Hargarten. Irgendwann ist Endstation. Wer in das Dorf Hargarten fährt, muss auf demselben Weg wieder zurück. Denn die Straße in die 90-Seelen-Gemeinde ist eine Sackgasse. "Einmalig toll", findet das Bürgermeisterin Irene Alff. Die Mutter zweier Kinder und Ehefrau eines Bauunternehmers ist froh, dass es keinen Durchgangsverkehr gibt. "Das ist schön für die Kinder, die können ungestört draußen spielen." Und Kinder hat Hargarten im Verhältnis zur Einwohnerzahl ganz schön viele. 17 gibt es insgesamt. Allein in diesem Jahr kamen drei Babys zur Welt.
Eine neue Ära brach für Irene Alff im Juli 2009 an. Da wurde sie zur Bürgermeisterin gewählt. Sie ist die erste Frau in diesem Amt und die erste Frau im Ortsgemeinderat. Vorher war das eine reine Männerdomäne.
Nachdem ihr Vorgänger das Amt sehr lange innehatte und schließlich nicht mehr antreten wollte, fand sich kein Nachfolger. Wie in so vielen anderen Orten auch. Irene Alff wagte den Sprung ins kalte Wasser, denn das sei es anfangs gewesen, erinnert sie sich. Ausschlaggebend war, dass sie die Amtsgeschäfte ungern der Verbandsgemeinde überlassen wollte, denn sie befürchtete, dass dann nicht mehr viel gemacht werden würde, was das Gemeindeleben angeht. Und gerade die Gemeinschaft und das Zusammengehörigkeitsgefühl seien ihr sehr wichtig. "Ich lebe sehr gerne in Hargarten und habe zwei Kinder, die hier aufwachsen." Da wolle sie nicht, dass alles so dahinplätschere. "Wenn keiner vorneweg geht, schläft alles ein", befürchtete sie.
Davon kann nun nicht mehr die Rede sein. Ob "Aktion saubere Landschaft", Sommerfest, Maibaum aufstellen oder Frauenessen - in Hargarten treffen sich die Menschen gerne. "Früher gingen wir mehr zu Fuß, heute fahren alle Auto. Die Zeiten ändern sich, aber ich möchte nicht, dass alles immer anonymer wird."
Bei der Organisation kann sie auf ihre Männer im Gemeinderat zählen. "Die engagieren sich. Wenn etwas ansteht, helfen alle mit", lobt sie.
Zweimal im Jahr gibt es einen Frühschoppen. Der nächste ist am Sonntag, 4. Dezember, wenn die Männer den Weihnachtsbaum am Dorfgemeinschaftshaus aufstellen. Es zu hegen und zu pflegen und jedes Jahr ein bisschen zu verbessern, ist ein Ziel der 43-Jährigen. Auch die Jugend hat dort auf dem Dachboden ihr Domizil gefunden. Das laufe problemlos.
Warum es so wenige Frauen in politische Ämter zieht, erklärt sie sich so: "Vielleicht will nicht jede Frau in der Öffentlichkeit stehen." Außerdem gebe es viele, die sich das nicht zutrauen. "Ich finde das gar nichts Besonderes. Da wird viel zu viel Bohei drum gemacht", sagt sie. Es sei immer gang und gäbe gewesen, dass Männer für diese Ämter zuständig waren. Da wird jetzt ein Umbruch stattfinden, meint sie.
Ihr gefalle, dass sie viel mit Menschen zu tun habe. Bei Problemen, die zwangsläufig auch mal auftreten, denkt sie aber manchmal: "Warum hast du dir das angetan?" Es sei nicht immer einfach, Beruf und Amt unter einen Hut zu bringen. "Wenn man es gewissenhaft machen möchte, sind es doch mehr Termine als angenommen", sagt sie. Zeit für Hobbys bleibt da kaum. Und wenn doch, hat die Familie Priorität.
In Hargarten gibt es einen Kegelverein. Gekegelt wird in Lambertsberg. Auch wer zum Musik- oder Sportverein möchte, muss fahren. Und das machen die Einwohner auch. Nach 20 Kilometern sind die Hargartener in Prüm, Bitburg oder Neuerburg, und der Anschluss zur A 60 ist nur wenige Kilometer entfernt. Hargarten ist zwar eine Sackgasse - aber nicht am Ende der Welt.Extra

In Hargarten in der Verbandsgemeinde Arzfeld leben rund 90 Einwohner. Es gibt dort neben Landwirtschaft mehrere kleine Firmen. Neben dem Gemeindehaus gibt es einen kleinen Spielplatz. Seit 2005 hat Hargarten ein offizielles Wappen. sn