"Wir schauen nicht weg - wir verzweifeln"

SPEICHER. (cus) Suchtprävention hat Aussicht auf Erfolg, wenn Eltern und Lehrer in ihrem jeweiligen Einflussbereich mit den Kindern intensiv daran arbeiten und auch ihre Vorbildfunktion erfüllen. So lautete der Tenor eines Informationsabends in der St.-Michael-Hauptschule Speicher.

"Wir sammeln täglich Zigarettenkippen und Päckchen ein. Wir schauen nicht weg - wir verzweifeln. Wir versuchen es im Guten, drohen, schreiben Elternbriefe. Aber wir bekommen es nicht in den Griff." Überraschend offen bekannte Konrektor Michael Kardelky typische Probleme, die - wie an vielen anderen Schulen auch - in Speicher zum Alltag gehören. Auf seine Initiative luden Haupt- und Realschule zu einem gemeinsamen Infoabend ein. Hauptschul-Rektor Otto Böcker empfing rund 70 Zuhörer, die sofort ins Geschehen einbezogen wurden. Kreisjugendpflegerin Nadine Fandel streifte mit dem "Sucht-Sack" durch die Reihen. Gäste zogen Gegenstände heraus, die jeweils eine Form von Sucht symbolisierten. Die Palette reichte von Kondomen (Sexsucht) über Karten (Spielsucht) und Werbeblättchen (Kaufsucht) bis hin zu Alkohol und Tabletten. "So wird vielen erst bewusst, wie weit der Begriff Sucht überhaupt reicht", erklärte Fandel. Hubert Lenz, Beauftragter für Jugendsachen bei der Polizeidirektion Wittlich, trug einige ernüchternde Statistiken vor. So hat Deutschland bei den 15-Jährigen international den höchsten Anteil an täglichen Rauchern. Der Arzt Stefan Thielscher erwähnte als typische Folgen von Drogenkonsum und Süchten bei Jugendlichen die Vernachlässigung sonstiger Interessen, die Konzentration auf die Droge und Schulversagen. Solide Erziehung nur im Elternhaus?

Josef Fuchs von der Fachstelle für Suchtprävention bei der Caritas appellierte an die Eltern, sich gegenseitig zu Reaktionen zu ermutigen, wenn sie Fehlverhalten beobachteten. Caritas-Streetworker Elmar Zenner provozierte mit einer umstrittenen These: "Solide Suchtprävention beruht auf einer soliden Erziehung, die nur im Elternhaus geleistet werden kann." Eltern dürften die Verantwortung nicht auf Schule, Vereine, Ausbilder, Sozialarbeiter, Polizei oder Justiz abwälzen. Daraufhin stellten einige Lehrer und Eltern klar, dass Präventionsarbeit in der Schule sehr wohl von großer Bedeutung sei. In Rollenspielen gehe es zum Beispiel darum, das eigene Verhalten zu hinterfragen und Selbstbewusstsein zu vermitteln. "Die Institution Familie schafft es heute nicht mehr allein", sagte eine Pädagogin. Auch Hubert Lenz plädierte für eine enge Zusammenarbeit: "Jugendliche hinterfragen, was ihre Eltern ihnen vermittelt haben. Deshalb sollten Schüler darin bestärkt werden, auf Suchtmittel zu verzichten." Ganz wichtig bei der Erziehung sei die Vereinbarung von Regeln und die Kontrolle ihrer Einhaltung. Darüber hinaus müsse jeder sich seiner Vorbildfunktion bewusst werden, zum Beispiel auch beim Konsumverhalten im Verein. In diesem Zusammenhang monierte eine Schülerin das Rauchverbot auch für über 16-Jährige an der Schule, wenn gleichzeitig Lehr- und Reinigungskräfte rauchen dürfen. Karin Moutin, Vertretungskraft an der Hauptschule, moderierte zum Abschluss einen kurzen Vortrag von Schüler Sascha Niersbach (15) aus Hersdorf an, der sich mit Problemen Heranwachsender beschäftigte. Das Theater "Zankbude" zeigt am Freitag, 26. März, um 20 Uhr in der Aula der Hauptschule Speicher das Stück "Junkie". Das moderne Drama in drei Akten von Inge Debelt handelt von der tragischen Drogenkarriere eines jungen Mannes. Der Eintritt ist frei, eine Spende ist erwünscht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort