Kommunalpolitik Katerstimmung im Bitburger Stadtrat

Bitburg · Die Atmosphäre war schon mal besser. Während um die Sache kaum gestritten wird, knirscht es zwischenmenschlich. Wir haben altgediente Räte zur aktuellen Stimmungslage befragt. Was alle vermissen: das Bierchen danach.

 Na dann, Prost: Im Stadtrat ist die Tradition des Feierabendbiers nach der Sitzung eingeschlafen.

Na dann, Prost: Im Stadtrat ist die Tradition des Feierabendbiers nach der Sitzung eingeschlafen.

Foto: dpa/Sven Hoppe

Es geht um eine Stimmung, die schwer in Worte zu fassen ist. Auch für die, die sie von Sitzung zu Sitzung erleben. Aber irgendetwas ist im Bitburger Stadtrat grundlegend anders, als es das noch vor Jahren und Jahrzehnten war. So weit sind sich altgediente Ratsmitglieder einig – und zwar unabhängig davon, welcher Fraktion sie angehören. Aber was ist dieses „etwas“, das fehlt oder zu viel ist?

Ratsmitglieder, die schon seit 20 und mehr Jahren Kommunalpolitik machen, beschreiben die Situation im Vergleich zu früher als „irgendwie angespannt“. Grundtenor: Einst wurde in der Sache zwar mehr und heftiger gestritten, aber hinterher ist man einen trinken gegangen. Um den Zusammenhalt war es mal besser gestellt. Und der Spaß droht, auf der Strecke zu bleiben.

Stattdessen gibt es Angriffe und Verteidigungen. So, wie zuletzt in der Haushaltssitzung, in der Willi Notte (Liste Streit) der Verwaltung samt Verwaltungs-Chef attestierte, mäßig bis gar nicht kreativ zu sein, weil „die meisten in diesem Haus haben ja noch nie etwas anderes gesehen.“ Das sitzt.

Bürgermeister Joachim Kandels schien getroffen. Er verlas eine Woche später in der nächsten Sitzung eine Erklärung, in der er von „Hass gegen seine Person“ sprach und davon, dass er diese Art des Umgangs als „despektierlich“ empfinde. Zudem verbitte er sich „dieses respektlose, arrogante, selbstgefällige Verhalten“ gegenüber seinen Mitarbeitern (der TV berichtete).

Muss man als Bürgermeister sowas einfach wegstecken? Ja, sagen die von uns befragten Räte. Darüber, ob die jüngste Ansprache der Liste Streit allerdings sehr stilvoll war, gehen die Meinungen auseinander.

Peter Kockelmann (Liste Streit) und Manfred Böttel (FBL) sind am längsten dabei. Beide engagieren sich seit 1984 im Stadtrat. Einer Meinung sind sie deshalb lange nicht. Während Kockelmann findet „unser Bürgermeister müsste gelassener werden und nicht alles so persönlich nehmen“, sagt Böttel: „Diese Stimmung ist durch den aggressiven Bürgermeisterwahlkampf entstanden und auch im Anschluss gab es viel Anspannung wegen der Liste Streit.“

Zur Erinnerung: Die Liste Streit hatte den langjährigen Bauamtsleiter Heinz Reckinger als neues Mitglied im Bauausschuss nominiert. Das wurde von allen anderen Fraktionen geschlossen abgeschmettert. Dann die Verwaltungsschelte in der Haushaltssitzung.

Urgestein Paul Baustert (CDU) – 1979 in den Rat gewählt, 35 Jahre Mitglied, heute regelmäßiger Gast in öffentlichen Sitzungen – nimmt auch die Liste Streit in die Pflicht: „Für meine Begriffe sind die im Wahlkampf ein bisschen zu hart und zu persönlich vorgegangen. Sachliche Kritik ist was anderes als persönliche Angriffe.“ In der Sache sei auch früher hart diskutiert worden. Sogar viel härter als heute. Aber, sagt Baustert, „das Zwischenmenschliche“ habe darunter nicht gelitten. Im Gegenteil. Anschließend sei man ein Bier trinken gegangen – etwas, das heute fehlt.

