Wenn Hartz-IV-Empfänger ausrasten

Spannungen, Aggression und Konflikte gehören für die Mitarbeiter der Arbeitsgemeinschaft der Agentur für Arbeit Trier und des Kreises Bitburg-Prüm (Arge) zum Arbeitsalltag. Deshalb hat die Arge im Rahmen eines Präventionsprogramms einiges verändert: Es wurde umgebaut, umstrukturiert und hinzugelernt.

Bitburg/Prüm. Am Anfang war der Unfall. Dann war der Job weg, dann das Haus, dann die Familie. Und jetzt soll er auch noch auf sein Arbeitslosengeld II warten, das sowieso nicht reicht, nur weil diese blöde ( ) sagt, der Antrag käme zu spät! "Und wovon soll ich leben?", brüllt er wütend, springt auf, will auf die Frau losgehen, besinnt sich im letzten Moment und lässt seine Wut an ihrem Schreibtisch aus. Den reißt er bis auf Brusthöhe hoch und lässt ihn dann wieder zu Boden krachen.

Aktionen wie diese sind kein Alltag in der Arge Bitburg-Prüm. Doch es gibt sie immer wieder, und sie machen den 34 Mitarbeitern, die in den Zweigstellen in Bitburg und Prüm rund 2500 Hartz-IV-Empfänger betreuen, das Leben schwer. Wie Geschäftsführer Carl Diederich betont, funktioniert die Zusammenarbeit mit den Kunden in 98 Prozent der Fälle gut. "Aber es gibt auch welche, die total ausrasten", sagt er. Sei es, weil sie sich durch das Hartz-IV-Gesetz oder die Mitarbeiter ungerecht behandelt fühlen, weil sie Existenzängste haben oder Drogenprobleme.

Nachdem in Prüm eine psychisch kranke Frau auf eine Mitarbeiterin losgegangen war, entschied die Arge, dass etwas passieren muss. Also wurde umgebaut. Inzwischen gibt es einen Empfang, und die Büros sind durch eine Zwischentür im Flur abgetrennt, so dass ein unkontrollierter Zugang unmöglich ist. Im Foyer ist eine Videokamera installiert, die alle Computerbildschirme beliefert. Zudem verfügt jeder Arbeitsplatz über Gegensprechanlage und Türöffner.

Der Umbau ist allerdings nur ein Teil der Maßnahmen, die die Arge seit rund zwei Jahren im Rahmen eines Präventionsprogramms der Unfallkasse Rheinland-Pfalz umsetzt. Auch die Arbeitsabläufe wurden neu organisiert. Vorher gab es in Bitburg nur eine Abteilung, die Anträge annahm, ehe andere sie weiterbearbeiteten.

Das führte zu langen Wartezeiten und entsprechend explosiver Stimmung. Inzwischen sind die Mitarbeiter in drei Gruppen eingeteilt - und damit auch die Kundenströme. Der Effekt: Alles geht schneller. Ein weiterer Baustein des Programms sind Deeskalations- und Kommunikationstrainings. Die Mitarbeiter lernen, ein Gefühl dafür zu bekommen, wann ein Gespräch kippt und wie man sich dann verhalten sollte. "Wir lernen auch, wie wir auf andere wirken", sagt Diederich, denn natürlich spiele auch das Verhalten der Mitarbeiter eine wichtige Rolle.

Sein Anliegen ist es, dass sie gerne und ohne Angst zur Arbeit kommen, auch wenn der Druck hoch ist und sie sich nicht selten von dem einen beschimpfen lassen müssen, ehe sie den Nächsten wieder freundlich begrüßen sollen. Ein täglicher Spagat.

Extra

Arge: Die Arbeitsgemeinschaft der Agentur für Arbeit Trier und des Eifelkreises Bitburg-Prüm (Arge) wurde Ende 2004 gegründet. Während die Agentur für Arbeit für Jobsuchende zuständig ist, die zuvor in einem Beschäftigungsverhältnis standen, betreut die Arge im Eifelkreis die Bezieher vom Arbeitslosengeld II. Die Beschäftigten in den Jobcentern der Arge sind teilweise Beschäftigte der Agentur für Arbeit, teilweise des Kreises.

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