Wie Faulgas zu Geld wird

Bitburg · Die Stadtwerke Bitburg mischen mit im Sonnenstrom-Geschäft. Auf dem Dach des Betriebsgebäudes der Kläranlage läuft nun die zweite Photovoltaikanlage. Zudem produziert ein Blockheizkraftwerk Strom und Wärme aus Faulgasen. Für die Stadtwerke zahlt sich die Selbstversorger-Kläranlage wirtschaftlich aus.

Bitburg. Während die Stadt Bitburg noch zögert, ob sie auf den Dächern ihrer Gebäude Photovoltaikanlagen bauen soll (siehe Extra), haben die Stadtwerke Nägel mit Köpfen gemacht. In der Kläranlage Ost gibt es inzwischen zwei Sonnenfelder. Dabei ging es den Werken bei weitem nicht um Ökostrom und Umweltschutz, sondern schlicht ums Geld. "Der Ursprung unserer Überlegungen war die Frage, wie wir die Stromkosten der Kläranlage von knapp 70 000 Euro im Jahr gedrückt bekommen", sagt Stadtwerke-Chef Rolf Heckmanns.
Die Idee: Die Kläranlage soll die rund 500 000 Kilowattstunden Strom im Jahr, die für ihren Betrieb nötig sind - das entspricht etwa dem Bedarf von 200 Haushalten -, selbst produzieren und darüber hinaus auch die Wärme herstellen, die für das Heizen des Betriebsgebäudes und des Faulturms benötigt wird. Als das undichte Flachdach des Betriebsgebäudes repariert werden musste, war die Zeit reif, über Photovoltaik nachzudenken. "Das Dach ist exakt nach Süden ausgerichtet und bei der ohnehin nötigen Erneuerung wurde dann auch auf eine ideale Dachneigung von 30 Grad geachtet", sagt Heckmanns.
Der Weg: Auf den Dächern von Betriebs- und Maschinengebäude der Kläranlage wurden zwei Photovoltaikanlagen installiert, die rund 55 000 Kilowattstunden Strom produzieren. Aufgebaut hat die Anlagen eine Gerolsteiner Firma. Die Werke zahlen die Investitionskosten von rund 173 000 Euro über einen Leasingvertrag mit der Bank im Laufe von zwölf Jahren ab. Die Lebensdauer der Anlagen liegt zwischen 20 und 25 Jahren. "Wenn wir die abbezahlt haben, verdienen wir damit richtig Geld", sagt Heckemanns. Aber bereits jetzt machen die Werke mit ihren Sonnenfeldern kleine Gewinne. "Abzüglich der Leasingrate hatten wir mit der ersten Anlage in 2010 einen Reingewinn von rund 4500 Euro", sagt Heckemanns. In weniger sonnenreichen Jahren geht er von 2500 Euro pro Anlage aus. Die zweite Anlage ist nun ebenfalls am Netz.
Die Innovation: Kommenden Monat geht das Blockheizkraftwerk in Vollbetrieb, das aus Gasen im Faulturm der Kläranlage Strom und Wärme gewinnt. Im Faulturm wird der Klärschlamm zersetzt und getrocknet, wobei Gase entstehen. "Nach Pilotversuchen in Zusammenarbeit mit einem Ingenieurbüro haben wir mit der Zugabe von Fetten erreicht, dass die Gasausdünstung verstetigt und gesteigert wird", sagt Heckemanns. Auch ein weiteres Problem galt es zu lösen: Da Faulgase nicht so sauber sind wie Erdgas, müssen für das Kraftwerk schädliche Stoffe wie etwa Schwefel herausgefiltert werden. Deshalb wurde ein Aktivkohlefilter eingebaut. Mit der Wärme werden sowohl der Faulturm wie auch das Betriebsgebäude beheizt. 450 000 Kilowattstunden Strom produziert nun das Kraftwerk, in das die Werke rund 500 000 Euro investiert haben.
Die Resonanz: Die Selbstversorger-Kläranlage gefällt auch in Mainz. "Durch das hohe Engagement der Stadtwerke Bitburg wird hier eine besondere energieeffiziente Kläranlage umgesetzt", sagt Umweltministerin Ulrike Höfken. Das Land fördert das Blockheizkraftwerk mit rund 43 000 Euro. Höfken hält das Projekt für vorbildlich: "Wir müssen anfangen, wie hier in Bitburg, die in den Reststoffen enthaltenen Energiereserven zu nutzen."
Das Ergebnis: Die Kläranlage produziert nun sogar etwas mehr Strom als sie verbraucht, die Stadtwerke sparen Geld und verdienen sogar was dabei. Jenseits der rund 5000 Euro jährlich, die die zwei Sonnendächer bereits jetzt trotz Leasingrate bringen, verweist Heckemanns auf Berechnungen, nach denen das Blockheizkraftwerk jährlich einen Überschuss von gut 9000 Euro beschert.Meinung

Das ist keine Öko-Spinnerei
Das hätte den Stadtwerken mal vor 20 Jahren einer sagen sollen: Vermutlich hätten es alle als umweltromantischen grünen Traum abgetan, dass die Kläranlage mal ihren eigenen Strom produziert - und zwar umweltfreundlich mit Solarenergie und einer nachhaltigen Verwertung der Faulgase. Keine Frage, das machen die Stadtwerke nicht, weil sie ein umweltpolitisches Zeichen setzen wollen. Es geht schlicht darum, angesichts steigender Energiekosten Geld zu sparen. Brennstoffe wie Öl, Gas und Kohle belasten nicht nur die Umwelt, sondern sind endlich, und die Risiken von Atomenergie sind spätestens seit der Katastrophe in Japan unter verschärften Vorzeichen erneut ins Bewusstsein gerückt. Aber grüne Energie hätte sich nie einen Weg bahnen können, wenn sie nicht auch wirtschaftlich rentabel wäre. Bei dem Engagement der Stadtwerke wundert es, dass die Stadt selbst bei der Installation von Solaranlagen so zögert. Wann, wenn nicht jetzt?! d.schommer@volksfreund.deGeeignete Gebäude der Stadt: Von 41 Gebäuden der Stadt Bitburg wären elf für Photovoltaikanlagen geeignet (in Klammern die Größe der geeigneten Dachflächen in Quadratmetern): Eissporthalle (1200), städtischer Bauhof (700), Halle 300 (600), Depotlager der Feuerwehr (350), Kita Zuckerborn (250), Jugendheim Mötsch (230), Umkleidegebäude Stadion Ost (200), Grundschule Nord (200), Friedhofsgebäude Kolmeshöhe (200), Dorfgemeinschaftshäuser in Erdorf (150) und in Matzen (84) sowie die Grundschule Süd (70). Macht zusammen eine Dachfläche von rund 4200 Quadratmetern. Zuletzt hat der Bauausschuss die Beratung vertagt und genauere Informationen zu Finanzierung und Ertrag von Photovoltaik-anlagen gefordert. scho

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