Wenn der Tod zurück ins Leben kehrt

BITBURG-PRÜM/DAUN. Landläufig gilt der Monat November als der Gedenkmonat an die Verstorbenen, Gefallenen und Vermissten – was ihm auch den Namen "Totenmonat" einbrachte. Dazu passt die dunkle, triste Jahreszeit, die mit dem Sterben in der Natur eine stimmige Kulisse für den Gedenkmonat bildet.

Die Blumen sind längst verblüht, die Bäume lassen ihre Blätter fallen, und die Sonne ist nur noch ein seltener Gast: Das November-Grau-in-Grau löst den Goldenen Oktober ab, die Tage werden kürzer, das nass-kalte Wetter treibt die Menschen in ihre Häuser an wärmende Öfen. Den November nannten unsere Vorfahren einst "Nebelung" oder "Windmonat" und verwiesen damit auf die raue, teils auch triste Jahreszeit. Es ist die Wiederkehr des so gern verdrängten Tods, der doch zum Leben gehört wie das Sterben der Blätter. In der Eifel nannte man den elften Monat auch "Wolfsmonat", weil dann die Wölfe aus dem Osten herzogen. Heute fliegt das schwarze Krähenvolk zu Beginn des Monats ein. Passend zur Jahreszeit wird im Kirchenjahr im November der Verstorbenen, Gefallenen und Vermissten gedacht. Allerheiligen (1. November), Allerseelen (2. November), Volkstrauertag (13. November) und Totensonntag (20. November) treffen sich die Gläubigen auf den Friedhöfen, zünden Lichter an und beten für ihre Verstorbenen. Tief verankert sind bis heute die kirchlichen Gedenktage, die dem November auch den Beinamen "Totenmonat" einbrachten.Brot als Wegzehrung für heimkehrende Seelen

Allerheiligen war ursprünglich ein Märtyrerfest, aus dem später ein frohes Fest der Gemeinschaft aller Gläubigen wurde. Der Festtag soll daran erinnern, dass die kirchliche Gemeinschaft über das irdische Leben hinausreicht. An diesem Tag fühlen sich die Lebenden mit den Heiligen in besonderer Weise verbunden. In Deutschland wurde Allerheiligen als Feiertag unter Ludwig dem Frommen im Jahr 835 eingeführt - und zwar als Fest für "alle Märtyrer und Heiliggesprochenen". Doch die Kirche gedenkt an diesem Tag auch den "unbekannten Heiligen". Erst an Allerseelen wurde früher den Verstorbenen gedacht - besonders den "armen Seelen im Fegefeuer". Dieser Feiertag wurde von Abt Odilo von Cluny im Jahr 998 eingeführt. Der Überlieferung nach hörte er nach einer Allerheiligenfeier die Teufel aus dem Berg "Vulcano" (bei Sizilien) heulen, "weil ihnen so viele Seelen entrissen würden". So bestimmte der Abt, dass mehr für die Verstorbenen gebetet werden sollte. Zusammen mit Allerseelen hat sich Allerheiligen im Laufe der Jahrhunderte zu einem Gedenktag für verstorbene Angehörige entwickelt. So hat sich mit der Lösung vom engeren dörflichen Lebensraum der Brauch entwickelt, dass die Gläubigen schon am Allerheiligentag die Gräber ihrer Verstorbenen besuchen. Früher gab es dafür an Allerseelen zumeist schul- und arbeitsfrei. Heute pilgern die Gläubigen vielerorts ohne weitere Kirchenfeierlichkeiten zum Friedhof, der an den ersten Novembertagen landauf landab besonders reich mit Blumen geschmückt ist. Da einem alten Volksglauben nach an Allerseelen auch die Seelen der Verstorbenen in ihre Heimat zurückkehren, stellte man ihnen "Allerseelenbrote" als Wegzehrung bereit. Sie galten als eine Art "Opfergebäck" für die Verstorbenen, später wurden diese Brote an Bedürftige verschenkt.Wenn überall "Ich hat einen Kameraden" erklingt

Das Lied "Ich hatt' einen Kameraden" fehlt selten am Volkstrauertag , wenn der Gefallenen, Vermissten und Zivilopfer der Weltkriege gedacht wird. Am Ehrenmal werden Kränze niedergelegt und gebetet. Frieden, Völkerversöhnung und Gewaltfreiheit stehen als Hoffnung über diesem Tag, der 1919 vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zum Gedenken für die gefallenen Soldaten des Ersten Weltkriegs eingeführt wurde. 1922 war die erste Gedenkstunde im Reichstag. Nachdem die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler aus diesem Tag einen Heldengedenktag gemacht hatten, wurde 1948 wieder zum ursprünglichen Volkstrauertag zurückgekehrt Die evangelischen Christen gedenken ihrer Verstorbenen am Totensonntag, der 1816 von König Friedrich Wilhelm III von Preußen eingeführt wurde und auf den letzten Sonntag vor dem ersten Advent fällt. Der Totensonntag ist das Gegenstück zum katholischen Allerseelen. Dem voraus geht der evangelische Feiertag BUSS- UND BETTAG, der seit dem 20. Jahrhundert meist am Mittwoch um den 20. November - elf Tage vor dem ersten Adventsonntag - begangen wurde. Im Zuge sozialpolitischer Änderungen wurde er 1994 als gesetzlicher Feiertag abgeschafft. An diesem Tag geht es nicht, wie der Name vermuten lässt, vorrangig um "Buße" für begangene Vergehen, sondern um eine Haltungsänderung, eine Umkehr zu Gott. Der Totensonntag liegt nicht zufällig am Ende des Kirchenjahrs. Er bezeichnet zum einen das Ende, das Unwiederbringliche. Da aber kurz darauf die Adventstage folgen, der von Gott gesetzte Neuanfang, wird deutlich, dass der Tod nicht das Ende ist. So dienen letztlich die Novemberfeiertage dem Gedenken und der Besinnung darauf, dass alles Leben vergänglich ist und der Glaube an Gott der Anker im Kreislauf des Werdens und Vergehens ist. So schiebt sich ein Brauchtum förmlich wie ein Lichtblick in den "Totenmonat": der Martinstag am 11. November (hierzu folgt ein eigener Bericht) - ist der Auftakt zur Vorweihnachtzeit, die über den Advent im Heiligen Abend mündet.

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