Wiedersehen nach 67 Jahren: Das Ännchen und die Violine

Lauperath/Pronsfeld/Prüm · Eine Zufallsbegegnung im Prümer Krankenhaus - und die Geschichte eines Instruments, die nach fast 70 Jahren ein schönes Ende nimmt: Anna Thielen aus Lauperath fand die Geige wieder, die einmal ihrem Vater gehörte und dann verloren schien.

 Klingt schön, oder? Anna Thielen und Herbert Theis mit der Geige im Prümer Krankenhaus. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Klingt schön, oder? Anna Thielen und Herbert Theis mit der Geige im Prümer Krankenhaus. TV-Foto: Fritz-Peter Linden

Lauperath/Pronsfeld/Prüm. Zwei Eifeler Frauen liegen im Krankenhaus - und daraus wird eine tolle Geschichte: Eine der beiden ist Anna Thielen (91) aus Lauperath. Seit 67 Jahren fragt sie sich, was aus der Violine ihres Vaters geworden ist; Gerhard Loskyll, 1876 geboren, hatte sein Leben lang darauf musiziert und zur Kirmes und anderen Festen aufgespielt. Im Jahr 1946 schenkte er die Geige einem Freund: "Mein Vater war schwer erkrankt," erzählt Anna Thielen. "Und da hat er gesagt: Ehe das Instrument verkommt, verschenk ich\'s lieber. So ein Instrument muss gespielt werden."
Der Freund nahm die Geige an sich, ihr Vater starb noch im gleichen Jahr - und von dem Instrument hörte sie nie wieder. Wenn sie später in der Verwandtschaft oder im Kreis ihrer Bekannten danach fragte, habe es nur geheißen: Die ist bestimmt aus dem Leim gegangen.Die Spur nach Pronsfeld

 Herbert Theis' Onkel Matthias (links) mit befreundeten Musikern im Jahr 1928. Foto: privat

Herbert Theis' Onkel Matthias (links) mit befreundeten Musikern im Jahr 1928. Foto: privat


Geige verschollen, Geschichte zu Ende - "Ich habe sie verloren geglaubt", sagt Anna Thielen. Aber sie habe immer an das Instrument ihres Vaters denken müssen.
Verloren, vorbei? Nicht ganz: Vor einigen Tagen kam die 91-Jährige nach Prüm ins Krankenhaus, wegen einer Operation, die sie inzwischen gut überstanden hat. Ihre Bettnachbarin: Inge Theis aus Pronsfeld, gut 20 Jahre jünger. Und die erhielt dann Besuch von ihrem Ehemann Herbert.
Herbert Theis - "ich bin einer, der auf die Leute zugeht" - kam flott mit Anna Thielen ins Gespräch. Und fragte sie nach ihrer Herkunft und ihrem Mädchennamen. Als der 75-jährige Hobbymusiker dann "Loskyll" hörte, spitzte er die Ohren - und fragte weiter, ob es sich bei ihrem Vater um "Loskylls Gierend", Gerhard also, gehandelt habe. Genau so war\'s - und da, sagt Theis, seien bei ihm "alle Lichter angegangen": Gerhard, das war der Freund seines 1901 geborenen Onkels Matthias Theis, "Posthalter und Gastwirt in Lichtenborn". Da dämmerte es dem Besucher: Das muss genau der Mann gewesen sein, der seinem Onkel Matthias damals die Geige vermacht hatte. Die beiden nämlich, erzählt Theis, "haben immer zusammen die Kirmessen gespielt, im Gasthaus Theis in Lichtenborn".
Fall geklärt, Geige identifiziert - und so kehrte sie noch einmal zu Anna Thielen zurück: Denn kurz darauf kam Herbert Theis wieder im Krankenhaus vorbei - mit dem Instrument und einem Ständchen. Das "Ännchen von Tharau" hat vermutlich selten einem Menschen so viel Freude gemacht wie dem Ännchen von Lauperath, als es das Lied im Krankenzimmer hörte. "Ich habe noch nie eine ältere Dame so glücklich gesehen", sagt Herbert Theis. Und beim Fototermin mit dem TV auf der Station spielt er das Lied dann gleich noch einmal. Anna Thielen strahlt, die anderen Patientinnen im Zimmer applaudieren.
Interessant scheint auch die Biografie des Instruments: Wie es zu ihrem Vater kam, weiß Anna Thielen zwar nicht mehr - nur dass die Geige schon recht alt sein muss. Und dass eines Tages "ein junger Zigeuner" vorbeigekommen sei und gefragt habe, ob er darauf einmal spielen dürfe: "Der hat da was rausgeholt, das haben wir nie mehr erlebt", erinnert sie sich.
Herbert Theis hat etwas mehr herausgefunden: "Ich habe hier noch zwei Briefe, die ein Geigenbauer 1950 geschrieben hat," erzählt er. "Da steht, dass die Geige 150 bis 200 Jahre alt ist." Das heißt, dass sie heute sogar schon mehr als zwei Jahrhunderte lang existieren muss. Und sie wird weiter gepflegt und gespielt, Theis hat sie kürzlich für knapp 700 Euro restaurieren lassen.
"Ich bin glücklich, dass die Violine in guten Händen ist", sagt Anna Thielen. "Da habe ich eine Sorge weniger." Und dann erteilt sie Herbert Theis noch eine Anweisung, in schönster Eifeler Diktion: "Wenn ich mal sterbe, spielt ihr mir in der Kirche noch ein Extraliedchen!" Theis\' Antwort: "Wenn ich dann gesund bin, mach ich das. Aber so, wie ihr ausseht, könnt ihr gut 100 werden." Da ist was dran.

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