Erlkönige auf Eifeler Straßen Testwagen auf der A 60: Gefährliche Raserei oder notwendige Prüfungen?

Bitburg/Wittlich/Prüm · TV-Lesern fallen seltsam markierte Autos auf Eifeler Straßen auf. Es sind sogenannte „Erlkönige“, getarnte Prototypen von unveröffentlichten Wagen. Doch warum nutzen Autohersteller gerade die Region als Testgebiet?

 Auch der BMW X7 war wohl als Erlkönig auf der A60 unterwegs. Der Hersteller aus Bayern nutzt die Strecke zwischen Wittlich und Prüm für Testfahrten.

Auch der BMW X7 war wohl als Erlkönig auf der A60 unterwegs. Der Hersteller aus Bayern nutzt die Strecke zwischen Wittlich und Prüm für Testfahrten.

Foto: picture alliance/dpa/BMW

Wie tarnt man einen Wagen im öffentlichen Raum? Das ist nicht so schwierig, wie mancher glauben mag. Alles, was es braucht, sind etwas Folie und falsche Front- und Heckteile. Aber von Anfang an: Sogenannte „Erlkönige“, bislang unveröffentlichte Automodelle, sind in ganz Deutschland unterwegs. Auch auf Straßen in der Region begegnen sie uns. Und das oft, ohne dass es den meisten  auffällt.

Dass man die Testwagen im Vorbeifahren nicht genau erkennen kann, liegt am Dazzle-Muster. Entwickelt wurde diese Tarnung während des Ersten Weltkriegs. Sie sollte Schiffe vor Feinden verbergen. Heute bekleben Autohersteller ihre Prototypen mit solchen Verwirr-Folien, um deren Form zu verschleiern.

Motorsportmagazine bezahlen gut für Schnappschüsse von solchen Wagen. Manch ein Journalist legt sich stundenlang auf die Lauer, um ein Foto oder zumindest einen Blick zu erhaschen. Wer also im Vorbeifahren einen der schwarz-weißen Kolosse zu Gesicht bekommt, ist Zeuge einer kleinen Sensation.

Die Chance dazu haben Fahrer unter anderem auf der Autobahn 60, aber auch auf anderen Strecken in der Eifel – zwischen Prüm und Aachen etwa. TV-Leser haben in den vergangenen Monaten immer wieder „Erlkönige“ gesichtet, mal in der Schneifel, mal in Wittlich, mal bei Bitburg.

Auch der bayrische Sportwagenhersteller BMW testet seine Fahrzeuge in der Region. Der Grund ist die Nähe zum Nürburgring. Deshalb seien „Erlkönige“ des Unternehmens unter anderem auch auf der Autobahn 60 unterwegs, schreibt ein Pressesprecher.

Weiter heißt es in der Antwort auf eine TV-Anfrage: „Unsere Fahrzeuge werden auf allen Straßentypen getestet.“ Wegen der geringen Distanz zur Rennstrecke in Adenau, vermutet der Mitarbeiter, dass „Testfahrzeuge auch auf anderen Straßen in der Eifel unterwegs sind“.

Aus denselben Gründen sind auch Fahrzeuge der Marke Landrover auf der Autobahn 60 unterwegs. Die Firma unterhalte am Nürburgring ein „Entwicklungscenter“, schreibt eine Unternehmenssprecherin. Die Nordschleife, die Autobahnen sowie die kurvigen Landstraßen in Deutschland böten ideale Fahrbedingungen für Tests: „Die A 60 ist dabei nur eine Strecke unter vielen, die wir nutzen.

Ein Erlkönig von Audi soll neulich nahe der Autobahnausfahrt Spangdahlem  gesichtet worden sein. Auf Nachfrage des TV will eine Pressesprecherin dies allerdings weder bestätigen noch dementieren. Sie sagt nur so viel: „Wir nutzen die verschiedensten Strecken –  auch Autobahnen.“ Genaue Auskünfte über die Teststrecken dürfe sie aber nicht rausgeben.

