Zeile für Zeile spannende Kirchengeschichte

Unglaublich, aber wahr: Karl Heinrich Theisen, bis 1972 letzter hauptamtlicher Stadtbürgermeister von Prüm, hat sich seinen vierten Doktor-Titel erarbeitet. Damit überflügelt der 72-Jährige sogar Nikolaus Doeser, sein Vorbild und Thema seiner jüngsten Dissertation.

 In seiner vierten Doktorarbeit beschäftigt sich Karl Heinrich Theisen (oben links) mit Nikolaus Doeser, einem Kirchenrechtler, der im 15. Jahrhundert lebte. Fotos: privat

In seiner vierten Doktorarbeit beschäftigt sich Karl Heinrich Theisen (oben links) mit Nikolaus Doeser, einem Kirchenrechtler, der im 15. Jahrhundert lebte. Fotos: privat

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Prüm/Winringen/Rom. (red) Karl Heinrich Theisens Forscherdrang scheint unersättlich. Dabei hat es dem gebürtigen Polcher (Kreis Mayen-Koblenz) besonders die Geschichte Prüms angetan. Kein Wunder: Von 1965 bis 1972 führte er die Amtsgeschäfte als Bürgermeister der Abteistadt.Zu diesem Zeitpunkt hatte er schon die Grundlage für seine spätere akademische Laufbahn gelegt mit einem Jura-Studium an der Uni Bonn und zwei juristischen Staatsprüfungen. Nach seinem Ausscheiden aus dem Bürgermeisteramt im Zuge der Verwaltungsreform studierte Theisen an der Ludwig-Maximilians-Universität München Philosophie, Katholische Theologie und Kirchenrecht.1982 folgte seine erste Promotion zum Dr. jur.Doch das war erst der Anfang einer durch jahrzehntelange Forschungsarbeit erworbenen Titelsammlung. "Untersuchungen und Materialien zur Geschichte, Organisation und Verwaltung des Liebfrauenstifts und der Pfarrei Prüm 1016 bis 1802": Diese Dissertation machte Theisen zum Dr. phil. Mit seiner kirchenrechtlichen Arbeit über "Gewohnheiten und Statuten" des Liebfrauenstifts promovierte er an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg zum Dr. theol.Vorläufiger Höhepunkt seiner akademischen Laufbahn: die Promotion zum Dr. iur. can. an der päpstlichen Università Pontificia Salesiana in Rom. In seiner vierten Doktorarbeit beschäftigte sich Theisen mit Nikolaus Doeser, einem bedeutenden rheinisch-moselländischen Kirchenrechtler des 15. Jahrhunderts. Nach seinem Geburtsort wurde er auch Nikolaus von Winringen (bei Prüm) oder Nikolaus von Prüm genannt. 1425 hatte er Kanonikat (Anstellung), Präbende (Unterhaltsleistung) und Scholasterei (Stiftsschule) des Liebfrauenstifts Prüm inne, war ständiger Vikar der Altäre St. Maria in der Kollegiatkirche St. Kastor in Karden und der heiligen Maria in Lehmen sowie Pfarrer der Pfarrkirche in Lissendorf. 1426 wechselte Doeser als Professor von Köln nach Löwen bei Brüssel. 1435 war er Offizial und Generalvikar des Erzbischofs Ulrich von Manderscheid, außerdem Richter auf der Burg Ehrenbreitstein in Koblenz.Drei Doktortitel trug Doeser — einen weniger als Karl Heinrich Theisen heute.Was treibt diesen Mann an? Anruf beim Prümer Ex-Bürgermeister im bayerischen Rottach-Egern: "Ich bin gerade dabei, Urkundenbücher über das Prümer Stift zusammenzutragen", berichtet der nimmermüde Wissenschaftler. Aktuell kämpft er sich durch die Dokumente zum Streit um einen Dechantenposten im 16. Jahrhundert: "Damals wurden alle möglichen Leute bemüht, um einen Kandidaten durchzusetzen, vom Fürst bis zum Kaiser. Das ist hochinteressant."Theisen nimmt sich viel Zeit, um historische Schriften zu lesen und hunderte von Seiten Zeile für Zeile verständlich zu übertragen. Dabei gilt es viele lateinische Abkürzungen richtig zu deuten. Die Ergebnisse, die erstmals in dieser Ausführlichkeit die Entwicklung des Stifts nachvollziehbar machen, können später als Grundlage für Forschungen anderer Historiker dienen. Theisens Faszination scheint ungebrochen: "Das ist die alte Geschichte des Prümer Lands." Wenn auch Sie eine historische Anekdote kennen, den Namen eines Hauses oder einer Straße erklären können oder zu einem historischen Ereignis eine persönliche Geschichte zu erzählen haben, dann schreiben Sie unter dem Stichwort "Dorfgeschichten" mit Namen, Adresse und Telefonnummer an die E-Mail-Adresse eifel@volksfreund.de. Wichtig ist, dass Ihre Geschichte höchstens 2000 Anschläge umfasst.

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