Heftige Reaktionen auf Speicherer Kopfprämie

Speicher · Geniestreich oder Steuerverschwendung? Speichers Kopfgeld-Aktion hat viele gegensätzliche Reaktionen ausgelöst. Seit Donnerstag gab es aber auch fünf weitere Anmeldungen am dortigen Schulzentrum. Damit sind es 26 neue Fünftklässler. Zum Überleben als Realschule plus braucht der Standort jedoch mindestens 51 Anmeldungen.

 Das Speicherer Schulzentrum überlebt nur mit 51 neuen Fünftklässlern. Dann darf der Standort Realschule plus werden. TV-Foto: Sarah-Lena Gombert

Das Speicherer Schulzentrum überlebt nur mit 51 neuen Fünftklässlern. Dann darf der Standort Realschule plus werden. TV-Foto: Sarah-Lena Gombert

Speicher. "Wahnsinn - Speicher ist auf der Titelseite des TV!", schreibt Facebook-Nutzer Eric Mathey. Das dortige Schulzentrum hat mit einer im Land einmaligen Aktion Aufsehen erregt. Der Zweckverband der Einrichtung zahlt den Eltern jedes neu an die Schule kommenden Fünftklässlers ein Startgeld von 500 Euro (der TV berichtete).
Hintergrund ist der Wunsch, den Standort als Realschule plus zu erhalten. Bisher gibt es in Speicher eine Haupt- und Realschule. Weil die Schülerzahlen zu gering sind, hat die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion das Überleben der Schule an eine Bedingung geknüpft. Die Einrichtung braucht mindestens 51 Anmeldungen für die fünften Klassen. Am Mittwoch waren es laut Joachim Streit, Landrat des Eifelkreises Bitburg-Prüm, 21. Laut Rudolf Becker, Bürgermeister der Verbandsgemeinde (VG) Speicher, seien seit Donnerstag fünf Anmeldungen dazugekommen.
Die Kommunalaufsicht hat auf Anraten der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) die außergewöhnliche Aktion geprüft. "Mit Blick auf den Finanzmittelbestand der VG Speicher werden dieser Aktion keine Bedenken entgegengebracht", erklärt die Kommunalaufsicht des Kreises auf TV-Anfrage.
Schulleiter Jürgen Weber: "Die TV-Berichterstattung hat eine große Welle ausgelöst." Am Freitag sei bereits ein Fernsehsender vor Ort gewesen. Für nächste Woche habe sich ein weiterer angekündigt. Negatives Feedback sei von keiner Seite gekommen. Ganz im Gegenteil, sagt Becker, "Ich hatte nur positive Reaktionen."
Im Internet wurde die außergewöhnliche Aktion kontrovers diskutiert. Auf der Facebook-Seite des Trierischen Volksfreunds schreibt Nutzer Ferdinand Monges: "Da wird eine Elternentscheidung gekauft. Statt überzeugender Politik, Bestechung mit öffentlichem Geld." Das sei Quatsch, sagt Becker: "Wir wollen die Kinder nicht kaufen. Sie sind uns so viel wert, dass wir ihnen das Starterkit obendrauf packen." Die Schule werbe schließlich mit zahlreichen pädagogischen Vorzügen wie der essbaren Schule (siehe Extra).
Kein Gedanke an Rücktritt


"Rudolf Becker sollte zurücktreten, möglichst schnell, denn das hat Speicher nicht verdient", wettert der Facebook-Nutzer weiter. Becker lachend: "Ich denke gar nicht daran zurückzutreten. Die Aktion wurde einstimmig im VG-Rat entschieden."
Der Speicherer Willy Steinbach schreibt: "Wenn das Geld tatsächlich aus dem Rücklagentopf der Verbandsgemeinde Speicher kommt, ist das für mich ein Indiz dafür, dass die Verwaltung in den letzten Jahren in Sachen VG-Umlage zu tief in die Taschen der umlagepflichtigen Ortsgemeinden und damit kausal auch in die Taschen der Bürger gegriffen hat." Die Aktion sei weder Steuerverschwendung noch unmoralisch, erklärt Becker. "Unmoralisch wäre es, ein gutes Schulzentrum zu schließen. Oder Tausende Euro für unnötige Schülerbeförderung auszugeben."
Auch Yvonne Bialluch aus Beilingen macht auf die Auswirkungen einer Schließung aufmerksam: "Das Schwimmbad und auch die große Sporthalle sowie die Freisportanlage gehören zum Schulvermögen. Sie werden nachmittags und abends stark von Vereinen genutzt. Ohne Schule gibt es diese nicht mehr." Die Kritik an dem Starterkit kann sie nicht nachvollziehen. "Um die Schule zu erhalten, sind unkonventionelle Mittel legitim, dazu gehört auch ein Starterkit."
Doch was passiert, wenn nach dem 28. Februar, dem Ende der Anmeldefrist, die magischen 51 nicht erreicht sind? Weber: "Wir haben uns bisher vorrangig mit unseren Möglichkeiten zur Erhaltung befasst, die wir ausschöpfen können."
Kraft Gesetz werden alle Hauptschulen zum 31. Juli 2013 aufgehoben, weiß Becker. "Erteilt die ADD uns bis dahin keine Ausnahmegenehmigung, stirbt unser Standort."Extra

Zwei Anträge, Speicher in eine Integrierte Gesamtschule (IGS) umzuwandeln, sind von der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) abgelehnt worden. Die Einrichtung einer Realschule plus ist der vorerst der einzige Weg zum Erhalt des Standorts, weil die Hauptschulen in Rheinland-Pfalz abgeschafft werden. Mindestens 51 Schüler braucht Speicher, weil die Schulform mindestens dreizügig sein muss. Bei maximal 25 Schülern pro Klasse würden 51 Anmeldungen zwangsläufig zur Einrichtung von drei Klassen führen. Frühestens im Schuljahr 2015/16 könnte dann die Umwandlung in eine IGS erfolgen. Beim Konzept "essbare Schule" soll das Schulgelände bepflanzt und bewirtschaftet werden. Das Projekt wird in den Unterricht integriert. Erste Projekte sind der Färbergarten und das Bienen-Projekt. MRA/sys/uhe

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