Absprung über der Eifel: TV-Reporterin rast mit 200 Stundenkilometern gen Erdboden (Video)

Bitburg · Du meine Güte! Ich habe es getan. Aus einer Höhe von 3500 Metern bin ich aus einem Flugzeug gesprungen und wie ein Adler auf Bitburg hinuntergestürzt. Und das mit Höhenangst. Wie sich das anfühlt? Lesen Sie selbst...

Das Motorengeräusch der Cessna 182 ist ohrenbetäubend. Es knarrt, wackelt und ächzt in jeder Ecke der kleinen Propellermaschine. Der Flugplatz Bitburg wird kleiner, der blaue Himmel kommt immer näher. Mein Herz schlägt bis zum Hals. Die Beine fühlen sich wie Wackelpudding an. Was mache ich hier bloß? Als nach 20 Minuten die Tür des Fliegers aufgeht und mir der kalte Wind ins Gesicht peitscht, erinnere ich mich: Ich werde gleich aus diesem Flugzeug springen. 3500 Meter über Bitburg. Und mit 200 Stundenkilometern gen Erdboden rasen…

Ich kralle mich am Türrahmen der Cessna fest, entschlossen, dem Mann hinter mir Widerstand zu leisten und mich nicht aus dem Flieger schubsen zu lassen. Doch mit einem Ruck und einem schrillen Schrei sind wir draußen - und fallen.
Eine Stunde zuvor: Jeder, der schon einmal Fallschirm gesprungen ist, weiß, dass man dieses Erlebnis nicht mit Worten beschreiben kann. "Jeder Sprung ist anders und nicht vorsehbar", erklärt mir Bernd Pohl. Der Inhaber der "Firebird Skydiving"-Schule am Flugplatz Bitburg springt seit über 30 Jahren. Nach seiner Zeit bei den Fallschirmjägern machte er sein Hobby zum Beruf. "Was kann es Schöneres geben?", sagt er strahlend.

Die Sonne strahlt ebenfalls. Das sollte ich auch. Doch meine Stimmung ist im Keller. Wer hätte ahnen können, dass nach meiner ersten Kontaktaufnahme mit Pohl bis zu meinem Sprung nur drei Tage vergehen würden? Das ging schnell. Zu schnell. Insgeheim hatte ich gehofft, dass er mir sagt, dass ihm die ganze Sache zu spontan wäre. Aber für den Ex-Militär ist das kein Problem. Für mich schon. Denn ich habe Höhenangst. Er schaut mich mit seinen freundlichen Augen an, erklärt mir ganz ruhig, dass ein Mensch nur Höhenangst haben kann, wenn er Kontakt zum Boden hat. "Hier befindest du dich aber im freien Fall." Ich verziehe das Gesicht. "Glaub mir. Nach deiner Landung wirst du direkt wieder abheben wollen", versichert er mir. Ich werde immer nervöser. Laufe hin und her.

Erst 40 Minuten vor meinem Sprung lerne ich den Mann kennen mit dem ich mich in die Tiefe stürzen werde. Er heißt Andreas "Andy" Valentin, ist 53 Jahre alt, kommt aus dem Saarland und ist äußerst gut gelaunt. Er kann es kaum erwarten, mit mir aus 3500 Metern Höhe zu stürzen - und die Verantwortung für mein Leben zu übernehmen. Mit über 30 Jahren Erfahrung und 5000 Sprüngen ist Andy ein Profi. Hört sich gut an. Meine Aufregung steigt aber weiterhin. Ich versuche mich zwar von seiner ausgelassenen Stimmung anstecken zu lassen, aber der Funke springt nicht über. Ich habe Angst.

Als mir Bernd Pohl den Anmeldezettel hinlegt und ich ihn mir durchlese, muss ich schlucken: "Bei der Landung kann es zu Verstauchungen oder Knochenbrüchen kommen". Über eventuelle Verletzungen im Falle eines Sturzes habe ich mir keine Gedanken gemacht. Oder das sich der Hauptfallschirm nicht öffnen könnte. Ich schaue ängstlich zu meinem Freund hinüber, der eine Zigarette im Mund hat. "Seit wann rauchst du?", frage ich entsetzt. "Habe gerade damit angefangen." Seine Hände zittern. Meine auch.

Ich bewege mich ganz langsam und unauffällig in Richtung Ausgang. Vielleicht merkt niemand, wenn ich verschwinde. "Yo, Mädel! Schlüpf mal in den Anzug, ich schnalle dich dann gleich fest", höre ich Andy vom anderen Ende der Halle rüberrufen. Ertappt. Ich drehe mich widerwillig um. Seine lockere Art macht es leicht, Vertrauen zu ihm zu fassen. Verflucht. In Zeitlupe schlüpfe ich in den Anzug. Andy zerrt und rüttelt an mir, befestigt mir das Hängegurtzeug um Oberschenkel und Oberkörper.

Dann kommt die Einweisung für den Sprung: beim freien Fall Hohlkreuz, Kopf in den Nacken, Arme im rechten Winkel neben dem Kopf, Beine nach hinten und Fersen am Gesäß.

"Du solltest nach dem Sprung den Mund nicht zu weit aufreißen, ansonsten platzt dir der Kopf", warnt er mich. Mir stockt der Atem, meine Augen sind weit aufgerissen. Plötzlich fängt Andy an zu lachen. Dieser fremde Mann, den ich vor wenigen Minuten getroffen habe, hat meine Furcht bemerkt. Mit einer munteren Fragerunde und seinen Späßchen hat er die ganze Zeit versucht, mich aufzuheitern.

