Eine Stadt will sich erinnern

Bitburg · Stolpersteine oder eine zentrale Gedenkstätte? Bitburgs Rat sucht nach einer würdigen Form, um der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken.

 Weit vom Stadtzentrum entfernt, auf dem ehemaligen jüdischen Friedhof in Bitburg, erinnern Gedenksteine an das Schicksal der Juden in der Stadt. TV-Foto: TV-Archiv/Uwe Hentschel

Weit vom Stadtzentrum entfernt, auf dem ehemaligen jüdischen Friedhof in Bitburg, erinnern Gedenksteine an das Schicksal der Juden in der Stadt. TV-Foto: TV-Archiv/Uwe Hentschel

Bitburg 1933 lebten 51 jüdische Mitbürger in Bitburg. Etwa 20 von ihnen wurden zur Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft deportiert und ermordet. Andere haben Bitburg vorher verlassen - in der Hoffnung in Köln, Amsterdam oder anderenorts zu überleben, viele vergeblich. Die Synagoge, die in der Reichspogromnacht 1938 verwüstet wurde, ist den Bomben des Zweiten Weltkriegs zum Opfer gefallen, und ihre Ruine wurde in den 1950er Jahren abgerissen. Doch wer gar nicht weiß, wo das Gebäude in Bitburg einmal stand, dem ist die Gedenktafel an der Betonmauer vor der Aral-Tankstelle an der Ecke Neuerburger Straße/Rautenberg wohl noch nie aufgefallen. Sie ist auch eher schlicht gehalten. Mit der Else-Kallmann-Straße auf dem Gelände der Alten Kaserne hat der Stadtrat einem der jüdischen Opfer mit einem Straßennamen ein ehernes Denkmal gesetzt. Dazu hat der Arbeitskreis (AK) Gedenken mit einer Homepage im Internet den Bitburger Opfern des industrialisierten Massenmordes an den jüdischen Mitbürgern ein virtuelles Denkmal errichtet. Doch ist damit der Erinnerung und dem Gedenken an die ehemaligen Bürger der Stadt, die in Konzentrationslagern ermordet wurden, Genüge getan? Nein, sagen der AK Gedenken sowie der Bitburger Stadtrat, die sich einig sind, dass den ehemaligen jüdischen Mitbürgern der Stadt, die entrechtet, deportiert und ermordet wurden, ein würdigeres Gedenken zu schaffen ist. Einen entsprechenden Beschluss dazu fasste der Stadtrat auf Antrag der Grünen-Fraktion und Empfehlung des AK Gedenken auf seiner jüngsten Sitzung. Der AK wurde beauftragt, sich über die künstlerische Gestaltung Gedanken zu machen, wobei auf der Ratssitzung bereits zwei Varianten diskutiert wurden.Stolpersteine: In 1099 deutschen Orten hat der Künstler Gunter Demnig schon glänzende Gedenksteine aus Messing, sogenannte Stolpersteine, in Gehwege verlegt. Mit den Steinen vor den Häusern soll die Erinnerung an die Menschen, die einst dort wohnten, lebendig werden. In Trier und Bollendorf gibt es bereits solche Stolpersteine, über die man nicht wirklich, sondern nur optisch stolpern kann, da das polierte Messing der Steine im Gehweg auffällt. Bürgermeister Joachim Kandels sagt zu der Idee mit den Stolpersteinen: "Wir müssen zunächst mit den Eigentümern der Häuser sprechen und klären, ob die mit Stolpersteinen vor ihren Häusern einverstanden sind." Diese Notwendigkeit sehen nicht alle Ratsmitglieder. "Der Bürgersteig ist öffentlicher Raum", meint dagegen Thomas Barkhausen, Mitglied der SPD-Fraktion wie auch des AK Gedenken. "Anwohner sollten sich nicht ärgern. Wer dort wohnt, ist nicht schuld. Dieses Benehmen sollte sich herstellen lassen." So sieht es auch Peter Berger (Grüne): "Was spricht gegen Stolpersteine? Die Menschen haben unter uns gelebt!" Agnes Hackenberger (FBL) meint: "Stolpersteine erreichen kaum mehr Aufmerksamkeit, da es sie zu oft gibt!" Stele: Aus der Stadtverwaltung kommt hingegen der Vorschlag, eine zentrale Gedenkstelle in Form eines Denkmals oder einer Stele im Bereich "Am Markt" zu schaffen. Der Bereich soll im Zuge der Sanierung der Innenstadt ohnehin bald umgestaltet werden. "Die Planer wären da sicher froh, wenn wir ihnen ein Thema nennen könnten, was sie gestalterisch umsetzen könnten", meint Projektleiter Ralf Mayeres von der Stadtverwaltung. Auch die Liste-Streit-Fraktion kann sich eher eine zentrale Gedenkstätte, "von der eine größere Strahlkraft als von Stolpersteinen ausgehe", vorstellen. Dabei schließt die Planung bislang nicht aus, dass beide Vorstellungen umgesetzt werden. Für eine zentrale Gedenkstätte mit einer Stele spreche nach Ansicht von Stefan Garçon (SPD), dass dort auch die Namen der "129 in Bitburg elend verstorbenen russischen Kriegsgefangenen" verzeichnet und somit eine würdige Gedenkstelle für alle Opfer des Nationalsozialismus angelegt werden könne. Und so beschlossen die Ratsmitglieder neben einer möglichen Verlegung von Stolpersteinen auch die Einrichtung einer zentralen Gedenkstelle "Am Markt" zu schaffen. Der Arbeitskreis Gedenken wurde beauftragt, Vorschläge für die künstlerische und inhaltliche Gestaltung zu erarbeiten. Für die Errichtung solch einer Stele, sagte Kandels, sei mit Kosten in Höhe von rund 20 000 Euro zu rechnen.KommentarMeinung

Ein würdiges Denkmal schaffenDas Thema ist nicht neu und stand bereits vor sechs Jahren auf der Tagesordnung des Stadtrates. Schon 2011 hatte sich der Rat mit der Frage beschäftigt, wie in Bitburg der Holocaust-Opfer gedacht werden kann und ob Stolpersteine angemessen wären (der TV berichtete). Die Entscheidung darüber wurde vertagt. 2013 ist auf Beschluss des Stadtrats der Arbeitskreis Gedenken gegründet worden. Er hat die Geschichte der jüdischen Mitbürger in Bitburg und Umgebung während des Dritten Reichs in mühevoller Recherchearbeit hervorragend aufgearbeitet und dokumentiert. Darauf aufbauend ist es nun möglich, den Mitbürgern, die Opfer des Holocaust wurden, ihre Namen zurückzugeben und ihnen ein würdiges Denkmal an zentraler Stelle zu schaffen. Denn die im Stadtgebiet verteilt liegenden und dazu recht dürftigen Mahnmale und -tafeln werden diesem Anspruch nicht gerecht. c.moeris@volksfreund.de

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