Allein durch die Welt, zusammen in Bitburg

Bitburg · Etwa 50 minderjährige Flüchtlinge, ohne Eltern oder Erziehungsberechtigte eingereist, sind in Obhut des Jugendamts im Eifelkreis Bitburg-Prüm. Die meisten von ihnen finden in Wohngruppen ein neues Zuhause.

 Die Jungs von der Saarstraße gemeinsam mit ihren Betreuern: Erzieherin Monika Cichowski (links) und Gruppenleiter Manfred Barthelme (rechts). TV-Foto: Eileen Blädel

Die Jungs von der Saarstraße gemeinsam mit ihren Betreuern: Erzieherin Monika Cichowski (links) und Gruppenleiter Manfred Barthelme (rechts). TV-Foto: Eileen Blädel

Foto: (e_bit )

Bitburg. Sechs Monate. So lange war der 18-jährige Mahdi unterwegs, allein und über viele Tausend Kilometer. Auf sich gestellt, genau wie Rohollah, der 17 Jahre alt ist. Jetzt leben beide in Bitburg, zusammen in einer Wohngruppe mit fünf weiteren jungen Männern. "Mir gefällt es hier gut", sagt Mahdi. Schwer falle ihm "nur die Sprache". Deshalb "lerne ich in meiner Freizeit in meinem Zimmer", erzählt er. Außer wenn er gerade Fußball spielt. "Sie gehen auch gern ins Schwimmbad oder in die Eishalle", sagt Gruppenleiter Manfred Barthelme. Aber seine Jungs seien vor allem eines: "richtig fleißig".
Familiäres Gefühl


Die Unterkunft für die sieben Flüchtlinge zwischen 14 und 18 Jahren in der Saarstraße hat Karree Eifel zu Beginn des Jahres geschaffen - in einem Gebäude direkt neben dem Verwaltungstrakt des Vereins, der sich in der Jugendhilfe engagiert. Karree Eifel kümmert sich nun auch um die jungen Männer und ihre Integration, darum, dass sie Deutsch lernen und zur Schule gehen. Möglich ist das in der Theobald-Simon-Schule, die eigens Klassen für junge Flüchtlinge eingerichtet hat.
Aber Frank Pfeiffer, Leiter und Geschäftsführer von Karree Eifel, möchte, dass sie auch lernen, sich im Alltag zurechtzufinden. Einkaufen und Kochen gehören da genauso dazu wie Helene Fischer: "Die entdecken unsere Jungs gerade", erzählt er. Vor allem will er ihnen in ihrem neuen Zuhause "ein familiäres Gefühl vermitteln". Was wichtig ist für die jungen Menschen, die Krieg, monatelange Flucht oder auch den Verlust der Eltern erleiden mussten.
In den vergangenen Jahren habe der Kreis jeweils fünf bis sieben unbegleitete minderjährige Ausländer aufgenommen, sagt Stefan Urmes vom Jugendamt. "Seit November ist die Zahl rasant gestiegen." Derzeit seien etwa 50 junge Flüchtlinge dem Eifelkreis Bitburg-Prüm zugewiesen. Bis Ende des Jahres rechne man mit mindestens 80 von ihnen - und mit hohen Kosten (siehe Extra).
Bereits im Spätherbst hatte das Jugendhotel in Bitburg junge Flüchtlinge aufgenommen - eine Nothilfe-Aktion. "Um der hohen Zahl an Flüchtlingen Herr zu werden, hatten die Trierer Kollegen ihnen Zugewiesene dorthin ausgelagert", sagt Stefan Urmes. "Zu Spitzenzeiten", sagt Ralf Olk vom Jugendhotel, "lebten dort 35 junge Männer. Jetzt sind es noch knapp 20."
Etwa Mitte März soll die Zeit der Notlösung zu Ende gehen. Unter der Betreuung des Bitburger Jugendamts schaffen nun zugleich mehrere freie Träger für die jungen Flüchtlinge Wohngruppen, die längerfristig Bestand haben sollen - bislang in Bitburg, bald womöglich auch in Neuerburg und St. Thomas.
So betreut Karree Eifel nicht nur die Gruppe in der Saarstraße, sondern hat bereits Anfang November eine weitere Wohngruppe mit zwölf Plätzen im Jugendhotel Bitburg aufgebaut. Die sei zwar auch als "Nothilfe" gestartet, wie Frank Pfeiffer von Karree Eifel erzählt. Doch aus ihr soll ein fortwährender Beistand werden: Dazu muss nun nur noch das Landesjugendamt die Betriebserlaubnis erteilen.
20 Plätze im Schwesternheim