Ich lache ebenfalls und haue ihm auf die Schulter. "Veräppel mich nicht", grinse ich ihn an. Mit einem kurzen Nicken gibt er mir zu verstehen, dass ich ihm folgen soll. Wir schlendern in Richtung Cessna. Zwei weitere Springer, Eddie und Anna, gesellen sich zu uns. Der Motor rattert bereits. Wir quetschen uns einer nach dem anderen in das kleine Propellerflugzeug. Wie Sardinen in einer Büchse.

Mittlerweile bin ich entspannt. Als die Maschine abhebt, denke ich mir: Alles halb so wild. Die Sitzfläche vibriert unter mir, es ist unglaublich laut. Andy macht während des Fluges Bilder und gibt uns zwischendurch die Höhe durch:

400 Meter, 1600 Meter. Durch das Fenster beobachte ich, wie Bitburg, der Tower und die Brauerei immer kleiner werden. Der Ausblick über die Eifel ist atemberaubend. "Da drüben, wo der ganze Nebel noch drüberhängt, ist das Moseltal", ruft mir Andy zu. Als ich gerade neugierig aus dem Fenster schaue und die Aussicht noch ein wenig genießen möchte, geht alles ganz schnell. Andy positioniert mich vor sich und erklärt mir noch einmal, worauf ich achten muss. Ich setze meine rote Lederkappe und die Fliegerbrille auf. Einatmen. Ausatmen. Plötzlich öffnet sich die Flugzeugklappe. Einatmen. Ausatmen. Der Motor ist laut, der Wind rauscht in den Ohren. Es sind null Grad. Wir schieben uns zur Öffnung. Ich atme schneller.

"Rechtes Bein auf das Trittbrett", weist er mich an. "Und schön am Rahmen festhalten." Nachdem ich in die Tiefe gesehen habe, möchte ich diesen gar nicht mehr los lassen. Vor meinen Augen dreht sich alles. Panik! Ich stemme mich gegen den Saarländer. "Andy… Ich kann das nicht!" Wirre Gedanken schwirren durch meinen Kopf: Was ist, wenn sich der Fallschirm nicht öffnet? Was ist, wenn eine Ente in uns kracht? Was ist, wenn ich als Pfannkuchen auf der Erde ende? "Mädel! Wir machen das jetzt", höre ich ihn sagen - und schwupps - purzeln wir aus der Luke raus.

Über uns ist die Cessna, die sich langsam entfernt. Die Luftmassen schlagen mir mit voller Wucht ins Gesicht, so dass ich das Gefühl habe, nicht atmen zu können. So fühlen sich also 200 Stundenkilometer im freien Fall an. Interessant, denke ich mir und beschimpfe mich innerlich: Du dumme Nuss! Warum musst du mit deiner Höhenangst auch aus 3500 Metern springen?

Ich zappel unter Andy herum, wimmere, werde kurzatmiger. Er versucht mich zu beruhigen, brüllt mir zu, dass ich mich auf die Umgebung konzentrieren soll. Am liebsten würde ich mich an etwas festhalten, um den Fall aufzuhalten. Aber es geht nicht. Eigentlich dauert der Fall nur 45 Sekunden. Doch es fühlt sich an wie eine Ewigkeit.

In 1500 Metern Höhe zieht Andy die Leine. Der Fallschirm öffnet sich ruckartig und die Geschwindigkeit reduziert sich. Ganz gemächlich kreisen wir über Bitburg. Das ändert sich, als mir Andy die Schlaufen in die Hände drückt, damit ich ein paar Kurven fliegen kann. Ich ziehe zu heftig und der Fallschirm macht einen großen Bogen. Ich fange an zu kreischen. Andy lacht. Genauso wie ich. Gleiten macht Spaß, stelle ich fest. Die Aussicht zu genießen ebenfalls. Doch das Vergnügen hält nur kurz. Der Flugplatz kommt immer näher. Wir bereiten uns auf die Landung vor. "Beine hoch!", ruft Andy. Die Landung ist sehr behutsam. Endlich merke ich den Boden unter meinem Hintern.

Ich muss mich sortieren, liege schwer atmend auf dem Boden. Es ist vollbracht. Mein erster Tandem-Sprung. Was für ein Abenteuer. Andy löchert mich mit Fragen, ist allerdings schon in Gedanken beim nächsten Sprung. Bernd Pohl kommt auf mich zu und grinst mich an. "Und? Nochmal?" fragt er. "Nein!" Das Wörtchen poltert mir direkt über die Lippen. Er schaut mich ganz verdutzt an. "Da bist du aber die Ausnahme", sagt er. "Das kann sein", antworte ich. "Aber ich habe nun einmal lieber festen Boden unter meinen Füßen."

Das ändert nichts an der Tatsache, dass der Sprung ein Erlebnis war. Ich werde mich noch lange an diesen sonnigen Samstag im März erinnern. Dem Tag als ich kreischend und voller Angst aus dem Flugzeug fiel.Extra: Firebird Skydiving

Bernd Pohl und sein Team führen seit Anfang der 1980er Jahre Tandemsprünge in Deutschland durch. Der ehemalige Fallschirmjäger zog mit seiner Schule von Saarlouis-Düren im Jahr 2004 nach Bitburg um. Wer Interesse an so einem Sprung hat, braucht keine besondere körperliche Fitness oder spezielle Vorkenntnisse. Vor dem Sprung gibt es in der Halle der "Firebird Skydiving"-Schule von dem Tandem-Piloten eine fünfzehnminütige Einweisung. Dann geht es mit dem Flugzeug 3000 bis 4000 Meter hoch über Bitburg. Durch ein spezielles Gurtsystem ist der Springer mit dem Tandem-Master fest verbunden. Das stellt Firebird selber her. mmp

Mehr Informationen zu Bernd Pohls Schule gibt es unter firebird-skydiving.de

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