Zehn Brillen, viel Latein, wenig Schlaf

HALLSCHLAG. Die Schriftstellerin Martina Kempff, die in Hallschlag in der Eifel lebt, hat einen neuen historischen Roman geschrieben. In "Die Beutefrau" erzählt sie die Geschichte Gerswinds, die als Geisel an den Hof Karls des Großen kommt und dort später seine Geliebte wird. Ein Roman, der viel Lokalkolorit bietet.

Die Sonnenblumen schaukeln leicht im Wind. Gegenüber auf dem Berg dreht sich langsam ein Windrad. Mit diesem Blick vor Augen schrieb Schriftstellerin Martina Kempff einen weiteren historischen Roman. "Die Beutefrau" heißt das Buch, das am Donnerstag im Piper Verlag erscheint. Er handelt von Gerswind, der letzten Geliebten Karls des Großen (siehe Hintergrund) und spielt zum Teil wieder in der Eifel. Die Autorin fühlt sich wohl in ihrem Holzhaus in Hallschlag. Früher reiste die erfolgreiche Journalistin viel in der Welt herum, lebte lange Zeit in Griechenland, Amsterdam und Berlin. Heute sagt sie: "Ich bin angekommen. Ich denke, dass ich in der Eifel bleiben werde." Obwohl sie nun ein völlig anderes Leben führe als zuvor, merke sie, dass tief in ihr drin eine große Liebe zur Natur vorhanden sei.Anachronismen sind ihr ein Gräuel

Genau wie bei ihrer Hauptperson Gerswind, Kempffs liebster Roman-Figur. Bei ihr hatte die Schriftstellerin auch weitestgehend freie Hand. Es gibt nur wenige Quellen, die etwas über sie erzählen. Kempff, die als Journalistin Recherchieren von der Pike auf gelernt hat, konnte also ihrer Fantasie freien Lauf lassen. Obwohl sie immer darauf Wert legt, so zu schreiben, wie es hätte sein können. Anachronismen sind ihr ein Gräuel. Bereits für "Die Königsmacherin" hatte sie 30 Fachbücher gelesen, Doktorarbeiten und Abhandlungen, die zum Teil "so schwer zu lesen waren, dass mir der Kopf brummte" (Kempff). Um zu erfahren, wie es beispielsweise in einem Nonnenkloster aussieht, hat sie sich ein Buch einer Nonne aus dem achten Jahrhundert bestellt. Das Buch kam prompt, war sehr teuer - und der Text ausschließlich in Latein geschrieben. "Ich habe zwar das große Latinum, aber das war dann doch sehr mühsam", sagt die Autorin und lacht, wobei ihre dunkelgrünen Augen blitzen. Es ist ihr wichtig, dass Fakten und Atmosphäre stimmen. Beschwerden von Historikern habe sie noch nicht bekommen. "Ich sehe mich wie einen umgekehrten Jules Verne", sagt sie, "der hat damals Entwicklungen vorausgesehen, die später eingetroffen sind. Ich versuche zu schreiben, wie es damals hätte sein können." Das Schreiben historischer Romane sei mit der Arbeit eines Archäologen vergleichbar. Während dieser zum Beispiel aus Scherben einen Topf rekonstruiere, verbinde sie Fakten zu einem Gerüst. So sieht sich Kempff als autodidaktische Mittelalterexpertin. In einer Diskussionsrunden mit studierten Historikern konnte sie "voll mithalten", erzählt sie amüsiert und rückt eine ihrer zehn (!) roten Lesebrillen auf der Nase zurecht. " Ich habe so viele, damit ich auch eine finde, wenn ich eine brauche." Ihr Arbeitsalltag gestaltet sich anfangs noch recht mühsam. "Ich bin erst recht undiszipliniert", gesteht sie. Das ginge 20 bis 30 Seiten so, bis sie im Buch "drin sei". Dann gebe es kein Halten mehr. Sie schreibe hintereinander die Seiten weg, bis ihr die Augen brennen, in der Angst, am nächsten Morgen könnte der Gedanke weg sein. "Es ist ein Jammer, dass man überhaupt schlafen gehen muss", sagt sie. Nebenbei übersetzt die 56-Jährige, die vier Sprachen spricht, noch Bücher ins Deutsche. Zur Entspannung geht sie spazieren, ist im Winter auch gerne mit den Langlaufskiern unterwegs oder zieht im Sommer ein paar Bahnen durch den großen Forellen-Teich vor ihrem Haus. "Die Beutefrau" ist das zweite Buch der geplanten Triologie über berühmte Karolingerfrauen. Das nächste Buch ist schon geplant und die ersten Seiten sind geschrieben. Es geht um den Zerfall des Reiches. Auch Kaiser Lothar, der in Prüm eine große Rolle spielt, wird in diesem Buch vorkommen. Lesungen mit Martina Kempff: 20. September, 20.30 Uhr, im Artbistro in Stadtkyll (Eintritt: 6 Euro), erste Lesung in der Eifel nach der Buchvorstellung am in Aachen. 6. Oktober, 20 Uhr, in der Buchhandlung Logos in Bitburg. 14. Oktober bei der "Haus- und Hofkultur" in Jünkerath; 19. November, 15 Uhr, in der Kapelle in Krewinkel/Belgien.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort