Regionalentwicklung Wo Berlin von Bitburg lernt

Bitburg/Berlin · Der „Zukunfts-Check-Dorf“ könnte bald bundesweit Schule machen. Denn Landrat Joachim Streit stellt das Projekt heute beim Demografiekongress in Berlin vor. Wie es dazu kam und was das für den Kreis bedeutet.

In mächtiger Gesellschaft: Andrea Nahles hat schon beim Demografiekongress gesprochen, Horst Seehofer ist dieses Jahr dran – und Landrat Joachim Streit.

Foto: Kreisverwaltung Bitburg-Prüm

Peter Altmeier war schon da, Andrea Nahles und Thomas de Maizière auch. Die Liste der Referenten beim Demografiekongress in Berlin ist jedes Jahr lang. Wie immer sind auch 2018 bekannte Namen dabei. Vom ehemaligen Gesundheitsminister und heutigen Manager Daniel Bahr bis zum Innenminister Horst Seehofer.

Das WISO Institut für Wirtschaft und Soziales hat Vertreter von Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Sozialverbänden aus der ganzen Republik in ein Berliner Hotel eingeladen. Dort werden sie über den demografische Wandel und die Chancen und Risiken der Digitalisierung diskutieren. Dass heute auch Joachim Streit, der Landrat des Eifelkreises, auf dem Kongress sprechen darf, hat er einem Zufall zu verdanken und einer guten Idee.

Eigentlich, sagt Streit, sei er nur als Hörer angemeldet gewesen. Er wollte von Berlin Impulse mit nach Bitburg nehmen. Nun wird es andersherum laufen. Denn ein Referent sei überraschend ausgefallen. So wurde der Platz für den Landrat frei. Bewerben musste er sich als Referent nicht. Die Tagungsordnung sei auf ihn zugekommen, sagt Streit.

Vorstellen soll der Chef der Kreisverwaltung den „Zukunfts-Check-Dorf“. 15 Minuten hat er dafür Zeit, seinen Zuhörern das Projekt in einer Powerpoint-Präsentation näherzubringen. Wir versuchen es mit noch weniger Worten: Seit sechs Jahren gibt es die Initiative des Kreises, die Landrat Streit gerne „eine Bürgerbewegung“ nennt. Bislang haben rund um Bitburg und Prüm 170 von 234 Gemeinden am Zukunfts-Check teilgenommen.

Zu Anfang gibt es in jeder Gemeinde eine Auftaktveranstaltung bei der alle, die sich im Ort engagieren wollen, an einen Tisch gebracht werden. Dort diskutieren sie unter einer Moderation über Stärken und Schwächen des Ortes. Wie bekommt man einen Laden ins Dorf, was kann man für Senioren tun, wie kommt wieder Leben in Baubrachen? Das alles sind Fragen, denen sich Arbeitsgruppen annehmen. Am Ende steht ein Katalog mit Maßnahmen, der Stück für Stück, Jahr um Jahr, abgearbeitet wird.

Dabei „erleben alle teilnehmenden Ortsgemeinden ihre ganz eigenen kleinen und großen Erfolgsgeschichten“, sagt ein Sprecher der Kreisverwaltung.

Ein paar Beispiele gefällig? Die Gemeinde Lasel in der Verbandsgemeinde Prüm hat für Senioren einen Mittagstisch eingerichtet, der Ort Üttfeld organisiert seit der Teilnahme am Zukunfts-Check einen Spieleabend für Jugendliche. Der Bitburger Stadtteil Erdorf schafft sich einen Mehrgenerationenplatz, die Gemeinde Nasingen eine „neue Dorfmitte“. Die Liste ließe sich um Hunderte Beispiele fortsetzen.

Dahinter steckt ein „Erfolgsrezept“, das Landrat Streit gern erklärt: „Die Ideen sind Eigengewächse der Arbeitsgruppen vor Ort.“ Daher hätten sie eine hohe Akzeptanz bei den Einwohnern. Außerdem kostet der „Zukunfts-Check“ die Gemeinden meist nur zehn Prozent eines herkömmlichen Dorferneuerungskonzeptes. Im Schnitt sind das rund 1050 Euro.

Die Wirkung sei aber dieselbe und öffentliche Zuschüsse gebe es auch. Insgesamt fasst Streit zusammen: „Mehr als 50 000 Menschen sind aufgerufen, sich zu beteiligen. Das ist die größte Bürgerbeteiligung im Landkreis, die es je gegeben hat.“

Und wegen all dieser Vorzüge soll das Eifeler Projekt nun wohl Schule machen. Es gebe landesweites Interesse anderer Kreise, sagt ein Sprecher der Verwaltung. Bei den Nachbarn in Bernkastel-Wittlich sei der „Zukunfts-Check“ bereits in Arbeit. Es gebe sogar schon einen Förderbescheid des Landes. Für weitere rheinland-pfälzische Kreise werde derzeit geprüft, ob die Initiative für sie Sinn macht.

Heute soll das Projekt zum ersten Mal bundesweit vorgestellt werden. Denn darum gehe es laut einem Verwaltungssprecher beim Demografiekongress in der Hauptstadt: „Übertragbare Ansätze schaffen, das Gute übernehmen, ohne selbst Forschungskosten zu produzieren.“

Unabhängig davon, ob der Zukunfts-Check bald Schule in anderen Bundesländern macht, ist die Einladung zum Kongress eine Adelung für jene, die das Projekt entwickelt haben. Darunter auch Landrat Streit, der sagt: „Der Eifelkreis ist Geburtsort des Zukunfts-Checks Dorf. Welche Eltern wären nicht stolz, auf so ein prächtiges Kind?“