Aus dem Archiv Dezember 2017 Herforst ist eine der bedeutendsten Fundstellen römischer Archäologie

Herforst · Herforst ist eine der bedeutendsten Fundstellen römischer Archäologie. Da sind sich Wissenschaftler sicher. Die Funde der Grabung sind ausgewertet. Das Ergebnis: Womöglich verbergen sich mehr als 200 weitere Öfen unter der Erde.

Steine. Mehr sieht der Laie nicht. Braune Steine. Deswegen klingelt vor einigen Wochen Werner Picks Telefon. Der Ortsbürgermeister hebt ab. Ein Wanderer ist am anderen Ende der Leitung. Der will wissen, wo die römischen Öfen seien, die Archäologen ausgegraben hätten. Der Herforster Ortsbürgermeister hat enttäuschende Nachrichten für den Mann. Die Grube sei inzwischen zugeschüttet, damit Regen, Wind und Schnee den antiken Mäuerchen nichts anhaben könnten.

Wo die Forscher im Sommer ihre Schaufeln in die Erde steckten, ist heute nichts Auffälliges mehr zu entdecken. Der Acker sieht aus, als wären die Wissenschaftler des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz nie da gewesen. Und doch scheint das Interesse an dem, was sie Ende Juli bei 34 Grad im Schatten ausgebuddelt haben, nach wie vor anzuhalten. Das Gemeindehaus ist am Mittwochabend jedenfalls gut gefüllt. Schaaf präsentiert den Gästen die neuesten Erkenntnisse über das, was in der Erde schlummert.

Monatelang haben die Mainzer Forscher Funde sortiert, katalogisiert und restauriert. Aus Scherben wurden - mit viel Geduld und etwas Kleber - wieder Teller, Krüge und Vasen. Die mussten dann minutiös abgezeichnet werden. Ein Archäologe muss heute aber nicht nur Grafiker sein, sondern auch Informatiker. Wer einen vergrabenen Schatz sucht, findet ihn nicht mit einer Karte, sondern mit Computertechnik.

Zunächst sind bei der Präsentation keine Schätze zu sehen. Der Laie sieht wieder nur Steine. Braune Steine. Holger Schaaf hingegen erkennt auf dem Bild, das über die Leinwand flimmert, die Umrisse eines römischen Ofens. „Es braucht etwas Fantasie“, gibt der Archäologe zu. Für die Besucher fährt er die Struktur des Töpfer-Schlotes mit dem Laserpointer nach. Dutzende solcher „Verdachtsstellen“ haben die Forscher in den vergangenen Monaten rund um Herforst ausfindig gemacht. Zum Teil sind es nur kleine Erhebungen oder Senken im Wald- oder Feldboden - mit bloßem Auge nicht zu sehen, unter den Schuhen nicht zu spüren. Ein Georadar kann sie aber sichtbar machen.

Vorstellen kann man sich dieses wie ein Röntgengerät. Nur dass die Archäologen damit nicht unter die Haut, sondern unter die Erde schauen. Bei der Grabung im August ging es auch darum, zu testen, ob das Radar funktioniert. Das tut es. Auf den Zentimeter genau können die Wissenschaftler bestimmen, wo sich etwas verbirgt. Was das genau ist, sehen sie erst, wenn sie es ausgraben. „Das ist ein bisschen wie Geschenke auspacken“, sagt Schaaf. Für sein Team liegt Weihnachten nächstes Jahr wieder im Sommer. „Dann werden wir wohl eine weitere Fundstelle untersuchen“, kündigt er an. Am liebsten, sagt er, würde er das jedes Jahr machen. Der Grund dafür sind die Ergebnisse neuester Scans. Denn rund um Herforst liegt offenbar noch einiges verborgen. Das römische Töpferzentrum ist weit größer als gedacht.

Nach Schätzungen der Wissenschaftler erstreckt es sich auf rund sechs bis sieben Quadratkilometer. Bislang wusste man von etwa 21 Töpferbetrieben, im Sommer ging man von 30 aus. Heute glaubt das Team, dass in der Region womöglich mehr als 260 Schlote rauchten. Dafür findet der Mainzer Archäologe nur noch Worte wie „gigantisch“ und „Sensation“. Dabei blieben  Rätsel über Rätsel. Wo haben die Töpfer gelebt, über welche Routen haben sie ihre Keramik transportiert? Und die spannendste Frage: Warum gibt es gerade in Herforst eine solche Konzentration von Betrieben auf einer so großen Fläche?

 Grabung Herforst

Grabung Herforst

Foto: Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz/Ferdinand Heimerl
 Dass sich in der Eifel ein römisches Töpferzentrum verbirgt, ist schon seit 150 Jahren bekannt. 1917 haben Archäologen im Speicherer Wald jede Menge Keramik ausgegraben.

Dass sich in der Eifel ein römisches Töpferzentrum verbirgt, ist schon seit 150 Jahren bekannt. 1917 haben Archäologen im Speicherer Wald jede Menge Keramik ausgegraben.

Foto: Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz/Ferdinand Heimerl
 Archäologin Angelika Hunold (rechts) sortiert Scherben.

Archäologin Angelika Hunold (rechts) sortiert Scherben.

Foto: Römisch-Germanisches Zentralmuseum Mainz/Ferdinand Heimerl

Das alles liegt noch im Dunkeln. Archäologen wie Schaaf wollen die Geschichte Stück für Stück ans Tageslicht bringen. „Das ist ein Projekt für die nächsten 20 Jahre“, sagt er. Er klingt dabei aber nicht müde, sondern im Gegenteil: voller Tatendrang. Und auch Werner Pick freut sich über die Ergebnisse der Grabung. Er erkennt darin auch Chancen für seine Gemeinde. An der Langmauer, plant er, könne man einen authentischen römischen Ofen nachbauen - und ihn auch hin und wieder anwerfen. Das könnte nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Touristen in den Ort locken.

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