Das Kreuz, das die Nazis nicht fanden

Neuerburg · An der Wand des Pfarrbüros von St. Nikolaus in Neuerburg hängt ein Beispiel für den Mut zum Widerstand: ein Kreuz, das eine Kölner Lehrerin im Jahr 1939 vor der Vernichtung durch die Nationalsozialisten bewahrte.

 Dechant Stefan Trauten mit dem Kreuz, das 1939 in Köln vor der Vernichtung durch die Nationalsozialisten gerettet wurde. Heute hängt das Kruzifix in seinem Büro im Pfarramt St. Nikolaus in Neuerburg. TV-Foto: Vladi Nowakowski

Dechant Stefan Trauten mit dem Kreuz, das 1939 in Köln vor der Vernichtung durch die Nationalsozialisten gerettet wurde. Heute hängt das Kruzifix in seinem Büro im Pfarramt St. Nikolaus in Neuerburg. TV-Foto: Vladi Nowakowski

Neuerburg. Es ist ein schlichtes Holzkreuz, dessen Alter unbekannt ist - Tausende dieser Darstellungen des gekreuzigten Jesus schmückten die Klassenzimmer der Volksschulen in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts.
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Und doch hat dieses Kreuz, das die Wand des Neuerburger Pfarrbüros ziert, eine besondere Geschichte. Eine Geschichte, die von Mut und tiefem Glauben erzählt. "Dieses Kreuz hat keinen materiellen, aber einen sehr hohen ideellen Wert", sagt Dechant Stefan Trauten, "als ich mein Amt in Neuerburg antrat, war es schon hier."
Der genaue Zeitpunkt der Ankunft des Kreuzes in Neuerburg liegt allerdings im Dunkeln. Der Überbringer jedoch ist bekannt: Hans Winkelhag, der Anfang der 70er Jahre ein Wochenendhaus im nahe gelegenen Heilbach baute, hatte es dem Pfarramt St. Nikolaus zwischen 1972 und 1975 überreicht.
Winkelhag, der 2004 starb, lebte und arbeitete in Köln und wuchs bei seiner Tante auf, einer ehemaligen Volksschullehrerin namens Katharina Huppers. Beim Umzug der betagten Dame aus ihrer Wohnung in ein Alterspflegeheim nach Frechen bei Köln fand sich das Kreuz.
Die ehemalige Konrektorin der Volksschule in der Kölner Agrippastraße hatte es 1939 an sich genommen und in ihrer Wohnung versteckt. Seit 1935 versuchte das NS-Regime, den Einfluss der katholischen Kirche in den Schulen zurückzudrängen. Schulmessen durften nicht mehr während der Schulzeit abgehalten werden, Pfarrer und Kapläne durften keinen Religionsunterricht mehr geben.
Die Nationalsozialisten sahen in der Kirche eine Konkurrenz. Zu den zahllosen Nadelstichen, die sie sich in der Folgezeit ausdachten, gehörte auch, dass die Schulkreuze in den Klassenräumen einem Bild Adolf Hitlers weichen mussten.
Nach den Osterferien 1939 waren alle Kreuze aus den Kölner Schulen verbannt - die meisten der eingesammelten Kruzifixe wurden vernichtet. Nicht so das Kreuz, das heute in Neuerburg die Wand des Pfarrbüros schmückt. Katharina Huppers hatte es in den Osterferien 1939 entweder aus einem Klassenraum oder dem Lehrerzimmer mitgenommen und so vor der Vernichtung bewahrt. Die Folgen solch einer Tat des zivilen Ungehorsams gegenüber dem Nazi-Regime wären für die damals 40-Jährige schlimm gewesen, doch offensichtlich nahm sie eine Strafe in Kauf - und wurde nicht entdeckt. Dieses eine Kreuz suchten die Nazis vergeblich.
Schule überlebt Krieg nicht


Eine Gelegenheit, das Kruzifix nach dem Krieg an die alte Stelle zu bringen, gab es nicht mehr. In einer der schwersten Bombennächte, die Köln am 28. Juni 1943 verwüsteten, fiel auch die Schule in der Agrippastraße in Schutt und Asche.
Heute verweist eine Inschrift auf der Rückseite des Kreuzes auf die mutige Tat der Lehrerin, die sich mit der Barbarei in den Zeiten des Nationalsozialismus nicht abfinden wollte.

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