Der Herr der Bücher

Bücher: Für manche Zeitgenossen wohl immer mit sieben Siegeln verschlossen, für andere so wichtig wie die Luft zum Atmen. Für Josef Zierden sind Bücher besonders wichtig. Ein Besuch beim Organisator des Eifel Literatur Festivals.

 Josef Zierden, Organisator des Eifel Literatur Festivals, ist ein Bücherfan, kennt sich aber auch mit neuen Medien wie Computern und iPads aus. TV-Foto: Vladi Nowakowski

Josef Zierden, Organisator des Eifel Literatur Festivals, ist ein Bücherfan, kennt sich aber auch mit neuen Medien wie Computern und iPads aus. TV-Foto: Vladi Nowakowski

Prüm. Laut einer Umfrage der Zeit-online aus dem Jahre 2009 haben 42 Prozent der Deutschen in dem Zeitraum von 12 Monaten kein einziges Buch gekauft und 57 Prozent besitzen weniger als 50 Bände. Nur sechs Prozent aller Befragten gaben an, mehr als 250 Bücher zu besitzen und alle auch gelesen zu haben. Wären die Statistiker auf Josef Zierden aus Prüm gestoßen, hätten sie für ihn eine eigene Rubrik einführen müssen: Seine Bibliothek umfasst rund 14 000 Exemplare. "Ich habe sie nie gezählt - bis gestern", sagt Josef Zierden zur Begrüßung. "Aber auch die Zahl 14 000 ist nur grob geschätzt, denn bei mir stehen die Bücher in zwei Reihen in den Regalen." Von einer wahren Bücherflut ist im ersten Moment nichts zu sehen: Im Wohnzimmer der Familie Zierden steht ein einziges, nicht besonders großes Regal. Doch ein Blick auf dessen Inhalt verrät die Sammelleidenschaft - der große Brockhaus beherrscht die Regalreihen. Edle, schwarz glänzende Bände in der Gesamtausgabe von 1805 bis 2005. Nachschlagewerke im Wert eines Kleinwagens.

"Das war ein Traum von mir, den ich mir erst 2006, nach 34 Jahren, erfüllt habe", verrät Zierden. Bei einer Tasse Kaffee und vor dem Rundgang durch das Haus, das seine Bücher beherbergt, erzählt der Studiendirektor für Deutsch und Geschichte, wie seine Bibliothek entstand.

"Ich bin ein Arbeiterkind - das jüngste von sechs Geschwistern, und das erste Kind, das auf das Gymnasium gehen durfte. Bücher waren in unserer Familie sehr selten und galten als Luxus." Der junge Josef Zierden besaß nur seine Schulbücher, behandelte sie aber wie kostbare Schätze. "Ich hatte ein Regal mit drei Fächern", erinnert er sich. "Und versuchte, die Bücher so hinzustellen, dass es voll aussah." Im Laufe der nächsten Jahre ereigneten sich einige Zufälle, die Josef Zierden als Grundstock seiner Bibliothek ansieht: "Mein Schwager schenkte mir das erste, nicht zweckgebundene Buch meines Lebens - es war ,Die Caine war ihr Schicksal', von Herman Wouk." Ein Band mehr für das Bücherbord in seinem Zimmer.

