzankt sich über Windkraft-Vorhaben
Foto: (e_pruem )

Angesichts der Windkraft-Debatte geriet die Kommunalreform zur Nebensache: Der Landes-Gesetzentwurf über den Zusammenschluss mit elf Ortsgemeinden der Verbandsgemeinde Obere Kyll ging ohne Diskussion und Gegenstimme durch. Die Verwaltung hat, auf Antrag der Grünen-Fraktion, ein ausführliches Klimakonzept für die VG erarbeitet. Es erfasst alle bisherigen Anlagen zur regenerativen Stromerzeugung in der Kommune und zeigt unter anderem, wo Besserungsbedarf besteht oder der Energieverbrauch bereits reduziert werden konnte. Mit Dank und Lob auf allen Seiten nahm der Rat die Jahresberichte von Haus der Jugend, Naturpark Nordeifel, Volkshochschule und Zentralbücherei entgegen. Annette Schürmann (Bündnis 90/Die Grünen) lieferte den Bericht über ihre Tätigkeit als Schulsozialarbeiterin (ausführlicher Artikel dazu folgt). fpl

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