Zerstörte Seelen und betroffene Zuhörer

Bitburg · Zu welchen körperlichen und auch nachhaltigen psychischen Folgen Gewalt gegen Kinder führen kann, darüber haben Experten am Freitagabend in Bitburg referiert. Veranstalter war der Verein Kinderschutz Eifelkreis.

Bitburg. Für die Veranstalter ist es ein guter Abend. Weil dieser Abend damit beginnt, dass zunächst noch jede Menge Stühle herbeigeschafft werden müssen. "Wir haben im Vorfeld so mit 50 bis 60 Anmeldungen gerechnet", sagt Paul Ewen, Vorsitzender des Vereins Kinderschutz Eifelkreis. "Jetzt haben wir 120 Stühle im Raum", fügt er hinzu.
Einer dieser Stühle ist der von Monika Krause. Als Chefärztin der Kinderchirurgie im Trierer Mutterhaus sieht sie viele Verletzungen. Die meisten davon sind Folgen von Unfällen und Unachtsamkeit. Doch längst nicht alle - was auch der Grund für die Teilnahme der Ärztin am Gesprächsforum "Gewalt - Trauma für die Seele des Kindes" in der Volksbank Bitburg ist.
Krause zeigt Röntgenfotos. Gebrochene Arme von Babys, die nach Aussage der Eltern vom Wickeltisch gefallen sind. Brandverletzungen von Kindern, die keinen Zweifel daran lassen, dass es sich dabei nicht um einen Unfall gehandelt haben kann. Aber auch Statistiken, die zeigen, wie viele Fälle sich nicht zweifelsfrei zuordnen lassen.
Auch Alexander Marcus kennt das Dilemma der Ungewissheit. Er ist Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Mutterhaus und ebenfalls, genau wie Diplom-Psychologin Heide Schmidtmann, Teilnehmer des von TV-Redakteur Dieter Lintz moderierten Gesprächsforums. Chefarzt Marcus liefert Einblicke in seine Arbeit, erklärt anhand von Fällen die unterschiedlichen Facetten von Gewalt gegen Kinder und erläutert, zu welchen psychischen Störungen und Erkrankungen diese führen können.
Wie die Referenten erklären, seien es aber nicht nur physische Handlungen, die Schäden hinterließen. So entstünden Traumata bei Kindern in vielen Fällen durch Vernachlässigung oder aber dadurch, dass die Kinder in einem gewaltsamen oder nicht intakten Familienumfeld aufwüchsen.Extra

Alexander Marcus (Chefarzt der Kinderpsychiatrie): "Wir haben mittlerweile die Entwicklung, dass Eltern gewalttätig werden, weil sie von ihren Kindern beim Spielen am Computer gestört werden." Monika Krause (Chefärztin der Kinderchirurgie im Mutterhaus): "Bei Kindern sind zehn Prozent aller Frakturen die Folge von Misshandlung. Im Säuglingsalter ist es sogar jede zweite Fraktur." Heide Schmidtmann (Diplom-Psychologin des Caritasverbands Westeifel): "Kinder, die misshandelt worden sind, müssen sich laut Fachliteratur acht bis zehn Mal jemanden anvertrauen, bis ein Anlauf erfolgreich ist." Paul Ewen (Vorsitzender des Vereins Kinderschutz Eifelkreis): "Es ist ein Leichtes, einem Kind mit neun Jahren ein Smartphone zu schenken und ihm einen uneingeschränkten Internetzugang einzurichten." Dieter Lintz (TV-Redakteur und Moderator): "Wir haben hier heute Abend gemerkt, dass es kein Patentrezept gibt. Aber auch, dass es nichts Falscheres gibt, als im Verdachtsfall gar nichts zu machen." uheExtra

Ein Phänomen, auf das der Chefarzt der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Mutterhaus in Trier, Alexander Marcus, bei seinem Vortrag näher eingeht, ist das sogenannte Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom, bei dem meist ein Elternteil selbst unter einer psychischen Störung leidet und infolgedessen sein Kind misshandelt. Und zwar derart, dass Krankheiten bei Kindern oder deren Symptome nur erfunden, vorgetäuscht oder aber tatsächlich verursacht werden, um dieses Kind dann einer medizinischen Behandlung zu unterziehen. Eine subtile Form der Misshandlung, wie der Psychologe Marcus ausführt, die im schlimmsten Fall sogar zum Tod des Kindes führen kann. uhe

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