Eng, heiß, orientierungslos

Gondorf · Lächeln und winken: 45 Minuten lang Maskottchen im Eifelpark in Gondorf. TV-Reporterin Sarah Jasmin Schmidt behält trotz Schweißausbrüchen das Kostüm bis zum Schluss an, um bei den Kindern nicht aufzufliegen.

Eng, heiß, orientierungslos
Foto: klaus Kimmling (e_bit )

Gondorf. Ich kriege keine Luft. Mein Kopf ist gefangen in einer hohlen Kugel. Durch zwei kleine Löcher sehe ich nach draußen. Ich versuche, langsam zu atmen, keine Panik zu bekommen. Ich möchte den Bärenkopf ausziehen. Das Fell von meinem Körper reißen. Schwerfällig ziehe ich die Füße hoch, bleibe immer wieder an den Stufen hängen. Papa-Bär gibt mir seine Tatze. "Alles in Ordnung?", höre ich nur ganz leise. "Ja", flüstere ich, weil ich weiß, dass ich den Bärenkopf jetzt nicht ausziehen kann. Die Kinder würden mich sehen. In ihren Augen bin ich Mama-Bär, die mit der Schleife auf dem Kopf. Mein Name ist Tapsi, und ich lächle immer. Wenn ich jetzt die Maske fallen lasse, sehen sie ein durchgeschwitztes, angestrengtes Gesicht, vollgeklebt mit Haaren. Die Illusion wäre pfutsch.
Die Illusion darf nicht sterben


Zwanzig Minuten vorher: Tatze, der Papa-Bär, begrüßt mich mit einem Winken am Eingang des Eifelparkes in Gondorf. Ich winke zurück, lache und freue mich, dass ich gleich zum ersten Mal Maskottchen werde. Ich gehe schon mal hoch zur Umkleide und warte auf ihn. Nachdem er ein paar Kinder empfangen hat, kommt er zu mir gestapft. Ein bisschen aufgeregt bin ich schon. Wer sich wohl darunter verbirgt? Er hebt den dunkelbraunen Bärenkopf hoch. Das Erste, was mir auffällt: Er ist pitschnass. Seine dunklen Haare kleben in Strähnen auf seiner Stirn. Sein Gesicht glänzt vor Schweiß. "Ich bin Nick", sagt er und lächelt mich an. "Du willst dich heute als Mama-Bär verkleiden?"
Nein, die Illusion darf nicht sterben. Ich halte durch und zähle die Treppenstufen, wie es mir Nick vorher geraten hat. Eins, zwei, drei, vier. Jedes Mal sehe ich nur die erste Stufe. Dann zähle ich weiter. Eins, zwei, drei, vier. Ich versuche, mich auf meine Füße zu verlassen, doch durch die großen buschigen Pfoten fühle ich nichts. Ich bleibe hängen, stolpere leicht. Papa-Bär gibt mir wieder die Hand. Sie gibt mir während der ganzen Tour Halt. Ohne seine Hand wäre ich komplett orientierungslos.
Nick ist gut gelaunt und freut sich, dass er heute eine Begleitung hat. Wir kleiden mich ein. Zuerst ziehe ich mir bei über 30 Grad ein komplettes Fell über den Körper. Danach sind die Füße dran. Mir wird ein weiteres Fell bis an die Knie gezogen. Nick zurrt mir die Stulpen fest, damit sie beim Laufen nicht wegrutschen. Dann kommen die Arme dran. Langsam wird's warm. Nicht sooo schlimm, denke ich. "Wollen wir nachher noch rutschen gehen?", fragt Nick. "Ja klar", sage ich. Noch bin ich optimistisch. Zum Schluss stülpt mir Nick den Bärenkopf über. In Nullkommanichts fühle ich mich eingeengt. Ich sehe fast nichts mehr - mein Blickfeld beschränkt sich auf geschätzte 50 Zentimeter. Jetzt fühle ich mich unwohl.
Wir sind noch nicht mal an der Hälfte der Treppen angelangt und es ist, wie ein Sprint durch die Sauna. Die Luft in meiner Kugel steht. Es riecht unangenehm nach Schweiß. Ich bade in meinem eigenen Saft. Alles ist nass und klebt. Ich sehne mich nach frischer Luft. Ich schaue durch die zwei Löcher in meinem Bärenkopf und denke daran, um keine Angst zu bekommen, dass sie mich mit Sauerstoff versorgen, . Als wir oben sind, bin ich erledigt. Ich versuche, langsam zu atmen. Ich sehe ein Kinderlachen, aber ich kann mich nicht darauf konzentrieren, sondern habe nur Fragen im Kopf: Wo muss ich hin? Wie setze ich mich hin? Falle ich gleich die Rutsche runter? Ohne Papa-Bär hätte ich wahrscheinlich Panik.
Sie suchen noch einen Mama-Bär

