Der Schlächter von nebenan

Trier · Mit einem Stadtrundgang ist das unheilvolle Wirken von Menschen beleuchtet worden, die im Nationalsozialismus die Verfolgung und Ermordung vor allem jüdischer Menschen mitbetrieben haben.

 Thomas Zuche zeigt ein Foto von Paul Wipper, der nach dem Krieg vom fanatischen Nazi zu einem engagierten Pazifisten wurde. TV-Foto: Frank Göbel

Thomas Zuche zeigt ein Foto von Paul Wipper, der nach dem Krieg vom fanatischen Nazi zu einem engagierten Pazifisten wurde. TV-Foto: Frank Göbel

Foto: Frank Goebel (fgg) ("TV-Upload Goebel"

Trier Die Arbeitsgemeinschaft Frieden hatte zu einer Stadtführung zum Holocaust eingeladen - mit einem Schwerpunkt, der nach Ansicht des Vereins bislang "vielfach zu kurz kam": nämlich den Tätern, die einen Bezug zu Trier hatten. Am Augustinerhof wird gleich eine dieser Geschichten aufgerollt, von denen viele betroffen machen - und andere, wie diese, schlichtweg wütend.
Denn der Düsseldorfer Jurist Hans Globke war an unfassbarem Unglück beteiligt - vor allem als Autor oder Kommentator der Gesetze, mit denen das Naziregime die "Rassenschande" verfolgte oder die dafür sorgten, dass Juden schon in ihrem Pass sichtbar stigmatisiert wurden. Globke entging nach dem Krieg aber nicht nur jeder Verurteilung, sondern machte sogar Karriere - immerhin aber nicht in Trier. Sein Versuch, 1949 als OB-Kandidat anzutreten, scheiterte am Widerstand der lokalen SPD. Einige Etagen weiter oben klappte es aber umso besser. Von 1953 bis 1963 war der "Blutjurist" unter Konrad Adenauer Chef des Bundeskanzleramts - und schmückte sich bald nicht nur mit dem Großen Verdienstkreuz der jungen Bundesrepublik. Die Historikerin Dr. Ulrike Winkler betont vorm Rathaus, dass der "effiziente Schreibtischtäter" Globke bei aller Prominenz "nur einer von vielen war".
Tatsächlich befassen sich die folgenden Stationen auch mit kleineren Rädchen im Getriebe des Unrechts: Dora Pick begründete etwa den Ableger der Jugendorganisation Bund Deutscher Mädel (BDM) im Kreis Trier-Saarburg - bereits 1932. Auch sie ist mit dem Augustinerhof verbunden, weil sie früher ein Büro am Standort des heutigen Rathauses hatte. Von dort half sie bei der Unterdrückung anderer Jugendorganisationen. Und brachte Hunderten Mädchen den völkischen Wahn der Nazis nahe.
Die Biografien von rund 20 solcher Täter wurden über insgesamt drei Jahre recherchiert, erklärt Thomas Zuche als eins von derzeit acht Mitgliedern des Arbeitskreises "Trier im Nationalsozialismus". Um den Rahmen nicht zu sprengen, konzentriere sich die Führung aber derzeit auf sechs Menschen - wie etwa den Gerichtsvollzieher Peter Poschen. Der zeigte "besonderen Eifer" bei der so fachgerechten wie erbarmungslosen Auslöschung der Existenz der Verfolgten - zunächst auf wirtschaftlicher Ebene. So tat er sich etwa mit der Idee hervor, den Hausrat der deportierten Menschen zu versteigern, um den Erlös für das Reich zu maximieren.
Die Zuhörer sind aufgerufen, nicht nur über die Täter von damals zu urteilen - sondern sich auch zu fragen, ob sie selbst sich heute ausreichend stark machen für Demokratie und Meinungsfreiheit. Worte, die Menschen wie Hans-Jörg Lucas nicht kaltlassen: Der Trierer Arzt erzählt, dass es in der Geschichte seiner Familie eine breite Spanne gab von "wachsweichen Pazifisten" bis zur begeisterten Hitler-Anhängerin - die die Folgen des glühenden Antisemitismus aus allernächster Nähe beobachten konnte, weil ein Haus der Familie direkt gegenüber der ehemaligen Synagoge lag.
Zum Ende wendet sich der Rundgang noch mal einem Prominenten zu, der 1934 am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium sein Abitur gemacht hat: Klaus Barbie, der sich sogar für Naziverhältnisse als ungemein brutaler Verhör-Spezialist den Namen "Schlächter von Lyon" erworben hat und selbst Kinder höchstpersönlich folterte. Er entkam mit Hilfe hochrangiger Vertreter der katholischen Kirche und diverser Geheimdienste bis 1983 aller Gerichtsbarkeit. Immerhin wurde er 1987 in Frankreich zu lebenslanger Haft verurteilt - in der er dann, vier Jahre später, in Lyon starb.
Am 16. Oktober 1941 kam die Judenverfolgung auch in Trier zu einem ihrer besonders brutalen und bedrückenden Höhepunkte - der ersten Deportation von 189 Menschen aus Trier und der Region. Zusammen mit 323 Luxemburgern wurden sie erst ihres Hab und Guts beraubt, dann ihrer Freiheit - und in großer Zahl schließlich auch ihres Lebens.

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