Justiz Haft statt Heim für Eifeler – Gericht sind die Hände gebunden

Bitburg · Ein Mann aus der Eifel hat sich vor dem Amtsgericht Bitburg verantworten müssen. Die Vorwürfe: Er habe sich mehrfach mit Nachbarn angelegt, sich Polizisten widersetzt und diese beleidigt. Außerdem habe er seinen Bruder geschlagen.

Haft statt Heim – Gericht sind die Hände gebunden
Foto: dpa/Volker Hartmann

Es ist kein leichter Fall, der vor dem Amtsgericht Bitburg verhandelt wurde. Einem psychisch kranken Mann werden neun Vorfälle zur Last gelegt.  So soll der Luxemburger zwischen 2015 und 2017 mehrere Personen beleidigt, bedroht und verletzt haben. Außerdem soll er sich der Polizei widersetzt haben.

Auch sein Bruder soll von ihm angegriffen worden sein. Einmal, sagt dieser, habe er ihn mit einem Besenstiel geschlagen. Eine blutige Lippe, Platzwunden und Rippenverletzungen waren die Folge. Ein anderes Mal habe er mit der flachen Hand die Frontscheibe seines Autos eingeschlagen. Und bei einer Attacke sei er auf den Hinterkopf gefallen, heißt es in der Akte.  Der Bruder sagt allerdings: „Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.“

Leise, fast flüsternd, spricht er über die Vorfälle. Erzählt von der Mutter, die schon während der Schwangerschaft viel getrunken habe. Davon, dass sein angeklagter Bruder schon als Baby ins Heim gekommen sei und nie jemand richtig nach ihm geschaut habe. Vom Vater, der ihn oft geschlagen habe.

Kurz vor seinem 18. Geburtstag kommt er in eine psychiatrische Einrichtung in Ettelbrück. 2013 wird er auf eigenen Wunsch entlassen. Er bekommt einen Vormund, der sich um administrative und finanzielle Dinge kümmert, also Rechnungen bezahlt und Mietverträge für ihn abschließt. Für gesundheitliche Dinge ist er jedoch nicht zuständig. Immer wieder muss der Angeklagte den Wohnort wechseln, weil es Ärger mit Nachbarn und Vermietern gibt.

„Ich weiß, wie er tickt“, sagt sein Bruder. „Er kann nicht offen mit anderen sprechen, und dann häufen sich die Probleme.“ Sein Vater wurde umgebracht, zu der Mutter hat er keinen Kontakt. Vier seiner Geschwister sind bei einem Hausbrand ums Leben gekommen. Und zwischen den beiden Brüdern eskaliert es immer wieder.

Auch mit den Nachbarn läuft es nicht gut. Es vergehe keine Woche, in der der Mann ihm nicht drohe, meistens mit der ‚Kopf-ab-Geste‘ sagt ein Zeuge vor Gericht aus. Er soll Drohungen am Telefon ausgesprochen haben,  hupend durchs Dorf gefahren sein und mit einem Stein nach einem Nachbarn geworfen und diesen ins Gesicht geschlagen haben.

Die Staatsanwältin Beatrix Klingler sieht die Tatvorwürfe (Beleidigung, Körperverletzung, davon eine schwer, Sachbeschädigung und Widerstand gegen Polizisten) als erwiesen an. Laut psychiatrischem Gutachten falle es dem Angeklagten zwar schwer, Konsequenzen aus seinem Fehlverhalten zu ziehen, aber er habe keine vollkommene Schuldunfähigkeit.  Für Beatrix Klingler ist dies ein „schwieriger Fall“. Der Angeklagte habe keinen einfachen Lebensverlauf, zu seinen Gunsten spreche, dass die Taten schon relativ lange zurücklägen und keine schweren Folgen gehabt haben. Zu seinen Lasten gingen die Vielzahl der Taten und die vorhandene Aggressivität. „Die beste Lösung wäre ein geregelter Tagesablauf im Heim. Doch dazu ist er nicht bereit“, sagt sie. Deshalb fordert sie acht Monate Haft ohne Bewährung.

Der Verteidiger, Rechtsanwalt Karl-Josef Theisges, hebt noch einmal die „tragische und bemitleidenswerte Vita“ seines Mandanten hervor. „Er hat nur die Intelligenz eines neun- bis zwölfjährigen Kindes. Würden Sie das einsperren?“, fragt er. Damit werde ihm nicht geholfen.  „Ihn wegzusperren – das geht mir zu weit.“

Dabei ist auch dem Strafrichter Christian Scholz nicht richtig wohl. Doch das Strafrecht sehe nur Sanktionen vor: Geld- oder Freiheitsstrafe. „Für eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik reichen die Straftaten nicht aus. Das ginge nur, wenn seine Taten erheblich sind“, erklärt er. Doch das sei nicht gegeben, und deshalb gehe das auch nur mit seinem Willen. „Die Nachbarn müssen lernen, mit so einem Menschen umzugehen. Man hat kein Recht auf eine angenehme Nachbarschaft“, sagt Scholz. Unter Berücksichtigung der Krankheit verurteilt er den Angeklagten zu sechs Monaten Haft ohne Bewährung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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