Eng, heiß, orientierungslos
Foto: klaus Kimmling (e_bit )
 Unsere Reporterin Sarah Jasmin Schmidt schlüpft gerade in das Bärenkostüm (Foto im Text). Nach einer Dreiviertelstunde endlich wieder richtig atmen (Foto rechts oben). Papa-Bär macht Mama-Bär spontan einen Heiratsantrag (Foto rechts in der Mitte). Sie hatten den meisten Spaß: Die Kinder im Eifelpark Gondorf freuen sich über die wuscheligen Genossen. (Foto unten). TV-Fotos (4): Klaus Kimmling

Unsere Reporterin Sarah Jasmin Schmidt schlüpft gerade in das Bärenkostüm (Foto im Text). Nach einer Dreiviertelstunde endlich wieder richtig atmen (Foto rechts oben). Papa-Bär macht Mama-Bär spontan einen Heiratsantrag (Foto rechts in der Mitte). Sie hatten den meisten Spaß: Die Kinder im Eifelpark Gondorf freuen sich über die wuscheligen Genossen. (Foto unten). TV-Fotos (4): Klaus Kimmling

Foto: klaus Kimmling (e_bit )
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Foto: klaus Kimmling (e_bit )


Beim Blick durch meine Bärenmaske sehe ich nur den Kopf des Fotografen. Er sieht leicht verschwommen aus, weil ich durch ein Netz schaue. Schon die ersten zwei Schritte aus der Umkleide zeigen, dass ich mich kaum fortbewegen kann. Ich laufe wie ein Roboter. Nick gibt mir seine Hand und gemeinsam stapfen wir zum Eingang. Sprechen darf ich nicht, weil Bären das nun einmal nicht können. Das zerstört die Illusion der Kinder, erklärt mir Nick. Er fängt an zu winken. Ich mache es nach. Die Kleinen laufen auf uns zu und strahlen. Wenn sie direkt vor mir stehen, sehe ich sie nicht mehr. Ich kann nur hören oder fühlen, wenn sie vor meinem Fellbauch sind.
Papa-Bär legt mir die Matte zum Rutschen hin, weil ich sie nicht greifen kann. Ich bin skeptisch. Wie soll ich in dieser Montur rutschen? Die Hand greift nach mir und es geht los. Er zieht meinen Arm hoch - wir winken. Ich spüre zum ersten Mal ein bisschen Wind. Das tut gut. Unten angekommen, bin ich erleichtert, aber aufstehen kann ich nicht. Ich fühle mich wie ein Käfer, der auf dem Rücken liegt. Papa-Bär zieht mich hoch. Ich möchte meine Matte greifen, dabei fällt mir fast der Bärenkopf vom Gesicht.
Obwohl die Kinder meinen riesigen Bauch umarmen und mir die Hand geben, sind sie ganz weit weg. Ich fühle mich abgeschottet. Ich sehe immer nur einen Teil von ihnen: die kleine Hand, die strahlenden Augen, die Kamera der Eltern. Jede Bewegung erfordert Konzentration. "Immer lächeln und winken", denke ich mir, bis mir auffällt, dass mein Kostüm ein Dauergrinser ist. Ich kann nicht reden, ich kann keine Emotionen zeigen. Das fällt mir schwer. Es ist schön zu wissen, dass ich den Kleinen ein Lachen ins Gesicht zaubere, aber es ist schade, dass ich ihnen kein natürliches Lachen zurückschenken kann. Wir sind zwei Welten: die Kinder und ich.
"Wir gehen jetzt zurück", wispert Papa-Bär nach der Rutsche. Ich bin erleichtert. Auf dem Weg zur Umkleide möchten viele noch ein Foto haben. Ich möchte nur noch frische Luft schnappen. "Gleich haben wir es geschafft", sagt er und gibt mir die Hand. Angekommen ziehen wir beide unsere Bärenköpfe aus. Ich kann atmen und sofort fällt eine riesige Last von mir. Nick lächelt. "Es macht wirklich Spaß", sagt er mehrfach. Er liebt diesen Job. Später erzählt er mir, dass sie noch einen Mama-Bären suchen und schaut mich an.

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