Ein Ort und seine Geschichte Wenn der Ofen aus ist

Speicher · Jahrhundertelang war Speicher bekannt für Töpferwaren. Daran hat die Firma Plewa keinen geringen Anteil. Die produziert heute zwar anderswo. Für zumindest eines der verfallenen Werke gibt es aber neue Pläne.

 Relikte einer vergangenen Zeit: Aus dem Plewa-Werk 1 (links) soll ein modernes Wohnquartier werden. Auf dem Gelände des ehemaligen Werk Nummer 2 könnte ein Neubaugebiet entstehen. Das dürfte allerdings noch etwas dauern.

Relikte einer vergangenen Zeit: Aus dem Plewa-Werk 1 (links) soll ein modernes Wohnquartier werden. Auf dem Gelände des ehemaligen Werk Nummer 2 könnte ein Neubaugebiet entstehen. Das dürfte allerdings noch etwas dauern.

Foto: TV/Christian Altmayer

Es ist wenig übrig vom Industriestandort Speicher: Die Statue eines Töpfers am Markt, mit Keramik im Rucksack, und einige leere Hallen. Es sind die Relikte einer vergangenen Zeit. Riesig, imposant zwar, aber völlig verfallen.

Gut 40 Jahre ist es her, dass im Plewa-Werk 1 die Ofen heiß liefen. Heute eröffnen zerbrochene Fensterscheiben den Blick in den verwaisten Bau im Merscheider Weg. Und auch wer durch den Zaun auf das ehemalige Werk Nummer 2 schaut, sieht nur windschiefe Schuppen, einen maroden Turm und ein bröckelndes Mauerwerk.

2008 ging der Speicherer Zweig der Firma Plewa in die Insolvenz. Produziert wird seit einigen Jahren ausschließlich im bayrischen Klardorf. Nur ein Verwaltungsgebäude betreibt das Unternehmen, das heute vor allem Schornsteine und Kamine baut, noch in der Kleinstadt.

Dabei wird sie 1868 in der Eifel gegründet, vom Speicherer Jacob Plein-Wagner. Die Wurzeln aber liegen tiefer. Sie reichen bis zu den antiken Römern zurück, die in der Gegend eine Art erstes Industierevier aufbauen. Hunderte Öfen müssen hier einmal gelodert haben. Dass die Speicherer schon seit Jahrhunderten im Keramikgeschäft sind, ist archäologisch belegt seit Archäologen bei Herforst zu graben begonnen haben.

An diese Tradition knüpft auch die Familie Plein-Wagner an. Jacob wird 1836 als Sohn des alteingesessenen Töpfers Johann  geboren. Schnell allerdings reift in ihm der Wunsch, das Gewerbe in größerem Stil aufzuziehen. Dazu tritt er zunächst aus der Zunft „Eulner Bruderschaft“ aus, die den Töpfern allerlei Vorschriften macht. Zum Beispiel: die Reduktion der Betriebe auf nur einen Ofen und einen Gesellen. Plein-Wagner aber kennt die Zeichen der Zeit. Und die stehen damals auf Industrialisierung.

1868 eröffnet er erst ein Dachziegelwerk, das bald zwölf Mitarbeiter beschäftigt. Der Betrieb läuft gut an, wird aber im Laufe der Jahrzehnte immer unwirtschaftlicher. Bis Plein-Wagner ihn 1884 aufgibt und mit seinen drei Söhnen Nikolaus, Johann und Adam zur Keramik zurückkehrt. Und dann endgültig den Durchbruch schafft. Im Jahr 1901, zwei Jahre vor seinem Tod, lässt Plein-Wagner sein Unternehmen unter dem Namen „Jac. Plein-Wagner-Söhne, Steinzeugfabrik in Speicher“ eintragen. Daraus geht dann später die Firma Plewa hervor.

Viele Generationen sollte dieser Erfolg in Speicher überdauern. Bis im März 2008 die Hiobsbotschaft rausgeht: Die Plewa-Werke Speicher müssen Insolvenz anmelden. Wegen der damals erhöhten Mehrwertsteuer und der Streichung der Eigenheimzulage gehen die Verkäufe zurück. 33 Mitarbeiter in Speicher müssen gehen. Dann rettet die österreichische Frühwald-Gruppe die Firma zwar durch Übernahme, verlagert die Produktion aber ganz nach Bayern.

Heute ist das rund 53 000 Quadratmeter große Werk 2 im Besitz einer anderen Firma. Schornsteine werden dort lange keine mehr gebrannt. Die Stadt würde das Areal gerne zum Neubaugebiet machen. Noch aber ist Platz am Standort Lermesbrück. Und noch gehört das Grundstück nicht der Gemeinde.

Beim Plewa Werk 1 im Merscheider Weg allerdings werden die Wünsche der Stadt wohl bald in Erfüllung gehen. Nach nunmehr 40 Jahren Leerstand hat sich mit der Quartiersmanufaktur ein Investor gefunden, der das Gelände zu einem Wohnviertel umbauen will. 120 bis 140 Wohnungen sollen dort für viele Millionen Euro entstehen.

 Relikte einer vergangenen Zeit: Aus dem Plewa-Werk 1 (links) soll ein modernes Wohnquartier werden. Auf dem Gelände des ehemaligen Werk Nummer 2 könnte ein Neubaugebiet entstehen. Das dürfte allerdings noch etwas dauern.

Relikte einer vergangenen Zeit: Aus dem Plewa-Werk 1 (links) soll ein modernes Wohnquartier werden. Auf dem Gelände des ehemaligen Werk Nummer 2 könnte ein Neubaugebiet entstehen. Das dürfte allerdings noch etwas dauern.

Foto: TV/Christian Altmayer

„Ein im ländlichen Raum einmaliges Projekt“, sagt Bürgermeister Manfred Rodens (CDU). Es beendet aber womöglich auch das letzte Kapitel der alten Industriegeschichte der Stadt.

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