Auch andere Hersteller sind wenig auskunftsfreudig. Ein Sprecher des größten deutschen Autobauers Volkswagen möchte keine Angaben machen. Schließlich wolle man „Fahrzeugprojekte“ weiterhin „geheim halten“. Von einem Pressesprecher von Opel heißt es kurz und knapp, die Wagen würden nicht auf deutschen Autobahnen getestet, sondern auf speziellen Anlagen „im In- und Ausland“.

Die TV-Umfrage ist natürlich nur eine Stichprobe. Es ist anzunehmen, dass auch andere Autobauer ihre brandneuen Modelle durch die Eifel schicken. Und das liegt nicht nur an der Nähe zum Nürburgring, sondern auch an der Beschaffenheit der A 60.

Warum die Strecke sich dafür eignet, ist leicht erklärt: Zum einen herrscht dort vergleichsweise wenig Verkehr. Und zum anderen gibt es in Deutschland kaum ein so langes Teilstück einer Schnellstraße ohne Tempolimit. Das macht aus ihr eine perfekte Piste für Hochgeschwindigkeitstests.

Wer schon mal einen „Erlkönig“ nahe Bitburg, Wittlich oder Prüm bemerkt hat, kann bestätigen: Die beklebten Wagen sind meist sehr schnell unterwegs, zum Teil mit mehr als 200 Stundenkilometern. Ob das wirklich nötig ist? Offensichtlich schon – jedenfalls aus Sicht der Unternehmen.

Da sind sich zumindest die Pressesprecher aller befragten Hersteller einig: Es sei wichtig, mit dem Auto alle „Fahrsituationen“ zu proben, die auch im Kundenalltag vorkommen. Also auch: Rasen.

Gefährlich werde es für die Fahrer und den restlichen Verkehr aber nicht. Alle Autobauer verweisen darauf, dass die Menschen, die sie hinters Steuer lassen, bestens ausgebildet sind sowie verschiedene Trainings durchlaufen müssen.

Volkswagen verlangt von den Erlkönig-Piloten laut Pressesprecher sogar einen eigenen „Prototypen-Führerschein, dessen Erwerb nur nach erfolgreichem Abschluss interner Prüfungen möglich ist“.

  ERLKÖNIGE + sind die bestbehüteten Kinder der Automobil-Industrie. Typen, die noch nicht auf dem Markt sind, aber getarnt im Straßenverkehr getestet werden. So wie dieser schwarze Wagen (Bild), der auf den ersten Blick aussieht wie ein neuer Mercedes. Tatsächlich handelt es sich um den neuen Lancia "Thesis", der zurzeit mit seinem Zwillingsbruder in der Eifel unterwegs ist. Wir erwischten die beiden Autos in der Nähe von Prüm.  fpl/Foto: Fritz-Peter Linden +

ERLKÖNIGE + sind die bestbehüteten Kinder der Automobil-Industrie. Typen, die noch nicht auf dem Markt sind, aber getarnt im Straßenverkehr getestet werden. So wie dieser schwarze Wagen (Bild), der auf den ersten Blick aussieht wie ein neuer Mercedes. Tatsächlich handelt es sich um den neuen Lancia "Thesis", der zurzeit mit seinem Zwillingsbruder in der Eifel unterwegs ist. Wir erwischten die beiden Autos in der Nähe von Prüm. fpl/Foto: Fritz-Peter Linden +

Foto: TV/Fritz-Peter Linden

Darüber, wie oft ihre „Erlkönige“ in Unfälle verwickelt sind, können oder wollen die Hersteller keine Auskunft geben. Nur ein BMW-Mitarbeiter äußert sich überhaupt: „Unfälle sind wie bei jedem regulären Verkehrsteilnehmer nicht gänzlich auszuschließen. Gemessen an der Anzahl an Testfahrzeugen und der im Erprobungsbetrieb auftretenden Kilometerleistungen sind Unfälle aber äußerst selten.“

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