Bitburgs Wehrleiter schlägt Alarm

Bitburg · Im Stadtteil Stahl kann er nicht mehr garantieren, dass es die Wehr in acht Minuten zum Einsatzort schafft. Im Ernstfall kann das Leben kosten.

 Wohnhausbrand mit starker Rauchentwicklung: Liegt ein bewusstloser Mensch im Haus, bleibt den Rettungskräften nicht viel Zeit.

Wohnhausbrand mit starker Rauchentwicklung: Liegt ein bewusstloser Mensch im Haus, bleibt den Rettungskräften nicht viel Zeit.

Foto: TV-Foto: Archiv

Der Piepser geht. Mitten in der Nacht. Wohnhausbrand. Alarmstufe Rot. Die Zeit läuft. Genau acht Minuten haben Wehrleute ab jetzt. Acht Minuten, in denen sie, wo auch immer sie die Alarmierung erreicht hat, am Brandort sein müssen. So schreibt es das Gesetz vor. Also: Raus aus dem Bett, runter vom Sofa. Im Eiltempo zur Wache. Adrenalin macht wach. Schutzkleidung an, rein in den Einsatzwagen und mit Blaulicht los.
Mindestens sechs Feuerwehrleute, davon vier speziell ausgebildete Atemschutzträger, müssen bei einer solchen Alarmierung im Einsatzfahrzeug sitzen. Vor Ort angekommen, bleiben den Atemschutzträgern gerade mal vier Minuten, um sich einen Überblick über die Lage zu verschaffen. Wo ist der Brandherd, wo sind die Bewohner, wo kann man noch durch, wird eine Drehleiter gebraucht? Dann müssen sie rein ins brennende Haus und die Menschen bergen. Bei einem solchen Szenario sind vier Minuten nicht lang. Jeder Handgriff muss sitzen. Jede Minute zählt. Rauchgasvergiftungen können tödlich sein (siehe Hintergrund). "Stell Dir vor, es brennt, und keiner geht hin." Seit Jahren macht die Feuerwehr mit diesem Satz auf ihre angespannte personelle Situation aufmerksam. In Bitburgs Stadtteil Stahl ist die Lage ernst. So ernst, dass Wehrleiter Manfred Burbach zu drastischen Mitteln greift.
"Wir werden im September von Haus zu Haus gehen und um jeden werben", sagt Burbach. Der Grund: Die Stahler Wehr zählt nur noch 18 Aktive. Eigentlich genug Ehrenamtliche für einen Wohnhausbrand - und sogar zwei mehr als in Erdorf (siehe Info). Aber: "Nur sieben der Stahler Wehrleute wohnen auch in Stahl", sagt Burbach. Die anderen seien nach Bitburg oder in andere Stadtteile gezogen. Und von dort aus ist der Weg eben ein paar Minuten weiter.Davon unabhängig sind Burbach auch 18 Aktive im Ernstfall zu wenig: "Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass von den sieben einer vielleicht in Urlaub ist, einer in Trier im Kino sitzt und einer krank im Bett liegt, haben wir zu wenige Leute, die schnell am Einsatzort sind." Seine Erfahrung: "Wenn ich sechs Leute brauche, muss ich das Vierfache alarmieren, um sichergehen zu können, dass die Mannschaftsstärke stimmt, wenn es drauf ankommt."
Schließlich ist nicht jeder der Ehrenamtlichen ständig vor Ort. Die meisten arbeiten auswärts. Sie gehen abends aus, treffen sich mit Freunden, müssen auf ihre Kinder aufpassen und vieles mehr. 24 Wehrleute müssten also im Fall eines Wohnhausbrands angefunkt werden, damit sechs binnen von höchstens acht Minuten am Brandort löschen und bergen. Das wird bei 18 Wehrleuten in Stahl knapp. Für Burbach eine untragbare Situation: "Hier geht es um Sicherheit."
Das Problem zeichnet sich auch in Erdorf ab. Dort aber sei es nicht so massiv wie in Stahl. Denn die 16 Erdorfer Wehrleute wohnen auch in Erdorf. "Trotzdem müssen wir auch hier handeln. Aber erst steht Stahl an." Das hat Burbach auch mit Stahls Ortsvorsteher Willi Heyen besprochen. Gemeinsam wollen Ortsbeirat und Wehrleute im September von Haustür zu Haustür ziehen. Der Termin wird noch bekannt gegeben. Burbach baut auf diese Aktion: "Es gibt 470 Menschen zwischen 16 und 50 Jahren in Stahl. Da sollten doch welche dabei sein, die mitmachen statt wegzuschauen." Warum Zeit Leben rettetTrotz Rauchmeldern kommen nach Angaben des Deutschen Feuerwehrverbands bundesweit mehr als 400 Menschen bei Bränden ums Leben. 90 Prozent aller Brandtoten sterben nicht an Verbrennungen, sondern an Rauchgasvergiftung - davon 75 Prozent nachts im eigenen Zuhause. Da der Geruchssinn im Schlaf schlechter funktioniert, wird der erstickende Rauch zu spät oder gar nicht wahrgenommen. Ist ein Mensch Rauchgasen ausgesetzt, bleiben je nach Größe des Raumes zwei bis vier Minuten, um den Gefahrenbereich zu verlassen. Sonst droht Bewusstlosigkeit. Ist ein Mensch Rauchgasen länger als 17 Minuten ausgesetzt, besteht keine Chance mehr, ihn zu reanimieren. Das ist die sogenannte Reanimationsgrenze.

