Windkraft: Wer darf entscheiden?

Neuerburg · Wer darf bei einer Verbandsgemeinderatssitzung mit darüber abstimmen, wenn es um die Überarbeitung des Flächennutzungsplans für den Bereich Windkraft geht? Welches Ratsmitglied hat vielleicht ein Sonderinteresse, weil es durch die Festlegungen des Plans Vorteile haben könnte? Fragen, die in der Sitzung des VG-Rats Neuerburg kontroverse Diskussionen ausgelöst haben.

Neuerburg. Durch die verschlossene Tür des Sitzungssaals der Neuerburger Verbandsgemeindeverwaltung ist am Donnerstagabend kein Laut zu hören. Die Tür ist aus Glas. Deshalb können die vor dem Saal wartenden Zuschauer des Neuerburger VG-Rats sehen, dass sich die Ratsmitglieder beim Tagesordnungspunkt 6 über die Teilfortschreibung des Flächennutzungsplans im Sitzungssaal buchstäblich die Köpfe heiß reden.
Eine Stunde lang wird die öffentliche Sitzung des VG-Rats unterbrochen und eine nichtöffentliche Beratung eingeschoben. Grund ist ein zuvor gestellter Antrag der Unabhängigen Bürgervereinigung (UBV): Sie will die Entscheidung über die Teilfortschreibung des Flächennutzungsplans vertagen. Es seien noch Rechtsfragen offen.
Da diese Rechtsfragen sich darum drehen, ob bei einzelnen Ratsmitgliedern Gründe vorliegen, diese von der Beratung und Abstimmung bei der Teilfortschreibung des Flächennutzungsplans auszuschließen und die Gemeindeordnung in solchen Fällen eine nichtöffentliche Beratung vorschreibt, schickt Bürgermeister Norbert Schneider die Zuschauer aus dem Saal. Erst nach einer Stunde dürfen sie wiederkommen, dann allerdings geht es schnell: Einstimmig beschließt der Rat, den Flächennutzungsplan für den Teilbereich erneuerbare Energien grundsätzlich fortzuschreiben. Alle Ratsmitglieder stimmen mit.
Klage ist nicht ausgeschlossen


Ob sie dies jedoch durften, bezweifelt die VG-Verwaltung: "Ich setze diesen Beschluss aus und warte auf die Entscheidung der Kommunalaufsicht", erklärt Bürgermeister Schneider am Freitag auf TV-Nachfrage. Es geht um die Frage, ob manche Ratsmitglieder möglicherweise ein Sonderinteresse haben: Ist der Flächennutzungsplan für den Teilbereich Windkraft endgültig fortgeschrieben, legt dieser fest, an welchen Stellen im Neuerburger Land die weißen Riesen gebaut werden dürfen und an welchen Stellen nicht. Und dort, wo sie stehen, fließt Geld - möglicherweise in die Kasse einer Ortsgemeinde, vielleicht auch in die eines privaten Grundstücksbesitzers.Und so vertritt die VG-Verwaltung die Auffassung, dass all jene Ratsmitglieder nicht mit abstimmen durften, die entweder infrage kommende Grundstücke besitzen, Ortsbürgermeister von Gemeinden sind, auf deren Gemeindegrundstücke Windräder gebaut werden könnten oder aber Anteilseigner oder Betreiber von Windkraftanlagen sind. Viele nicht-befangene Ratsmitglieder bleiben da nicht mehr übrig: Von 24 Mandatsträgern dürften demnach nur noch acht mitabstimmen. Natürlich wird die Einschätzung der Verwaltung nicht von allen im Rat geteilt. "Es kann nicht sein, dass Ortsbürgermeister, die in den VG-Rat gewählt wurden und keine Privatinteressen haben, nicht mitabstimmen dürfen", sagt Peter Trauen (UBV), selbst Ortschef von Heilbach. Er will eine Klage ebenso wenig ausschließen wie Paul Lentes (Liste Lentes), Ortsbürgermeister von Mettendorf.
Zunächst aber wollen alle Beteiligten die Entscheidung der Kommunalaufsicht abwarten. Diese will sich kommende Woche an das zuständige Ministerium in Mainz wenden. "Das ist ein Problem, das nicht nur die Verbandsgemeinde Neuerburg betrifft", sagt Gisela Mayer-Schlöder von der Kreisverwaltung.Meinung

Die Dollarzeichen im Blick
Die Änderung der Flächennutzungspläne für den Bereich Windkraft weckt Begehrlichkeiten. Bei Betreibern von Windrädern, die sich die besten Standorte sichern wollen. Bei Grundstücksbesitzern, die daran mitverdienen wollen. Aber auch bei den Gemeinden: Sie sehen darin die seltene Chance, zusätzliches Geld in ihre defizitären Haushaltskassen zu bekommen. Der VG-Rat hat dabei die schwierige Aufgabe, im Flächennutzungsplan die geeignetsten Flächen festzulegen und den Kuchen möglichst gerecht zu verteilen. Dass das Gesetz Ratsmitglieder bei Sonderinteresse von der Abstimmung ausschließt, soll sie vor Konfliktsituationen bewahren. Und Konflikte können eben nicht nur bei Privatinteressen entstehen, sondern auch, wenn es etwa um die Firma geht, in der ich arbeite, um den Verein, in dem ich mich engagiere, oder aber um die Gemeinde, deren gesetzlicher Vertreter ich bin. Bei Abstimmungen mitmachen soll nach dem Gesetz nur der, der einen klaren Blick für das Gemeinwohl hat. Mit Dollarzeichen im Auge jedoch ist dieser Blick getrübt. n.ebner@volksfreund.de

Kommunaler Entschuldungsfond: Bei einer Gegenstimme und vier Enthaltungen hat der VG-Rat am Donnerstag beschlossen, am kommunalen Entschuldungsfonds teilzunehmen. Um den von der VG aufzubringenden Konsolidierungsbetrag von 142 255 Euro jährlich aufzubringen, wird die VG-Umlage ab 2012 um 0,5 Prozentpunkte erhöht.
Kommunalreform: Einstimmig hat der VG-Rat Bürgermeister Schneider beauftragt, unter Beteiligung der Fraktionsvorsitzenden und der Beigeordneten unverzüglich Gespräche mit den benachbarten Verbandsgemeinden sowie den beteiligten Behörden aufzunehmen. neb

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