Werben für die bunte Mischung

Prüm · Die Prümer Realschule plus will weitere Ganztagsklassen einrichten. Bei vielen Eltern ist jedoch noch Überzeugungsarbeit zu leisten: Nach wie vor besteht vor allem das Vorurteil, man schiebe sein Kind lediglich dorthin ab.

 Gut unterwegs: die Ganztagsklasse. Für den Nachmittag schafft die Schule mit Hilfe von Grohmann Engineering 20 Fahrräder an. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Gut unterwegs: die Ganztagsklasse. Für den Nachmittag schafft die Schule mit Hilfe von Grohmann Engineering 20 Fahrräder an. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Prüm. Die Ganztagsschule (GTS): Elf Jahre nach der Einführung im Land bieten immer mehr Einrichtungen Unterricht und Projektarbeit bis in den Nachmittag. Auch die Prümer Realschule plus: Von den fünf Klassen in der Stufe fünf erhält eine seit Beginn des Schuljahrs Ganztagsunterricht.Feste Strukturen täglich

Die Kinder werden in der sogenannten rhythmisierten Form unterrichtet, bis 15.30 Uhr: Eigentlich steht dieser Modus für eine Anpassung an die Leistungskurve, an den Tagesrhythmus der Schüler. Die Prümer verstehen ihn anders: "Rhythmisiert heißt in dem Fall, dass die Kinder eine feste Struktur im Tages- und Wochenablauf erhalten", sagt Konrektor Thomas Lauxen. In der sechsten Stunde können die Schüler schriftliche Hausaufgaben erledigen, unterstützt von betreuenden Lehrern. Der Nachmittag ist vornehmlich mit Fächern wie Sport, Kunst, Musik oder Verkehrserziehung belegt. Die Kinder haben außerdem acht statt fünf Stunden Deutsch. Lauxen: "Da kann ein Lehrer, was die Förderung anbelangt, ganz anders arbeiten. Und man kann auch mal ein Theaterstück einstudieren. Das heißt dann eben nur nicht ,Theater-AG\'."Viele Pädagogen favorisieren diese Form des GTS-Unterrichts. Allerdings hat auch das vor allem in den Anfangsjahren praktizierte "additive" Modell Vorteile: Es bietet morgens normalen Unterricht und nachmittags auch Förderung oder Wahlprojekte, in denen Kinder unterschiedlicher Jahrgänge mit- und voneinander lernen können."An sich halte ich das Modell der rhythmisierten Ganztagsschule für eine gute Idee", sagt Nadja Krieger aus Schloßheck beim Tag der offenen Tür an der Schule. Allerdings sei die Busverbindung nachmittags nicht besonders gut. Andere Eltern, das wird deutlich, haben erheblich größere Probleme: Der Unterricht, egal wie gut er sei, ersetze nicht das Elternhaus, heißt es. Die GTS berge die Gefahr, das Familienleben auseinanderzureißen. Und immer wieder hört man, das sei nur ein Angebot für Mütter und Väter, die sich nicht kümmern können oder wollen - der alte Vorwurf des Rabenelterntums, dem sich keiner aussetzen will.Das hat auch Sabine Knuppen aus Ormont erlebt, deren Sohn Marius die GTS-Klasse besucht. Typische Reaktion: "Wie kannst du nur?" Tatsächlich aber tue die Klasse ihrem Kind gut. Und: "Wenn er nach Hause kommt, muss er höchstens noch Vokabeln lernen." Klarer Vorteil: "Das Zusammenleben ist jetzt viel entspannter.""Es gibt vielfach dieses Denken: Die Kinder werden abgeschoben", sagt Thomas Lauxen. "Das ist ein falsches Bild." Wie auch die Überzeugung, die GTS sei nur etwas für schwache Schüler. Ebenfalls falsch, findet er: "Das soll eine bunte Mischung sein." Außerdem gebe es sehr viele Kinder und Jugendliche, die nachmittags nicht rausgehen "und nur am Computer sitzen - unabhängig davon, ob die Eltern Zeit haben oder nicht". Meinung

Aus dem Zwang das Beste machenSchade, dass die Ganztagsschule immer noch unter Vorurteilen leidet. Ja, mancher mag sein Kind nur dorthin abschieben, um sich nicht kümmern zu müssen. Dann aber gilt: Dieses Kind ist an der Schule besser aufgehoben als daheim, wo man es nicht haben will. Außerdem müssen allzu oft beide Eltern arbeiten, weil ein Gehalt vorn und hinten nicht genügt. Eine traurige Tatsache, die man ihnen aber nicht vorwerfen darf. Und diese Entwicklung, das hat man auch in Prüm erkannt, wird sich fortsetzen. Nein, GTS-Kinder sind nicht grundsätzlich von schlechten Eltern. Und bei guter Betreuung von engagierten Pädagogen - das ist Voraussetzung - haben sie alle etwas davon, die Schwachen wie die Starken. Wenn sie dann am Nachmittag heimkommen, sind zudem die Hausaufgaben erledigt -das schafft Zeit fürs familiäre Miteinander. fp.linden@volksfreund.de

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