Zeit für Ehrlichkeit

Im Kreis Bitburg-Prüm wird es in einigen Jahren noch weniger Menschen geben als heute. Das betroffene Schweigen der meisten Ortsbürgermeister angesichts dieser Prognose zeigt, dass die demografische Entwicklung bisher von vielen als ein Problem wahrgenommen wurde, das die sozialen Sicherungssysteme der Bundesrepublik bedroht und damit etwas war, worüber sich Politiker in Berlin die Köpfe zerbrachen. Seit Mittwoch muss jedoch jedem klar sein, dass es viele kommunale Einrichtungen in einigen Jahren nicht mehr geben wird. Zum einen werden die Nutzer fehlen, zum anderen das Geld zu ihrer Erhaltung. Leere Kindergärten und Schulen, kaum frequentierte Gemeindehäuser und Schwimmbäder sind leider kein Horrorszenario, sondern ein realistisches Zukunftsbild. Und das ist nicht alles: Sieht man einmal von Bitburg und Prüm und ihrem näheren Umland sowie dem Grenzbereich zu Luxemburg ab, dürfte so manches Neubaugebiet, das Papier nicht wert sein, auf dem es gezeichnet ist. Man wird vielerorts froh sein können, wenn wenigstens in den Ortskernen noch ein paar ältere Menschen leben. Es ist bitter nötig, ein lokales Bewusstsein für diese Entwicklung zu schaffen. Zugleich muss man jedoch befürchten, dass die Debatte über mögliche Konsequenzen daraus nur zögerlich anläuft. Vor der Kommunalwahl im nächsten Jahr wird kaum jemand die Schließung von Schulen, Kindergärten oder Schwimmbädern offen ansprechen wollen, obwohl klar ist, dass all das längst auf der Tagesordnung stehen müsste. Spätestens im Juli muss die Zeit der Ehrlichkeit anbrechen und jenseits des eigenen Kirchturms über die Zusammenlegung kommunaler Einrichtungen gesprochen werden. Nur ein Abbau bestimmter Angebote kann in den Dörfern, die überhaupt überlebensfähig sind, die Luft für Dinge schaffen, die eine gealterte Gesellschaft tatsächlich braucht - und das sind weder Kindergärten noch Neubaugebiete. l.ross@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort