Trier „Freispruch ist kein Freibrief!“

Trier · Der 52-jährige Angeklagte, dem unter anderem gefährliche Körperverletzung vorgeworfen wird, ist nicht schuldfähig.

 Laut  Richter Armin Hardt hätte der Fall des Angeklagten in Bitburg statt vor dem Landgericht Trier verhandelt werden müssen.

Laut  Richter Armin Hardt hätte der Fall des Angeklagten in Bitburg statt vor dem Landgericht Trier verhandelt werden müssen.

Foto: TV/Maria Adrian

Armin Hardt, Vorsitzender Richter der dritten großen Strafkammer am Landgericht Trier, sagt es dem Angeklagten nach der Urteilsverkündung noch ein mal ganz deutlich: „Wenn wir uns hier wiedersehen, dann droht Ihnen das Nette-Gut“ (Psychiatrische Klinik, Anm. der Red.). Am Ende des dritten Verhandlungstags im Strafverfahren gegen einen 52-Jährigen aus der Verbandsgemeinde Speicher wegen gefährlicher Körperverletzung und weiterer Delikte konnte nach Einschätzung des Gerichts und der psychiatrischen Sachverständigen, Dr. Sylvia Leupold, nur ein Freispruch stehen. Hardt: „Der Angeklagte ist aufgrund einer Psychose (seelische Krankheit) und einer sogenannten schizoaffektiven Störung schuldunfähig“. Bei der  schizoaffektiven Störung können laut Gutachterin schizophrene Symptome, depressive und krankhafte Hochstimmung (Manie) gleichzeitig oder abwechselnd auftreten.

Die zehn Straftaten, die ihm zur Last gelegt wurden, fasst Staatsanwältin Katrin Schneider in ihrem Schlusswort in zwei Blöcke: Zum einen sind das Taten, die ihm nicht nachgewiesen werden konnten, wie die vom 12. November 2016, als er seine Lebensgefährtin gewürgt haben soll. Dass er am 10. Februar 2017 ein Handy aus dem Fenster nach einen Mann geworfen habe, hatte ebenfalls keinen Bestand. Der betroffene Zeuge hatte glaubhaft versichert, dass der Angeklagte ihn nicht treffen wollte. Zum anderen konnten ihm Taten nachgewiesen werden, bei denen er aber keine Einsichtsfähigkeit besaß: So im November 2016, als er ein Holzbrett in Richtung seiner Lebensgefährtin geworfen hat, am 16. Januar 2017, als er ein Messer in Richtung ihrer Füße warf, als er „Heil Hitler“ gerufen und gedroht habe, sein Haus mit Kerosin in die Luft zu jagen.

Auch als er die Ehefrau eines Polizeibeamten angerufen und gedroht hatte, vorbeizukommen, und ihren Mann mit einer Axt in den Kopf zu schlagen, sei seine Steuerungsfähigkeit aufgehoben gewesen. Für die Frau sei es ein traumatisches Erlebnis gewesen, sie hatte am zweiten Prozesstag ausgesagt. Dabei hatte der Angeklagte sich bei ihr entschuldigt.

Eingeräumt hatte er  die Reifenstechereien an Fahrzeugen, die die Zahl 81 (Synonym für die Hell’s Angels) im Kennzeichen hatten. Da er sich von den Rockern verfolgt fühlt, geht die Staatsanwältin auch von einer Einsichtsunfähigkeit aus. Sie folgert: „Der Angeklagte ist freizusprechen.“ Hinzu komme der Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Lebensgefährtin. Eine wichtige Frage sei, ob der 52-jährige eine Gefahr für andere darstelle. Laut Gutachten sei davon nicht auszugehen.

Das sieht auch die Verteidigerin, Rechtsanwältin Martha Schwiering, so: „Ich kenne ihn sehr lange, er bemüht sich, und es tut ihm leid“, versichert sie. Das Problem sei das Drama mit der alkoholabhängigen Partnerin, das überfordere ihren Mandanten. Seine Heroinsucht habe er gut im Griff, das bestätigte auch die Gutachterin Leupold. Der Angeklagte selbst sagt, dass er machtlos sei, was die Alkoholabhängigkeit seiner Lebensgefährtin angeht. Und: „Es muss zur Trennnung kommen.“ Bevor sich die Kammer zur Beratung zurückzieht, erteilt Richter Hardt ihm das letzte Wort: „Wer mit sich selbst im Reinen ist, geht strahlend durch den größten Mist“, sagt der Eifeler und beteuert umgehend: Das solle nicht bedeuten, dass er das Ganze nicht ernstnehme.

Zurück aus der Beratung geht Richter Hardt nochmals auf die Frage der Unterbringung des Beschuldigten in einer psychatrischen Klinik ein. Die Frage stand im Raum, und deshalb war der Fall vor dem Landgericht Trier gelandet. „Das Amtsgericht Bitburg hat es sich leicht gemacht und den Sachverständigen (Dr. Michael Lammertink, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie), zu der Aussage bewegt, eine Unterbringung ,käme in Betracht’, sagt der Richter. Er hatte das schon am Vortag gegenüber Lammertink kritisiert. Der Arzt und Zeuge hatte ausgesagt und dem Richter in dieser Sache zugestimmt.

Das Landgericht habe dann ein „richtiges Gutachten“ eingeholt. Und Sylvia Leupold habe den Beschuldigten in seiner häuslichen Umgebung befragt und untersucht. „Bei ihm ist Paragraph 20 Strafgesetzbuch anzuwenden. Er ist nicht schuldfähig“, sagt Hardt. Die Kammer geht von einem mittleren Rückfallrisiko aus. Der Beschuldigte sei für die Allgemeinheit aber nicht gefährlich. Zum Angeklagten sagt der Richter noch: „Der Freispruch ist kein Freibrief!“

Das Urteil ist rechtskräftig.

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