Zwei volle Ordner über die Machtergreifung

Bitburg-Mötsch/Wolsfeld · "Wie war es möglich? Hitlers Machtergreifung in Bitburg und Umgebung" - so hat der Titel eines Vortrags von Peter Schaefer im Mötscher Wasserturm gelautet. Der Wolsfelder Hobbyhistoriker präsentierte lokale Presseveröffentlichungen aus dem Jahr 1933, um die Stimmung in der Bevölkerung wiederzugeben.

Bitburg-Mötsch/Wolsfeld. "Ich war gepackt." Zwei volle Ordner mit Zeitungsausschnitten aus der Zeit von Hitlers "Machtergreifung" hat Peter Schaefer gesammelt. Bei der Lektüre der Bitburger Zeitung, der Trierischen Landeszeitung und des Trierer Nationalblattes erfuhr er, wie Schlagworte schon früh die Öffentlichkeit im Sinne der Partei prägten. Daher wählte er für die Veranstaltung der Kulturgemeinschaft und der Reservistenkameradschaft absichtlich provokativ den Titel "Hitlers Machtergreifung in Bitburg und Umgebung".
Der Speicherer Gemeinderat ernannte Hitler am 6. April 1933 zum Ehrenbürger, in Trier war es am 10. April so weit. Auf der Ehrenbürgerurkunde der segnende Jesus. "Das war schlimm", beurteilt Schaefer die religiöse Verquickung. Ein Leser-Gedicht aus der Bitburger Zeitung gipfelt in den Worten: "Es war der Volksheld Hitler, den uns hat Gott gesandt." Im Juli 1932 wählten in Bitburg rund 30 Prozent der Wahlberechtigten die NSDAP. Ein eher mäßiges Ergebnis. Die Eifel galt als "schwarz". Der Anteil der katholischen Bevölkerung lag um die 90 Prozent. Schaefers Materialsammlung zeigt, wie sich die Partei mit jedem kleinen lokalpolitischen Erfolg im Trierer Nationalblatt brüstete. Dieser Parteizeitung entnimmt Schaefer, dass die Ortsgruppe Schönecken besonders ehrgeizig war. Eine aktive Zelle habe es auch in Dudeldorf gegeben. Doch gab es dort auch einen mutigen Pfarrer, der die SA am Volkstrauertag aus seiner Kirche verwies, weil sie geschlossen in Uniform aufmarschierte.
Ganz im Bann der nationalsozialistischen Ideologie spielte sich die Gründung der BDM-Gruppe in Speicher ab. Singend marschierten die jungen Frauen durch den Ort: "Wir sind Hitlers Sturmkolonne". 300 Mitglieder von SA und HJ empfingen sie. Weitere Zeitungsberichte vermelden eine antikommunistische Razzia in Bollendorf, das Pflanzen einer Hitler-Eiche am Nationalfeiertag in Bitburg, den Ausschluss von Juden aus dem Bitburger Turnverein und einen Propagandazug in Neuerburg.
Vor 50 Zuhörern vermeidet Schaefer es, Personen, die mit dem Regime sympathisierten, identifizierbar zu machen. Es geht ihm nicht um die Schuldfrage. sys
Schaefer:

Extra

.... Peter Schaefer. Er ist Hobbyhistoriker und lebt in Wolsfeld. Wie haben Sie recherchiert? Schaefer: Ich habe einen Arbeitskreis gegründet und mich mit Zeitzeugen unterhalten. Der älteste Zeuge ist Matthias Becker aus Wolsfeld mit 90 Jahren. Er hat ein enormes Gedächtnis. Dann habe ich im Kreismuseum die Bitburger Zeitung aus den Jahren 1933 bis 1941 studiert und mir Hintergrundinformationen besorgt, vor allem aus dem Buch "Hitler" von Ian Kershaw. Woher kam Ihr Interesse an dem Thema? Schaefer: Seit 2000 beschäftige ich mich intensiv mit dem Thema Nationalsozialismus im Bitburger Raum. Den Anstoß gaben meine Recherchen für die Ortschronik Wolsfeld. Wie beurteilen Sie das Verhalten der Menschen dieser Zeit? Schaefer: Ohne die Umstände dieser Zeit zu kennen, ist es sehr schwer, ein Urteil abzugeben. Mein Grundsatz ist, nicht jeder wird als Held geboren und die Menschen früher waren nicht besser und nicht schlechter als wir heute. Es ist sehr schwer, eine Zeit im Rückblick, wo man alles besser weiß, zu beurteilen. sys

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