1966 änderte sich die politische Großwetterlage der Bundesrepublik: Kurt Georg Kiesinger wurde Kanzler einer großen Koalition. Arbeiterkinder wie Josef Zierden wurden gefördert. "In der Oberstufe bekam ich plötzlich 150 Mark an Schüler-Bafög. Ziemlich zur gleichen Zeit wurde die Paulinus-Buchhandlung in Prüm aufgelöst. Ein Buch kostete eine Mark - ich habe sie säckeweise dort herausgeschleppt", lacht Zierden. Es wird Zeit, sich anzuschauen, was aus den ersten, bescheidenen Anfängen erwachsen ist. Erste Station: das Arbeitszimmer. Josef Zierden hat seine Bücher im ganzen Haus verteilt - einen zentralen Raum für die Bibliothek gibt es nicht, aber das Arbeitszimmer ist die Kommandozentrale, in der die meisten literarischen Sparten vertreten sind. "Es ist alles ziemlich klar geordnet", sagt Zierden in dem Raum, dessen Wände mächtige Regale beherrschen. "Schulbücher aller Klassenstufen für Deutsch und Grammatik stehen links, dort habe ich deutsche Primär-Literatur und hier die wichtigsten Nachschlagewerke." Zierden geht durch den Raum und pickt mal hier, mal dort ein Buch heraus, rückt eines zurecht und scheint im Geiste zu überprüfen, ob alles am richtigen Platz steht. Auf dem Schreibtisch steht neben einem Literaturkalender mit Schriftstellerporträts und Werksempfehlungen ein iPad. "Ich habe da keine Berührungsängste", sagt Josef Zierden. "Den letzten Sommerurlaub habe ich mit dem iPad in der Hand verbracht. Natürlich kann man Bücher auch so lesen." Er weist in Richtung der Regale. "Aber das hier", sagt er, "kann man mir nicht löschen. Der Rundgang geht im Souterrain weiter. Den Weg zu Arbeitszimmer Nummer zwei, dem ,Kellerbüro', wie Zierden es nennt, säumen links und rechts Regale. Hier steht auch Kindlers Literatur Lexikon, in 13 Bänden, das Josef Zierden in jungen Jahren erwarb. "110 Mark hat ein Band damals gekostet, meine Eltern waren der Auffassung, dass ich mich finanziell ruiniere. Aber, es war seit Kindesbeinen mein großer Traum - ein Lexikon, in dem alle wichtigen Werke der Weltliteratur vertreten sind", sagt Zierden. "Und wissen sie was? Für die Online-Ausgabe des Kindlers habe ich nun einen Artikel über Hertha Müllers Roman "Die Atemschaukel" schreiben dürfen. So schließt sich der Kreis.

Bücher von Josef Zierden:

Das Zeitproblem im Erzählwerk Clemens Brentanos. Frankfurt, Bern, New York, Nancy 1985

Die Eifel in der Literatur. Gerolstein 1994.

Literaturlexikon Rheinland-Pfalz. Frankfurt 1998.

Literarischer Reiseführer Rheinland-Pfalz. Frankfurt 2001.

Eifel. Krimi-Reiseführer. Hillesheim 2009.

Krimi-Tour Rheinland-Pfalz. Köln 2005.

drei fragen ... an Josef Zierden: Welches Buch haben Sie als letztes gelesen? Gerhard Nebel: Alles Gefühl ist leiblich. Ein Stück Autobiographie. Marbach 2003 . In Marbach steht d a s Literaturarchiv zur Literaturgeschichte. Fast alle renommierten Autoren haben hier ihren Nachlass abgeliefert. So ist auch das Suhrkamp-Archiv hier gelandet. Wertvolle Literaturschätze also. Welches Buch werden Sie als nächstes lesen? Einen deutschsprachigen Autor, den ich sehr schätze: Martin Suter. Das Buch heißt: "Allmen und die Libellen" Welches Buch hat Sie besonders beeindruckt? "Die Atemschaukel" von Hertha Müller und ein Buch, das mich seit 1974 begleitet: "Winterspelt" von Alfred Andersch.Extra II Josef Zierden (geboren am 23. April 1954 in Prüm) ist Gymnasiallehrer, Literaturmanager und Publizist. Er ist Initiator und Organisator des Eifel Literatur Festivals. Er studierte Germanistik und Geschichte an der Universität Trier; Abschluss Staatsexamen 1978, Examen für gymnasiales Lehramt 1982, Promotion 1984 mit der Dissertation "Das Zeitproblem im Erzählwerk Clemens Brentanos". Mitarbeit am "Kritischen Lexikon zur deutschsprachigen Gegenwartsliteratur", an "Kindlers Literatur Lexikon" und der Literaturzeitschrift "Text & Kritik"; Mitherausgeber der rheinland-pfälzischen Jahrbücher für Literatur Bd. 3 und 4. Verfasser zahlreicher regionalliterarischer Aufsätze unter anderem im Jahrbuch des Eifelvereins.

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