INFOSo kalkulieren die RetterMinute 0: In einem Wohnhaus bricht ein Brand aus.0 bis 3,5 Minuten: Das ist die Zeit, in der der Brand - vielleicht von einem Nachbarn - bemerkt wird. 3,5 bis 5 Minuten: Der Notruf wird abgesetzt. Die Rettungsleitstelle klärt das Was und Wo und alarmiert die örtliche Wehr.5 bis 13 Minuten: Das ist die gesetzlich vorgeschriebene Ausrückzeit von acht Minuten - die Zeit von der Alarmierung bis zum Eintreffen der Wehr am Einsatzort. 13 bis 17 Minuten: Vier Minuten bleiben, um die Lage zu erkunden, Atemschutzträger ins Haus zu schicken, Bewusstlose zu bergen und diese zu reanimieren. InfoFeuerwehr BitburgDie Freiwillige Feuerwehr Bitburg mit Wehrleiter Manfred Burbach an der Spitze hat sechs Einheiten:
Mitte: 58 MitgliederMötsch: 42 MitgliederMasholder: 26 MitgliederMatzen: 23 MitgliederStahl: 18 MitgliederErdorf: 16 MitgliederIn der Jugendwehr engagieren sich 45 Jungen und Mädchen.
Im Schnitt rückt die Freiwillige Feuerwehr Bitburg im Jahr zu 250 Einsätzen aus - darunter sind nach Angaben des Wehrleiters etwa zehn Wohnhausbrände. In zwei bis drei Fällen müssen die Wehrleute dabei Menschen aus den brennenden Gebäuden retten.
KommentarUmdenken! Für die meisten ist nehmen seliger als geben. Ehrenamtliches Engagement geht überall zurück. Um wie viel ärmer gerade der ländliche Raum ohne engagierte Menschen wird, macht sich dabei kaum einer bewusst. Man ist zu eingespannt, Familie, Beruf und irgendwas soll ja auch noch übrig bleiben. Und die, die wirklich Zeit hätten, sehen aber einfach keinen Sinn darin, sich für die Allgemeinheit zu engagieren. Das tut Vereinen landauf, landab weh. Wenn es bei der Feuerwehr eng wird, trifft es uns alle in besonderer Weise. Eine Berufswehr kommt uns alle teuer zu stehen - mal abgesehen davon, dass sie das Engagement der Ehrenamtlichen vor Ort nie wird ersetzen können. Zeit, umzudenken!d.schommer@volksfreund.de

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