„Früher wurde so manches im Nachgang an der Theke klargestellt und dann ist man zufrieden nach Hause gegangen, auch wenn man sich in der Sitzung richtig in der Wolle hatte“, sagt Kockelmann. Er vermisst genau das. Richtige Debatten im Rat: „Das wäre der Ort, Meinungsverschiedenheiten und Konflikte in der Sache richtig auszutragen.“

So sieht es auch Peter Berger (Grüne), seit fast 25 Jahren dabei. Er sagt zur aktuellen Stimmungslage: „Irgendwie ist da eine Bremse drin. Die Diskussionen sind eher zahm. Am Ende stimmen wir ab, oft einstimmig, aber nicht jeder hat gesagt, was ihm wichtig war. Das ist unbefriedigend.“ Auch er wünscht sich mehr Diskussion. Und, dass der Wahlkampf „jetzt endlich mal abgearbeitet ist“.

Stephan Garçon (SPD), seit fast 30 Jahren im Rat, hat ebenfalls nichts gegen harte Diskussionen.  Im Gegenteil. „Früher wurde es dabei auch schon mal persönlich“, sagt er, „aber der Unterschied war, da wurde direkt reagiert, vielleicht ging es auch noch mal hin und her und dann ist man zusammen was trinken gegangen.“ Was Äußerungen der Liste Streit zu Bürgermeister und Verwaltung angeht, findet Garçon, dass diese „eher harmlos“ ausgefallen sind im Vergleich dazu, „wie früher auf die Verwaltung eingeschlagen wurde.“ Schließlich sei es Aufgabe des Rats als Souverän auch die Verwaltungsarbeit kritisch zu verfolgen: „Da lassen wir uns nicht den Mund verbieten.“

Dass der Bürgermeister sich schützend vor die Verwaltung stellt, ist seine Aufgabe. Aber – so sehen es Garçon und Berger – das hätte er in der Situation tun sollen, nicht mit einer Woche Verspätung. „Wenn man Tacheles reden will, dann gleich. Und dann kann man für meinen Geschmack die Sitzung nicht augenblicklich danach für beendet erklären und gehen.“ Auch Marie-Luise Niewodniczanska (FDP) seit 1994 mit von der Partie, sagt: „Das war ein Fehler vom Bürgermeister, sich nachträglich über die frechen Bemerkungen von Herrn Notte aufzuregen. Das bauscht alles nur auf.“

Die große Dame der kleinen FDP findet, dass es alles im Allem zu ernst sei: „Da muss einfach ein bisschen mehr Humor reinkommen.“ Insgesamt läuft es für ihren Geschmack aber „ruhig und gut“, was womöglich auch daran läge, dass der Bürgermeister jemand sei, der „unbedingt Frieden haben will“. Ihr Fazit: „ruhig, gut, aber leider etwas langweilig“.

Obwohl Kandels deutlich mehr einstimmige Beschlüsse von dem Gremium bekommt, als seine Vorgänger, droht das Gemeinschaftsgefühl zu zerbröckeln. Das beklagt Garçon. Ihm ist Ratsarbeit „zu technokratisch“ und es gäbe kaum noch was zu lachen. Jeder dürfe was sagen, das war’s dann. „Man hat das Gefühl, jede weitere Frage ist schon zu viel“, sagt Kockelmann. Auch Berger sieht für den Verlauf der Diskussionen eine Mitverantwortung beim Bürgermeister: „Das ist eine Sache der Gesprächsführung. Er müsste das Zugpferd sein.“ Kockelmann wünscht sich vom Bürgermeister mehr „Akzente“ und, dass er auch „mal klare Kante“ zeigt.

Garçon räumt aber auch ein: „Es fehlen Typen wie Rass und Feierabend. Da muss man sich natürlich auch an die eigene Nase packen.“ Und, so sagt Frau Niewo: „Im Kreistag gibt es auch keine großen Auseinandersetzungen mehr.“ Da steht Landrat Joachim Streit, Kandels Vorgänger, an der Spitze. Also kann es nicht nur am Bürgermeister hängen.

Früher sei es engagierter zugegangen. „Das Ehrenamt ging vor“, sagt Baustert, „heute sind es so viele andere Sachen.“ „Wir leben in einer viel hektischeren Zeit“, sagt Böttel. Die Ratskollegen kämen untereinander gut zurecht – nur zum gemeinsamen Bier fehle eben bei vielen die Zeit. Wobei Frau Niewo findet: „Der Bürgermeister könnte doch auch mal sagen: Heute gebe ich einen aus.“

Die Sache mit dem Bier nach der Sitzung ist jedenfalls irgendwie eingeschlafen. Schade. Denn, so sieht es Böttel: „Wenn wir noch mal zusammen was zusammen trinken würden, würde das helfen, die Sache aufzulockern.“

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