GESCHICHTE Eifel im Ersten Weltkrieg: Fähnchen gegen die Revolution

Eifel · Nur wenige Wochen, nachdem der Erste Weltkrieg in der Eifel zu Ende gegangen war, kamen die Amerikaner – am 1. Dezember 1918.

 Deutsche Soldaten auf dem Rückmarsch auf der Sauerbrücke in Echternach, November 1918.

Deutsche Soldaten auf dem Rückmarsch auf der Sauerbrücke in Echternach, November 1918.

Foto: Tv/Picasa

Am 9. November legte seine Majestät Wilhelm II. die Krone nieder. Das ist traurig und macht uns nachdenklich“, notierte der Prümer Musiklehrer R. Scharbach vor 100 Jahren in sein Tagebuch. Ganz ähnlich hielt am selben Tag Irma Adelmann von Adelmannsfelden, die Frau des Bitburger Landrates, in ihren Aufzeichnungen fest: „Kaiser hat abgedankt, eine große Zeit ist zu Ende. Armer Kaiser! Tief erschüttert.“

So gnädig wie die beiden Schreiber dachten in jenen Tagen nicht alle der einstigen Untertanen über ihren Monarchen. Immerhin war er es, der sein Land vier Jahre vorher in einen Krieg geführt hatte, der jetzt in einem Desaster endete.

 Bei Prüm am 8. Januar 1919: Amerikanische Soldaten schießen Salut für den verstorbenen Präsidenten Roosevelt.

Bei Prüm am 8. Januar 1919: Amerikanische Soldaten schießen Salut für den verstorbenen Präsidenten Roosevelt.

Foto: tv/Foto: Paul W. Cloud, Nationalarchiv Washington

Der Funke der Revolution, die Anfang November 1918 mit dem Aufstand der Kieler Matrosen begann, zündete auch bei uns. Wie überall im Land gründeten sich auch hier Arbeiter- und Soldatenräte oder Vertrauensausschüsse und setzten sich an die Spitze der örtlichen Verwaltungen. In Prüm erschien am 10. November eine Abordnung Matrosen per Auto aus Köln und erklärte sich zum zuständigen Soldatenrat.

 Das Prümer Konvikt diente den US-Soldaten als Lazarett, 1918/1919.

Das Prümer Konvikt diente den US-Soldaten als Lazarett, 1918/1919.

Foto: tv/Foto: National Library of Medicine, Bethesda, Maryland

Vier Tage später wurde er um einen gewählten Bürgerausschuss ergänzt. Der Pronsfelder Soldatenrat, in dem auch Teilnehmer des Kieler Aufstandes saßen, erklärte sogleich den Gemeinderat für abgesetzt. Weitere Soldatenräte entstanden in Bleialf, Hallschlag, Feuerscheid und Hersdorf.

 Deutsche Soldaten auf dem Rückmarsch durch Bitburg an der Kreuzung Echternacher Straße/Trierer Straße im November 1918.

Deutsche Soldaten auf dem Rückmarsch durch Bitburg an der Kreuzung Echternacher Straße/Trierer Straße im November 1918.

Foto: TV/Fotografin: Irma Adelmann von Adelmannsfelden, CC BY 3.0

In Bitburg revoltierte am 10. November das Lazarett, das sich an der Stelle der heutigen Südschule befand. Vorräte wurden geplündert und viele Soldaten machte sich von dannen.

 Das Prümer Konvikt diente den US-Soldaten als Lazarett, 1918/1919.

Das Prümer Konvikt diente den US-Soldaten als Lazarett, 1918/1919.

Foto: TV/National Library of Medicine, Bethesda, Maryland

Auch in Speicher herrschten revolutionäre Umtriebe. Am Nachmittag fand in Bitburg im Hotel Kaufmann (Karenweg 11) eine Volksversammlung statt. Dort gelang es Landrat Graf Adelmann, die Aufregung der anwesenden Soldaten zu beruhigen. Ein Bürgerrat wurde gewählt und tagte zum ersten Mal am 13. November. Mit viel diplomatischem Geschick fand der Bitburger Landrat dabei die Zustimmung des Trierer Arbeiter- und Soldatenrates. Fortan trugen die Sicherheitskräfte im Kreis weiße Armbinden mit der Aufschrift „Bauern- und Soldatenrat des Kreises Bitburg“ und dem Dienststempel des Landrates. Die ersten Tage der Revolution waren damit einigermaßen glimpflich verlaufen.

 Fahnen der US-Militärverwaltung am Bürgermeisteramt Prüm auf dem Hahnplatz.

Fahnen der US-Militärverwaltung am Bürgermeisteramt Prüm auf dem Hahnplatz.

Foto: tv/Imperial War-Museum Kansas City

Mit dem Waffenstillstandsvertrag vom 11. November begann auch der Rückzug des deutschen Heeres aus Frankreich, Belgien und Luxemburg. „Man fühlt sich so anders in Deutschland“, schrieb in Schönecken ein durchziehender Soldat am 26. November an seine Eltern nach Bremen.

Der Chronist R. Scharbach beschrieb in Prüm schwarz-weiß-rot geschmückte Wagen und Regimenter, die mit Musik durch die Stadt zogen, sah aber auch „müde Leute, ohne Begeisterung, mit zerrissenen Schuhen, zerschossenen Autos, mit einfältigen roten Lappen (als Zeichen der Revolution, Anm. d. Verf.), ohne Sang und Klang“.

Dennoch versuchte man, die zurückkehrenden Soldaten würdig zu empfangen und zugleich revolutionären Bestrebungen entgegenzuwirken. Am Grenzübergang in Echternacherbrück hatte Landrat Adelmann eine Ehrenpforte aus Holz und Tannengrün errichten lassen, mit der Aufschrift „Willkommen in der Heimat“.

Und um die roten Fahnen der Revolution erst gar nicht aufkommen zu lassen, ließ Irma Adelmann in Bitburg tausende schwarz-weiß-roter Fähnchen und Schleifen nähen und an die durchziehenden Truppen verteilen.

In ihr Tagebuch notierte sie am 20. November: „Ich mit den Kindern auf die Straße gegangen. – Riesiges Leben, die ganze Division zog von Wolsfeld nach Mötsch herunter. Zum Teil sehr schön geschmückt aber man vermisst die Fahnenkompagnien. Jedes Regiment zog mit singendem Spiel ein, (…) Die Leute in guter Stimmung & doch traurig dass der Rückzug so erfolgte.“

Am 1. Dezember trafen die ersten amerikanischen Soldaten ein, auffallend gut ausgerüstet, wie Sportsleute wirkend. „Die Soldaten marschieren viel legerer, das ganze mutet an wie ein Traum“, schrieb die Landratsgattin. „Mir kamen die Tränen in die Augen, dass nun diejenigen, denen wir hauptsächlich den Verlust des Krieges verdanken hier bei uns als Besatzung bleiben.“

Bis zum Sommer 1919 hielten die Amerikaner unter anderem die Kreise Bitburg und Prüm besetzt, mit zahlreichen Stützpunkten in allen größeren Ortschaften. Dann übernahm auch hier für eine lange Zeit die französische Armee das Regiment.

Erst 1930 sollte sie das Rheinland wieder freigeben.

Diesen Gastbeitrag hat uns Burkhard Kaufmann, Leiter des Kreismuseums Bitburg-Prüm in Bitburg, dankenswerterweise zur Verfügung gestellt.

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