Wie die Amerikaner in der Eifel Weihnachten feiern

Bitburg/Spangdahlem · Amerikaner sind überzeugt davon, dass Deutsche sich traditionell eine Gurke in den Weihnachtsbaum hängen - und haben diesen Brauch bereitwillig übernommen. Nicht das Einzige, was deutsche von amerikanischen Weihnachten unterscheidet.

 Kennt hier kaum jemand: die „deutsche“ Glücksgurke (links). Kennen hier alle: den Christbaum – dieser steht auf der Air Base in Spangdahlem. TV-Foto: Katharina Hammermann/Foto: Deutsch-Amerikanischer Frauenclub

Kennt hier kaum jemand: die „deutsche“ Glücksgurke (links). Kennen hier alle: den Christbaum – dieser steht auf der Air Base in Spangdahlem. TV-Foto: Katharina Hammermann/Foto: Deutsch-Amerikanischer Frauenclub

Bitburg/Spangdahlem. Draußen vor der Türe stehen Schüsseln mit Futter für die Rentiere - damit sie sich stärken können, während Santa Claus durch den Schornstein rutscht. Drinnen erstrahlt der grüne Kunststoff-Weihnachtsbaum.Alles hängt dran


Er ist festlich geschmückt mit Teddybärchen, Mini-Footbällen, Anhängern in der Form von Texas, Starbucks-Bechern aus Porzellan, Weihnachtskugeln mit dem Emblem der US-Air-Force und natürlich einem "Christmas Pickle" - einer Weihnachtsgurke. Man ist ja schließlich in Deutschland. Und da hat bekanntlich jeder eine Gurke am Baum.
Sie steht für Glück - und das Kind, das sie zuerst am Tannenbaum entdeckt, bekommt am Morgen des ersten Weihnachtsfeiertages ein zusätzliches Geschenk vom Nikolaus. Was für ein schöner deutscher Brauch!
Das jedenfalls denken viele der etwa 14 000 Amerikaner, die im Umkreis des Luftwaffenstützpunktes Spangdahlem leben. Das dachte auch US-Oberstabsfeldwebel Richard Lien, Chef der Spangdahlemer Feuerwehr. Als er noch auf der Pazifikinsel Guam stationiert war und Freunden erzählte, dass er nach Deutschland ziehen würde, klärten sie ihn gleich über das "typisch deutsche" Weihnachtsritual auf. "In Spangdahlem habe ich mir daher sofort eine Gurke gekauft", sagt er. Schließlich wollte er sich ein wenig an die einheimische Kultur anpassen - und musste mit Erstaunen feststellen, dass die meisten Deutschen noch nie etwas von dem merkwürdigen Gurkenschmuck gehört hatten, dass es die Geschenke - anders als bei den Amerikanern - auch nicht am Morgen des 25. Dezembers gibt. Und schon gar nicht vom Nikolaus. "Wir haben 60 Amerikaner und 30 Deutsche zu den Gurken befragt", sagt Karin Jung, Vorsitzende des deutsch-amerikanischen Frauenclubs. Die Enttäuschung sei groß gewesen, nachdem klar war, "dass wir das gar nicht machen".
Erst dadurch, dass dieser vermeintlich deutsche Brauch allmählich nach Deutschland "reimportiert" wird, gewinnt das gläserne Gewächs der Gattung Cucumis hier an Boden. Die Firma Gangolf in Bitburg hat die Gurke in ihr Deko-Sortiment aufgenommen. Und auf dem Trierer Weihnachtsmarkt hat ein Glasbläser eine ganze Kiste voll verkauft - vor allem an Deutsche, die sich über die Geschichte amüsieren.
Doch sind die grüne Frucht und fliegende Rentiere nicht das einzige, was die typische US-Weihnacht von der deutschen unterscheidet. In der Vorweihnachtszeit ziehen Frauen und Männer von Haus zu Haus, um Weihnachtslieder zu singen (Christmas Caroling). Lien war dafür mit anderen Sängern auch in einem Landscheider Altersheim.Wer hat das schönste Haus?


Eine Jury zeichnet auf der Air Base Spangdahlem das am schönsten geschmückte Haus aus. "Wir fangen auch viel früher mit allem an", sagt Kalyn Jacobs, die mit ihrer Familie in Bitburg lebt. Schon am Tag nach Thanksgiving, also am 29. November, hat sie ihren Baum aufgestellt. Der ist aus Plastik und braucht noch nicht einmal grün zu sein. So hat ihre Freundin Jennifer Thibault einen weißen. Doch egal, ob weiß, grün oder in den Farben der amerikanischen Flagge: Unter dem Baum stehen riesige Stapel Geschenke. Denn wenn möglich schenken sich die Amerikaner noch mehr als hierzulande üblich.
Jennifer Thibault und ihr Mann verabreden sich an Weihnachten traditionell mit ihren Familien zum gemeinsamen Online-Videospiel. Andere tun sich in kleinen Gruppen zusammen und kochen - zum Beispiel "ham with potatoes" (Schinkenbraten mit Kartoffeln), während die Kinder es kaum erwarten können, dass der Rentierschlitten endlich an ihrem Haus Station macht.Extra

 Kennt hier kaum jemand: die „deutsche“ Glücksgurke (links). Kennen hier alle: den Christbaum – dieser steht auf der Air Base in Spangdahlem. TV-Foto: Katharina Hammermann/Foto: Deutsch-Amerikanischer Frauenclub

Kennt hier kaum jemand: die „deutsche“ Glücksgurke (links). Kennen hier alle: den Christbaum – dieser steht auf der Air Base in Spangdahlem. TV-Foto: Katharina Hammermann/Foto: Deutsch-Amerikanischer Frauenclub

Es wird erzählt, dass dervermeintlich deutsche Gurkenbrauch diesen Ursprung hat: Der aus Bayern stammende Soldat John Lower geriet angeblich im amerikanischen Bürgerkrieg in Gefangenschaft, erkrankte und bat - den Tod vor Augen - um eine saure Gurke. Weil diese karge Mahlzeit ihm das Leben rettete, hängte er fortan aus Dankbarkeit an Weihnachten eine Gurke in den Baum. kah

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