Bitburg, Warschau und zurück

Bitburg · Sie ist Bitburgerin, sie ist Weltbürgerin, sie hat eine bewegte Geschichte hinter sich, und sie denkt überhaupt nicht ans Aufhören. Brauerei-Erbin Marie-Luise Niewodniczanska hat den Kalten Krieg in Polen erlebt und die Bitburger Lokalpolitik mitgestaltet. Mit dem TV hat sie über ihr Leben gesprochen.

 Marie-Luise Niewodniczanska. TV-Foto: Vladi Nowakowski

Marie-Luise Niewodniczanska. TV-Foto: Vladi Nowakowski

Bitburg. Marie-Luise Niewodniczanska, deren Name in Bitburg gerne zu Frau Niewo abgekürzt wird, kommt am Tage des Interviews aus Bern. Vor kurzem war sie in Peru - Hunderte Fotos liegen auf dem Esstisch und wollen einsortiert werden. Und am folgenden Tag geht es mit dem Flieger nach Breslau.
Max, der Mischlingshund, ist an die unbändige Energie seines Frauchens gewöhnt. Auf der Decke liegend, verfolgen nur seine Augen Marie-Luise Niewodniczanska, die immer wieder aufspringt, um eines ihrer Bücher aus dem Regal zu ziehen, oder ihren verkürzten Lebenslauf - immerhin eine komplette DIN-A4-Seite lang - aus dem Büro holt. Im Vorbeigehen kocht sie Kaffee und tischt einen Kuchen auf. "Ich habe so viel in meinem Leben gemacht", seufzt Marie-Luise Niewodniczanska. "Ich muss das unbedingt einmal alles ordentlich aufschreiben."
Wahrscheinlich wird die Liste nie komplett, denn ständig kommt eine neue Tätigkeit dazu. Zuletzt die Mitgliedschaft im Vorstand der deutsch-polnischen Stiftung für kulturelles Erbe und der Posten als Präsidentin der Europäischen Vereinigung Bildender Künstler (EVBK), den die Architektin, Kunsthistorikerin, Denkmalschützerin, Kommunalpolitikerin und Hochschuldozentin im Mai dieses Jahres übernahm.
Ich lebe gerne in… Bitburg


Der Terminkalender der 74-Jährigen ist zum Bersten voll - zumindest die Präsidentschaft der EVBK und den Vorstand der deutsch-polnischen Stiftung kann sie zeitweise verknüpfen: Bei der 56. EVBK-Ausstellung im kommenden Jahr ist Polen das künstlerische Gastland.
Mit Polen verbindet "Frau Niewo" so einiges: "Während ihres Architekturstudiums in Zürich lernt Marie-Luise Simon ihren zukünftigen Ehemann, den Atomphysiker Tomasz Niewodniczanski kennen. Das Ehepaar zieht 1963 nach Warschau - in den finstersten Jahren des Kalten Krieges lebt die Brauerei-Erbin im kommunistischen Polen. "Mein Mann sagte immer, dass er nach dem Studium zurückkehren muss. Mein Vater hat ihm nicht geglaubt", lacht Niewodniczanska. "Er hielt ihn für viel zu lebenslustig, um freiwillig in den Ostblock zu gehen. Doch Tomasz musste zurückkehren, weil er seine Familie nicht gefährden wollte." Die ersten Jahre lebt das junge Ehepaar in einer Plattenbausiedlung am Stadtrand von Warschau: "Niedrige Decken und ein winziges Badezimmer - genauso, wie man sich diese Wohnungen vorstellt. Doch ich möchte die sieben Jahre in Polen nicht missen, es war eine schöne Zeit." 1970 reisen die Niewodniczanskis aus: "Die Bespitzelung und andere widrige Umstände hatten einfach ein unerträgliches Maß angenommen", erzählt Marie-Luise Niewodniczanska. "So sind wir wieder in Bitburg gelandet."
Bis 1973 bearbeitet die Architektin Forschungsaufträge in einem Darmstädter Institut - ihr Mann arbeitet inzwischen in der Bitburger Brauerei. In den Jahren zwischen 1975 und 2008 folgen zahlreiche Lehraufträge an der Fachhochschule Trier in dem Fachbereich, der Niewodniczanskas Leben fortan bestimmt: die Denkmalpflege im ländlichen Raum und Kunst- und Baugeschichte.
Nebenbei, zwischendrin und immer, wenn sie Zeit fand, übernahm die energiegeladene Frau Ehrenämter. Bis heute ist sie Jurorin des Wettbewerbes "Unser Dorf hat Zukunft" - auf Kreisebene und Bezirksebene, seit zehn Jahren auch in der luxemburgischen Kommission, seit sechs Jahren in der belgischen Kommission der deutschsprachigen Gemeinschaft. Sie ist Mitglied des Kreistags und seit 1990 FDP-Fraktionsvorsitzende, Mitglied des Stadtrats, zahlreicher Ausschüsse und - um wenigstens eine Auszeichnung zu nennen, die Marie-Luise Niewodniczanska für ihr Werk erhielt - sie ist Trägerin des Bundesverdienstkreuzes am Bande. Und abschließend noch eine Besonderheit, die Frau Niewodniczanska sehr freut: Max, der Hund, versteht deutsch und polnisch.
Viele gute Gründe, warum es schön ist, in Bitburg zu leben, zeigt der TV mit seiner Aktion: "Ich lebe gern in Bitburg" in den kommenden Wochen. Unter anderem erzählen Bitburger aus ihrem Leben in der Stadt und was ihnen daran besonders gefällt.
Extra

Marie-Luise Niewodniczanska wurde als Marie-Luise Simon 1938 in Bitburg geboren. Im Frühjahr 1956 schloss sie das Gymnasium mit dem Abitur ab und studierte bis 1957 Kunstgeschichte und Archäologie in Freiburg, dann bis 1962 Architektur in Zürich. Marie-Luise Niewodniczanska hat drei Söhne und tritt seit Jahrzehnten für die Rettung der Altbausubstanz in der Südeifel ein. now

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