Wenn der Trainer zum Täter wird

Bitburg · Bevor Kinder zu Opfern sexueller Gewalt werden, ist oft bereits ein Vertrauensverhältnis zum Täter vorhanden. Es sind die Großväter, Onkel, Väter oder auch der Trainer, Ausbilder oder Gruppenleiter aus dem Verein. Mit einem Fachforum in der Kreissparkasse hat sich der Kinderschutz des Eifelkreises dem Thema gestellt.

 Im Ordner der Referentin und auf Opferschutz spezialisierten Anwältin Ruth Streit-Stifano sind Unterlagen eines regionalen Arbeitskreises, dem auch sie angehört und dem es um eine Vernetzung der Akteuere und Angebote im Bereich Psychotrauma geht. TV-Foto: Uwe Hentschel

Im Ordner der Referentin und auf Opferschutz spezialisierten Anwältin Ruth Streit-Stifano sind Unterlagen eines regionalen Arbeitskreises, dem auch sie angehört und dem es um eine Vernetzung der Akteuere und Angebote im Bereich Psychotrauma geht. TV-Foto: Uwe Hentschel

Bitburg. "Leider werden in unser aller Vereinsarbeit immer wieder Fälle bekannt, die das positive Bild trüben", sagt Ruth Streit-Stifano. Sie selbst ist ehrenamtliche Präsidentin eines großen Sportvereins in Saarburg und hat beruflich mit "negativen Fällen" von Vereinsarbeit zu tun. Was auch der Grund ist, warum sie auf Einladung des Vereins Kinderschutz Eifelkreis als Referentin zum Fachforum "Kinderschutz in der Partei- und Vereinsarbeit" in die Schalterhalle der Bitburger Kreissparkasse kommt.
Streit-Stifano ist Rechtsanwältin und bereits seit Jahrzehnten auf Opferschutz spezialisiert. Sie hat unzählige Kinder und Jugendliche vertreten, die Opfer von sexualisierter Gewalt wurden. Und deshalb weiß sie auch, dass der Aufbau eines Vertrauensverhältnisses zu den wichtigsten Strategien eines Täters gehörten.Spezialisiert auf Opferschutz


"Selbstverständlich bieten sich Vereine dafür an", sagt Streit-Stifano. Schließlich sei das Vertrauen zu den Trainern, Ausbildern oder Gruppenleitern wichtiger Bestandteil eines intakten Vereinslebens. Auf der anderen Seite warnt sie vor falschen Vorurteilen. "Ich habe schon mindestens genauso viele Grundschullehrer und Erzieher auf der Anklagebank gehabt wie Geistliche oder Vereinstrainer", fügt die Anwältin hinzu. Und gemessen an der Gesamtzahl der Fälle seien sexuelle Übergriffe in Vereinen eher ein Randphänomen.
Ein Phänomen, für dessen strafrechtliche Verfolgung nach Auffassung der Opferschutz-Expertin keine Verschärfung der Gesetze notwendig ist. "Vom Gesetz her ist alles da", sagt sie. "Wir müssen es nur anwenden." Wenn es ein Problem bei der Strafverfolgung gebe, dann hänge das eher mit denjenigen zusammen, die als Vereinsmitglieder sexuelle Verdachtsfälle zwar wahrnehmen, aber nicht wahrhaben wollen, erklärt Streit-Stifano. "Weil sie es in ihren Köpfen nicht zulassen wollen, dass der Kollege im Verein ein bisschen zu genau auf die Kinder schaut."
Wobei es natürlich viele Fälle gibt, von denen außer Opfer und Täter keiner etwas mitbekommt, wie Stefan Urmes vom Jugendamt des Eifelkreises zu berichten weiß. "Kindeswohlgefährdung ist längst nicht immer ein beobachtbarer Sachverhalt", sagt Urmes, ergänzt aber auch, dass Gruppenleiter, Jugendtrainer, Dirigenten oder sonstige Vereinsmitglieder Verdachtsfälle jederzeit beim Jugendamt melden könnten. "Wenn wir informiert werden, müssen wir auch tätig werden", sagt er. Und vor allem bei den unbekannten Verdachtsfällen werde in der Regel sofort reagiert.
Ähnlich wie das Jugendamt befasst sich auch der Kinderschutzdienst des Eifelkreises mit Fällen der Kindeswohlgefährdung. Allerdings richtet sich das Angebot vor allem an die Opfer, wie die dort tätige Psychologin Heide Schmidtmann erklärt und dabei auch betont, dass der Kinderschutzdienst keine Strafanzeige erstatte.Im Fokus steht das Kind


Im Fokus ihrer Arbeit stehe das Wohl des Kindes und nicht etwa die strafrechtliche Verfolgung des Täters, sagt Schmidtmann. Und deshalb sei es wichtig, Betroffene nicht auf ihr Traumaerlebnis zu reduzieren, sondern ihnen stattdessen neue Lebensfreude zu vermitteln. "Wir dürfen nicht in Schrecken verfallen", meint die Psychologin, "sondern wir sollten lieber dankbar sein, dass ein Kind den Mut hat, darüber zu reden."Extra

Mehr als 12 000 Fälle sexueller Übergriffe gegen Kinder und Jugendliche tauchen bundesweit in den Kriminalstatistiken auf. Das Thema, das für die Opfer meist mit Gefühlen von Schuld und Scham belegt ist, beschäftigt auch die Wissenschaft. Nach Schätzungen - die Dunkelziffer ist hoch - ist jedes siebte bis zwölfte Kind Opfer sexuellen Missbrauchs. Das ist in der Eifel, wo etwa der Caritasverband Ansprechpartner für Betroffene ist, nicht anders. Nach Angaben des Vereins Kinderschutz Eifelkreis kommen 70 Prozent der Täter bei sexualisierter Gewalt aus dem sozialem Umfeld der Kinder und Jugendlichen. Kontakt: Kinderschutzdienst des Caritasverbands Westeifel: Heide Schmidtmann, Telefon 06561/9671-0, h.schmidtmann@bitburg.caritas-westeifel.de oder für den Vulkaneifelkreis: Karin Knötgen, Telefon 06592/95730, k.knoetgen@daun.caritas-westeifel.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort