Zivilcourage als Waffe gegen Rechtsextremismus

Ob in der Bitburger Stadthalle oder beim Schulaktionstag im St.-Willibrord-Gymnasium: Die Suche nach den Ursachen des Rechtsextremismus in Deutschland und Europa beschäftigt Experten, Schüler und Politiker. Veranstalter des Landespräventionstags ist das Ministerium des Innern und für Sport, Leitstelle Kriminalprävention.

Bitburg. (now) "Ich erzähle Ihnen eine Geschichte und hoffe, dass Sie niemals Ähnliches erleben müssen", sagt Heinz Kahn. Der 88-jährige Zeitzeuge der Judenverfolgungen im Nationalsozialismus erzählt von seinem Leidensweg. Als einziger seiner Familie hat er den Holocaust überlebt und sieht seine Aufgabe darin, seine Erfahrungen an junge Menschen weiterzugeben. Bedrückende Stille herrscht unter den Schülern des Gymnasiums, als Kahn seinen alten Judenstern aus der Brieftasche zieht und erklärt, wie er an der Arbeitskleidung anzubringen war. "Es begann recht harmlos - wir haben alle nicht geglaubt, dass es so schlimm enden würde", sagt der Vorsitzende der jüdischen Kulturgemeinde Koblenz.

Dass der Rassismus keineswegs ein harmloses Randphänomen ist, berichtet der Berliner Journalist Klaus Farin: "Europaweit trägt jeder Dritte rassistisches Gedankengut in sich. Das führt zum Beispiel zu dem Phänomen, dass jemand HipHop hört - also ,schwarze Musik', aber dennoch fremdenfeindlich eingestellt ist", sagt der Jugendkultur-Experte.

Parolen, wie "Ausländer nehmen uns die Arbeit weg" seien längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen, bestätigt Hans-Jürgen Ladinek, Beauftragter für Jugendsachen des Polizeipräsidiums Rheinpfalz, beim Landespräventionstag in der Bitburger Stadthalle. Er bietet Argumentationstraining gegen Stammtischparolen an: "Denen kann man nur mit sinnvollen Gegenargumenten begegnen. Wir brauchen Menschen, die den Mut dazu aufbringen. Menschen mit Zivilcourage." Der Reformpädagoge Otto Herz, der nach dem Amoklauf von Winnenden die Eltern der ermordeten Schüler betreute, schreibt das Wort anders: Civilcourage. "Denn zivil ist das Gegenteil von militärisch. Und ein Gegenteil empfinde ich als negativ befrachtet."

"Unterschiede stärken und machen weltoffen"



Seine Worte zur "Civilcourage" kommen bei den Schülern des St.-Willibrord-Gymnasiums gut an, es entwickelt sich eine lebhafte Diskussion. "Ich rede oft in Schulen, in denen teilweise 32 Nationen vertreten sind. Das ist hier in der Region natürlich nicht der Fall. Aber: Unterschiede stärken und machen weltoffen", sagt er.

Schulleiter Kurt Metrich ist mit der Veranstaltung in seiner Schule sehr zufrieden. Tendenzen zu einer steigenden Toleranz rechten Gedankenguts, hat er in seiner Schule nicht bemerkt. "Ich bin in dieser Sache sehr empfindlich", sagt er, "wir gehen auf die Schüler ein - das Thema Rechtsextremismus wird sehr oft im Unterricht angesprochen."

Auch für Justizminister Heinz Georg Bamberger ist das ein Thema. "Die Schule hat das Ministerium vorbildlich in der Planung des Präventionstages unterstützt", sagt er. "Ich will die Jugendlichen vor allen Dingen für die Überzeugung gewinnen, dass es wert ist, sich für ein Land einzusetzen, in dem seit mehr als 60 Jahren Frieden herrscht."

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