Ein Brief, der nie angekommen ist

Bitburg · Mit nur zwölfeinhalb Kilo Gepäck sind die Juden aus Luxemburg und der Region Trier 1941 ins Ghetto Litzmannstadt gebracht worden. Dr. Pascale Eberhard hat bei einem Vortrag im Bedahaus den Zuhörern über das Schicksal der Juden berichtet, von denen kaum einer den Holocaust überlebt hat.

Bitburg. Caroline Kahn gehört zu den 517 Juden aus Luxemburg und der Trierer Region, die am 16. Oktober 1941 ihre Heimat verlassen mussten. Mitnehmen durfte sie nur zwölfeinhalb Kilo Gepäck. Die Reise der Juden ging ins Ghetto Litzmannstadt in Polen. "Jetzt wissen wir erst, wie schön die Heimat war", schrieb sie im November 1941 an eine Freundin.
Zwölf Menschen pro Zimmer


Zusammen mit sechs bis zwölf anderen Menschen mussten sich die Juden ein Zimmer im Ghetto teilen. Es gab kein fließendes Wasser, keine Toilette und weil Material zum Heizen fehlte, kämpften die Bewohner gegen die Kälte. Caroline Kahns Brief kam nie beim Adressaten an. Die Behörden hielten ihn zurück. Ihr Schreiben und viele andere Karten sind heute im Staatsarchiv Lodz zu finden.
Vier Jahre lang hat sich Pascale Eberhard aus Wawern (Kreis Trier-Saarburg) mit dem Schicksal der Bewohner des Ghettos Litzmannstadt auseinandergesetzt. Sie hat nicht nur alte Postkarten und Anträge studiert, sie hat auch Angehörige der Opfer besucht. Eberhard, Tochter eines Franzosen, der das Konzentrationslager Dachau überlebt hat, wohnt in Wawern neben der Synagoge und engagiert sich im Förderverein ehemalige Synagoge Könen. Im Bedahaus hielt sie vor mehr als 200 Gästen ihren Vortrag mit dem Titel "Jetzt wissen wir erst, wie schön die Heimat war". Ihren Zuhörern brachte sie den Alltag der Juden sehr nahe: "Wer keine Arbeit im Ghetto fand, musste sich täglich mit einer wässrigen Suppe und ein wenig Brot zufrieden geben. Wer eine Arbeit hatte, wollte sich unentbehrlich machen." Denn wer nicht arbeiten konnte, erhielt eine Ausreiseaufforderung. Das Ziel der Reise: das Vernichtungslager. Zwar wussten die Juden dies anfangs nicht, doch viele schienen es zu ahnen: Sie beantragten die Aufhebung der Ausreise.
Schüler der Theobald-Simon-Schule Bitburg lasen mehrere dieser Anträge vor. Nur wenige der Antragsteller wussten, dass dies ihre einzige Überlebenschance war. Erst als die Kleidung der Deportierten zur Weiterverarbeitung ins Ghetto zurückgebracht wurde, ahnten die Bewohner von Litzmannstadt, dass die Deportation den Tod bedeutete. Aus der Region haben nur 15 Menschen überlebt. Bürgermeister Joachim Kandels appellierte vor allem an die jungen Zuhörer, "nicht die Augen vor dem zu verschließen, was war".

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