Corona-Regeln Landrat Joachim Streit und seine Ehefrau legen Widerspruch gegen Ausgangssperre im Eifelkreis ein (Update)

Bitburg · Der Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm hat als Privatmann gemeinsam mit seiner Frau Widerspruch gegen die ab heute geltende Ausgangssperre in seinem Kreis eingelegt. Ein Trierer Virologe sieht ebenfalls wenig Sinn in Ausgangssperren.

Widerspruch: Landrat Joachim Streit geht gegen Ausgangssperre im Eifelkreis vor
Foto: Kreisverwaltung Bitburg-Prüm

Begründung: Eine Ausgangssperre verhindere keine illegalen Partys, sie führe bei Treffen zu Übernachtungen bei Freunden, um der Sperre zu entgehen und dadurch werde das Infektionsrisiko erhöht.

Außerdem sei eine Ausgangssperre für drei Tage nutzlos.

Das Land hatte den Kreis gezwungen, die Ausgangssperre von 21 bis 5 zu verhängen, da die Inzidenz an sechs Tagen die Woche über 100 lag. Gestern lag die Inzidenz bei 90. Streit hält die Maßnahme für unverhältnismäßig. Das mildere Mittel sei gewesen, ein nächtliches Kontaktverbot zu verhängen, sagte Streit volksfreund.de. Dann dürften sich zwar keine Menschen mehr treffen, aber man dürfte etwa zum Spaziergehen noch aus dem Haus.

Unterstützung erfährt er auch von dem Trierer Virologen Ernst Kühnen. „Ausgangssperren können die Inzidenzlage beruhigen, sie strafen aber sehr viele Menschen unnötigerweise ab, da sie sich in der Regel korrekt verhalten“, sagt er volksfreund.de. Infektionen fänden in geschlossenen Räumen häufiger statt als in der Öffentlichkeit. Ausgangssperren führten aber dazu, dass sich Gruppen in private Umgebungen zurückziehen, und damit nicht mehr kontrollierbar seien. Kühnen: „Ausgangssperren haben dort Sinn, wo zum Beispiel über den gemeinsamen Alkoholgenuss von Menschen eine Enthemmung stattfindet und damit Kontakte massenhaft auftreten. Überwiegend bei Jugendlichen.“

Der Präsident der Landesärztekammer, Günter Matheis, hatte am Donnerstag volksfreund.de gesagt, dass weitreichende Lockdown-Maßnahmen wie Ausgangssperren oder erneute Schulschließungen dürften „nicht im statistischen Blindflug veranlasst werden, sondern auf Grundlage sauberer und verlässlicher Daten“, sagt der Mediziner, der im Trierer Brüderkrankenhaus arbeitet.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hatte unserer Redaktion gegenüber die sogenannte Notbremse verteidigt. „Damit haben alle Bundesländer das Instrumentarium in der Hand, um die dritte Welle zu bekämpfen.“

Kürzlich hatte das Verwaltungsgericht in Hannover mehreren Eilanträgen gegen die dortige nächtliche Ausgangssperre stattgegeben. „Es bestünden Bedenken, ob die Anordnung der Ausgangssperre verhältnismäßig sei“, erklärte das Gericht. In Hannover sollte vom 1. April bis einschließlich 12. April das Verlassen des Hauses jeweils von 22.00 Uhr bis 05.00 Uhr nur bei triftigen Gründen erlaubt sein. In Hamburg hingegen hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass die dortige Ausgangssperre rechtmäßig sei.

Auch gegen die Ausgangssperre in Mainz liegen mehrere Klagen vor beim zuständigen Verwaltungsgericht. Entscheidungen gibt es noch keine.

Ob Ausgangssperren wirkungsvoll sind, ist umstritten. Forscher um ein Team der Universität Oxford fanden heraus, dass nächtliche Ausgangsbeschränkungen zwar die Verbreitung des Covid-19-Erregers um rund 13 Prozent reduzieren können. Einen doppelt so hohen Effekt (minus 26 Prozent) aber haben etwa strenge Kontaktbeschränkungen wie die Begrenzung aller Treffen auf maximal zwei Menschen. Mobilitätsforscher von Technischer Universität und Zuse-Institut in Berlin kommen in ihrer jüngsten Studie zu der Erkenntnis, dass eine Ausgangssperre am Abend und in der Nacht besonders Kontakte im Privatbereich reduziere. Demnach zeigt eine Simulation von Mitte Januar (als die ansteckendere Virusvariante B.1.1.7 noch nicht so weit in Deutschland verbreitet war) eine Halbierung der Infektionen im Freizeitbereich durch eine Ausgangssperre von 20.00 bis 6.00 Uhr.

Die Berliner Forscher nehmen aber an, dass die Bevölkerung mittelfristig auf andere Zeiten für Treffen und Besuche ausweiche. Daher könne dieses Werkzeug „relativ schnell stumpf werden“, heißt es im Bericht von Mitte März.

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