Erst vor wenigen Tagen hat zudem das DRK eine Unterkunft auf dem Flugplatz Bitburg eröffnet. Acht Flüchtlinge zwischen 14 und 17 Jahren seien bereits dort, Platz sei aber für 14 junge Männer, sagt DRK-Chef Rainer Hoffmann. "Wir bringen sie in Einzel- und Doppelzimmern unter, einen Gruppenraum gibt es auch - und einen Kicker", erzählt er.
Der Caritasverband Westeifel plant, unterstützt von der Marienhausstiftung, zwei weitere Wohngruppen in Neuerburg. Insgesamt 20 Plätze sollen im alten Schwesternheim, das seit der Schließung des Krankenhauses leersteht, geschaffen werden. Sofern auch hier das Landesjugendamt die Betriebserlaubnis erteile, sagt Andrea Ennen, stellvertretende Caritasdirektorin, wolle man gestaffelt beginnen, da teils noch renoviert werden müsse: Die ersten Flüchtlinge sollen im April einziehen, der Rest im Juli. Mit Blick auf die Bürger plane man am Freitag, 1. April, von 14 bis 16 Uhr, einen "offenen Beginn": Sie seien dann eingeladen, vorbeizuschauen und Fragen zu stellen. Wie Stefan Urmes sagt, sei auch die Jugendhilfestation in der Planung für eine weitere Wohngruppe, die allerdings nicht nur aus Flüchtlingen bestehen soll: "In St. Thomas, mit zehn Plätzen insgesamt."
Zwar werden die meisten minderjährigen Flüchtlinge in Wohngruppen untergebracht. Die einzige Option ist das aber nicht: Zuallererst schaue man, ob ein Familienmitglied zu finden sei, das den Jugendlichen aufnehmen könne. Oder suche mithilfe von Caritasverband und Jugendhilfestation Gastfamilien. Unter den 50 jungen Flüchtlingen im Kreis seien nur drei Mädchen: "Zwei leben bei ihren Brüdern, eins in einer Familie", sagt Urmes.
Und Mahdi hat Rohollah, der ihm hin und wieder die Haare schneidet, nach dem Essen einen Film mit ihm schaut oder Skat spielt. Manchmal spricht Mahdi mit seinen Mitbewohnern über das, was er zurücklassen musste. Aber vor allem schmiedet er Pläne für die Zukunft - ganz konkrete: "Ich möchte später vielleicht in Trier ein Restaurant eröffnen." Deutsch spricht er bis dahin bestimmt, Kochen wird er dann afghanisch.Extra

Nach Angaben der Verwaltung des Eifelkreises Bitburg-Prüm sind für den Haushalt 2016 Ausgaben von insgesamt 960 000 Euro für die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen veranschlagt. Das Land erstatte die Aufwendungen komplett. Es sei jedoch davon auszugehen, dass ein Nachtragshaushalt notwendig werde. Das Kreisjugendamt rechne bei einer stationären Unterbringung mit etwa 4500 Euro pro Monat pro unbegleiteten minderjährigen Flüchtling. Die Summe entstehe durch den durchschnittlichen täglichen Pflegesatz von 145 Euro zuzüglich Taschengeld. eib

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