Wenn das Internet zum Tatort wird

Prüm · Dass Kinder und Jugendliche von Mitschülern gemobbt werden, ist weder neu noch selten. Was sich allerdings in den vergangenen Jahren vor allem durch das Internet geändert hat, ist die Dimension dieser verletzenden Erniedrigungen. Eine Dimension, von der viele Eltern keine Vorstellung haben und der sich der Verein Kinderschutz Eifelkreis nun mit Hilfe eines eigenen Internetforums stellen möchte.

 Mobbing unter Jugendlichen be schränkt sich schon längst nicht mehr nur auf den Schulhof. TV-Foto: Uwe Hentschel

Mobbing unter Jugendlichen be schränkt sich schon längst nicht mehr nur auf den Schulhof. TV-Foto: Uwe Hentschel

Prüm. Das Schicksal, das viele Menschen im Dienst der Justiz teilen, ist die Tatsache, dass sie oft erst tätig werden, wenn es zu spät ist. Und das weltweite Datennetz, das mit seinen vielfältigen Möglichkeiten eigentlich eine Hilfe sein könnte, entpuppt sich immer öfter als das eigentliche Problem. "Das Internet vergisst nichts", sagt der Trierer Oberstaatsanwalt Thomas Albrecht, der trotz des virtuellen Elefantengedächtnisses immer wieder vor der Herausforderung steht, die Täter ausfindig zu machen. Denn diese bleiben oft unbekant.Verfälschte Bilder im Netz

Albrecht kennt also meist nur die Opfer, die Strafanzeige erstatten, weil sie beispielsweise im Internet (sexuell) belästigt oder massiv beleidigt wurden. Oder weil von ihnen intime, meist auch verfälschte Bilder und Videos ins Netz gestellt wurden. "Da werden oft bei Facebook x-beliebige Personen rausgesucht und dann systematisch runtergemacht", sagt der Staatsanwalt. Er ist selbst bei dem Netzwerk angemeldet und empfiehlt die Mitgliedschaft auch allen anderen Eltern, deren Kinder dort aktiv sind. "Meine Kinder haben zwar erst die Nase gerümpft, es dann aber doch akzeptiert", sagt der dreifache Familienvater. Schwierig sei es allerdings, wenn Eltern mit dem Internet gar nichts am Hut hätten und deshalb auch gar nicht wüssten, was ihre Kinder dort treiben, was sie alles von sich preisgeben und was sie dort zum Teil auch alles ertragen müssen.Feind im eigenen Freundeskreis"Der leichtsinnige Umgang mit Facebook ist der Jugendlichkeit geschuldet, bis man selbst zum Opfer wird", sagt die auf Opferschutz spezialisierte Rechstanwältin Ruth Streit-Stifano Espósito aus Trier. Was an Bildern und Filmen ins Netz hochgeladen und an Erniedrigungen verbreitet werde, sei für die Betroffenen oft schlimmer als physische sexuelle Nötigung oder Gewalt. "Oft sitzt der Feind im eigenen Freundeskreis", meint die Anwältin, die den Opfern dringend empfiehlt, sich der Familie anzuvertrauen.Neues Forum aktiviert

Um den Betroffenen ebenfalls zu helfen, hat nun der Verein Kinderschutz Eifelkreis gemeinsam mit Schülern aus Prüm ein Internetforum eingerichtet ( www.kinderschutz-eifel kreis.de/forum), das vor wenigen Tagen aktiviert wurde. Dort können sich Opfer von Mobbing, Cyber-Mobbing (Mobbing im Internet), Cyber-Grooming (sexuelle Belästigungen im Internet) oder aber auch Gewalt mit anderen Jugendlichen austauschen. Die an der Betreuung des Forums beteiligten Schüler, die aus Gründen der Vertraulichkeit anonym bleiben wollen, haben in einer mehrmonatigen Testphase selbst Fälle konstruiert, um im Forum Möglichkeiten der Hilfestellungen zu testen.Einige der Schüler, die das Projekt unterstützen, haben bereits eigene Erfahrungen gemacht. So berichtet eine Schülerin von einem Fall, in dem ein Mädchen während einer Party in einer intimen Situation mit dem Handy durch das Fenster gefilmt wurde. "Der Film wurde hochgeladen, und innerhalb einer Woche hatten ihn alle Schüler der Umgebung im Internet gesehen", sagt sie. Das Mädchen habe darunter sehr gelitten. Als die Schule das mitbekommen habe, sei schließlich die Polizei informiert worden. Und mittlerweile sei der Film auch längst wieder bei der Video-Plattform YouTube gelöscht worden, erklärt die Schülerin. "Doch es kommt immer noch vor, dass das Mädchen von Leuten angesprochen wird, die sie nur von dem Video her kennen."Die Geschäftsstelle des Vereins Kinderschutz Eifelkreis ist in Bitburg zu erreichen, Hauptstraße 38, Telefon: 06561/8388. Extra

Auch wenn bei der Staatsanwaltschaft Trier monatlich nur ein bis zwei Fälle von Cyber-Mobbing oder Cyber-Grooming erfasst werden, so sagt diese Zahl nur wenig über die tatsächliche Situation aus. Das bestätigt eine repräsentative Studie der Universität Münster, die 2011 zusammen mit der Techniker Krankenkasse praktiziert wurde. Demnach waren 32 Prozent der befragten Jugendlichen zwischen 14 und 20 Jahren in Deutschland bereits einmal Opfer einer Cyber-Mobbing-Attacke. Jeder fünfteSchüler wurde im Internet oder per Handy direkt bedroht oder beleidigt. Jeder Sechste litt unter Verleumdungen, und bei rund zehn Prozent kam es zu einem Missbrauch der Internetidentität. uheExtra

Der nach seinem Ziel benannte Verein "Kinderschutz Eifelkreis" betreibt bereits seit vielen Jahren aktive Präventionsarbeit an Kindergärten und Schulen. 1990 gegründet, ist der Verein, der derzeit mehr als 320 Mitglieder hat, mittlerweile auch im Jugendhilfeausschuss der Eifelkreises vertreten. uhe

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort